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Werstoffpunkt Der Herr des Magdeburger Altpapiers

Sammelhöfe wie der von Sven Berlinski an der Berliner Chaussee in Magdeburg belohnen Wertstoffjäger.

Von Jana Heute 04.02.2019, 00:01

Magdeburg l Sven Berlinskis Wertstoffhof an der Berliner Chaussee in Magdeburg hat eine „exklusive“ Adresse. Auf dem Gelände direkt an der Bundesstraße 1 residiert der gleichnamige Erotikclub, nach eigenem Bekunden erstes und einziges Bordell in Magdeburg. Den 51-jährigen Berlinski stört das überhaupt nicht. Man bewege sich in bester Nachbarschaft, und seine Besucher, die Wertstoffjäger, hätten sich längst daran gewöhnt. Am Tage sei es eh ruhig im Club Exklusiv, weiß Berlinski.

Dafür herrscht tagsüber in seiner alten Betriebshalle auf dem Gelände rege Betriebsamkeit. Unter anderem private Sammler fahren mit ihren Pkw vor und bringen neues „Futter“ für den Wertstoffpunkt, von denen es in Magdeburg und dem Umland mehrere privat betriebene gibt. Sven Berlinski leitet u. a. den an der Berliner Chaussee und das seit inzwischen zehn Jahren. Er kümmert sich im Firmenverbund unter dem Label „Wertstoffpunkt“ zudem um die gemeinsame Vermarktung.

„Ich sammle Wertstoffe wie Altpapier und verkaufe sie an die Industrie weiter“, erklärt der 51-jährige Magdeburger. Dabei arbeite er ausschließlich mit zertifizierten Unternehmen zusammen, betont er. So wird z. B. in einer Fabrik in Schwedt Altpapier recycelt und neues hergestellt. Schrott werde u. a. in den Salzgitterwerken wieder eingeschmolzen. Auch die Verwertung der Altkleider erfolge nach den Regeln des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Das Landesverwaltungsamt Halle habe stets ein waches Auge darauf, erklärt der Inhaber des Werstoffhofes an der Berliner Chaussee.

Während die alte Betriebshalle vor ein paar Jahren schon die Kulisse für den Polizeiruf „Abwärts“ lieferte, ging es für Berlinski in den zehn Jahren langsam, aber stetig bergauf. „Angefangen habe ich in einer kleinen Ecke in der Halle, das Büro mit einer Plane abgetrennt“, erinnert er sich.

Heute füllen große Säcke mit recycelbaren Sachen das mit Tageslicht durchflutete Gebäude, das zu DDR-Zeiten u. a. für die Berufsausbildung genutzt wurde. Und ein Flohmarkt empfängt die Kunden gleich im Eingangsbereich der rund 800 Quadratmeter großen Halle.

Ein klassischer An- und Verkauf ist dies: ausrangierte Kaffeemaschinen, Toaster, aber auch Bücher, Besteckkästen, Koffer, Tassen und ausgefallene Dinge wie ein alter Rollstuhl sind in den Regalen und Gängen zu finden. Für Schnäppchenjäger, Nostalgiker oder Bastler ein echter Fundus. Die Sachen gibt es für Centbeträge oder wenige Euro. „Man muss ja nicht alles wegschmeißen, was noch brauchbar und gut ist“, findet Sven Berlinski. Denn es gehe ihm auch um den Gedanken der Nachhaltigkeit. Bei vielen seiner Kunden sei der Umweltgedanke ausgeprägt, erzählt Berlinski. „Sie wollen genau wissen, wohin die Sachen gehen und was mit den Wertstoffen passiert.“

Während an den gemeinhin öffentlichen Annahmestellen für das Abgeben eher noch Geld verlangt wird, drückt Sven Berlinski seinen Wertstoffsammlern sogar etwas Bares in die Hand. Reich werden kann man damit zwar nicht, aber ein Taschengeld für den Enkel oder ein Trinkgeld für die Bürokaffeekasse oder die Vereinskasse ist allemal drin.

Abgerechnet wird nach Kilogramm. „Das läppert sich ganz schnell“, weiß Sven Berlinski und nimmt zum Beweis einen kleinen Stapel Altpapier in die Hände. Ein Katalog und ein paar Zeitungen, viel ist es nicht, aber das Kilo ist schnell beisammen. „Zu uns kommen Hausgemeinschaften, die längere Zeit sammeln, oder oft auch Großeltern mit ihren Enkeln, die sich freuen, was fürs Sparschwein zu bekommen“, erzählt der Magdeburger.

Für Berlinski sei dies nicht nur ein Geschäft. „Es ist auch ein gutes Gefühl dabei“, sagt er. Der 51-Jährige hat als junger Spund selbst schon bei einer „Sero“-Annahmestelle in Sudenburg mitgeholfen und sich mit dem Sammeln von Altpapier und Glas etwas Taschengeld verdient. Als er dann vor gut zehn Jahren aus gesundheitlichen Gründen seinen Beruf als Versicherungs- und Werbekaufmann aufgeben musste, stand die Frage, wie es weitergehen soll. „Ein Freund hat mich auf die Idee mit der Annahmestelle gebracht“, erzählt er. Bereut hat der „Herr des Altpapiers“ diese Entscheidung bis heute nicht.