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Tierisches Pflegepersonal: Stubentiger lebt seit 13 Jahren im Martin-Ulbrich-Haus in den Pfeifferschen Stiftungen Willy bringt Wärme in die Krankenzimmer

Von Michaela Schröder 13.12.2012, 02:20

Im Martin-Ulbrich-Haus werden Wachkoma-Patienten und Angehörige von Pfleger Jörg Hatko mit Herz und Kompetenz umsorgt. Zum Personal des Hauses gehört aber auch seit vielen Jahren Kater Willy.

Cracau l Willy ist ein stattlicher Kater, schätzt sein gemütliches Zuhause im Martin-Ulbrich-Haus in den Pfeifferschen Stiftungen, streunt aber auch gerne mal als Freigänger auf dem Stiftungsgelände herum.

Seit 13 Jahren lebt der Kater in dem Altenpflegeheim zusammen mit 80 Bewohnern, darunter 14 Menschen im Wachkoma. Eine Schwester hatte ihn und seinen tierischen Bruder Rudi 1999 einfach mitgebracht.

Keine Seltenheit im Martin-Ulbrich-Haus, wie Christine Krogel erzählt. "Bei uns im Haus haben schon Papagei, Kaninchen und Meerschweinchen gewohnt", berichtet die stellvertretende Bereichsleiterin. Haustiere sind in der Einrichtung ausdrücklich erwünscht. "Unsere Einrichtung ist meist die letzte Lebenstation unserer Bewohner und soll nicht nur Pflegeeinrichtung, sondern auch ein Zuhause sein", erklärt Christine Krogel.

Willy kam mit vier Wochen in die Pfeifferschen Stiftungen. Damals war der Kater ganz abgemagert. Eine ältere Dame, die ihren Lebensabend im Haus verbrachte, nahm sich seiner an und zog ihn auf. Doch Willy und sein Bruden Rudi wurden in ihrer Sturm- und Drang-Phase zu wild und bekamen in der Wäschekammer ein neues Domizil.

Doch seit dem Hochwasser 2002 muss Willy allein durch die Stiftungen streifen und seine Runden machen, ganz wie die Ärzte und Krankenschwestern. "Willys Bruder, Rudi, ist damals mit der Evakuierung der Stiftungen spurlos verschwunden", berichtet Christine Krogel.

Seit acht Jahren hat Kater Willy aber in Pfleger Jörg Hatko einen neuen Freund gefunden, der ihn bei seinen nächtlichen Runden auf der Wachkomastation im Martin-Ulbrich-Haus begleitet. Und manchmal darf er unter Aufsicht sogar zum Schmusen in die Patientenzimmer.

Jörg Hatko übernimmt für die Patienten auf der Wachkomastation das, was diese so dringend brauchen: die bestmögliche Pflege. Auch wenn sie nicht mit ihm sprechen können, erkennt er doch ihre Bedürfnisse. "Die Menschen können sich nicht mehr mitteilen, aber ich sehe, ob es ihnen gut geht, ob sie ruhig sind oder etwas brauchen." Das könne man nicht lernen, das sei eine Frage der Erfahrung, sagt er.

Zur Umsorgung gehören auch viele Gespräche mit den Angehörigen. "Die Menschen, die plötzlich mit dem neuen Zustand ihres Mannes oder ihrer Mutter umgehen müssen, sind oft zutiefst verunsichert. Da heißt es zuhören und verstehen", so der Pfleger. Und manchmal auch einstecken können: "Anfangs sind wir Problemlöser, Seelentröster, manchmal auch Kummerkasten. Die Angehörigen sind wütend, hilflos. Auch uns gegenüber. Das ist menschlich. Aber nach einigen Wochen ändert sich das. Dann werden wir zu Vertrauten, manchmal sogar Familienersatz. Das ist ein schönes Gefühl, wenn sich die Menschen öffnen." Im regelmäßigen Austausch mit den Angehörigen erklären die Pfleger des Martin-Ulbrich-Hauses, was es heißt, im Wachkoma zu sein.

"Wir beschreiben die Situation, geben Tipps, wie man sich verhalten könnte, um dem Patienten ein gutes Gefühl zu geben." Um den Menschen die beste Pflege zu geben, wird den Angehörigen noch vor der Aufnahme auf die Station ein sogenannter Biografiebogen ausgehändigt. "Wir bitten darin um einige persönliche Angaben über die zu versorgende Person. Mit diesen Informationen lernen wir unseren Patienten besser kennen", erklärt Christine Krogel. So werde beispielsweise nach dem Lieblingsduft oder bestimmten Gewohnheiten gefragt. Mag der Mensch Kaffee, welchen Duft liebt er, wo ist er aufgewachsen? "Diese Angaben sind absolut freiwillig. Es ist nur ein Angebot, das uns helfen könnte, besser auf den Menschen einzugehen."

Neben dem Pflegepersonal ist auch ein erfahrenes Ärzteteam auf der Station im Einsatz. "Wir haben eine erstklassige Allgemein- und Palliativmedizinerin, die eine tolle Schmerztherapie leistet. Es gibt einen Neurologen, Urologen, HNO-Arzt, einen Hautarzt, einen Augenarzt und einen Zahnarzt hier vor Ort. Sie alle sind im Umgang mit Wachkoma-Patienten geschult", erklärt Jörg Hatko.

Zu der notwendigen ärztlichen Versorgung kommt jedoch noch eine weitere wichtige Leistung: "Wir haben auch einen Friseur. Denn egal, wie krank ein Mensch ist: Seine Würde soll ihm nicht genommen werden. Und dazu gehört auch das Aussehen", so die stellvertretende Bereichsleiterin und ergänzt: "Und unser Kater Willy bringt Wärme in die Krankenzimmer."