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Milchproduktion Von Berlin zu Lindtorfs Kühen

Aaron Schmidtmann ist seit neun Monaten Leiter der Milchproduktionsgenossenschaft Lindtorf. Er möchte mehr Tierwohl, für bessere Zahlen.

Von Karina Hoppe 29.03.2019, 18:00

Lindtorf l Er kam zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Mitten ins Dürrejahr 2018. Die Milchproduktionsgenossenschaft Lindtorf erwirtschaftet 80 Prozent ihrer Erlöse mit der Milch. „Wir sind deswegen sehr von der Futterversorgung abhängig, haben aber nur wenig eigene Flächen“, sagt Aaron Schmidtmann, der mit der großen Futterknappheit also gleich ein extremes erstes Jahr erwischt hat, aber sich gut durchboxte. Dass die Vegetation nun so früh in Gange kommt – die erste Rapsblüte hatte der Betrieb am 26. März und damit drei Wochen früher als 2018 – helfe erheblich. „Das Gras wächst, wir können in der nächsten Woche schon den ersten Schnitt machen.“ Ein Mann atmet auf.

Aaron Schmidtmann wohnt am Stadtrand von Berlin, ist auch in der Hauptstadt aufgewachsen und seine Ursprungsfamilie hatte mit Landwirtschaft so gar nichts zu tun: die Mutter Kindergärtnerin, der Vater Architekt. Aber da waren ja noch Oma und Opa, die mit ihrem Wild- und Geflügelhandel einen Keim in Aaron Schmidtmann gesetzt haben mögen, „jedenfalls habe ich mit sieben Jahren schon Bilder über die Landwirtschaft gemalt“. Nach seinem Studium der Agrarwissenschaften an der Humboldt-Uni war er zunächst als Leiter Pflanzenproduktion in einem Betrieb im Oderbruch beschäftigt. Über einen ehemaligen Kommilitonen hörte er von der frei werdenden Stelle in Lindtorf. Schmidtmann kam und sagte Ja. Nicht zuletzt, weil er hier Angestellte kennenlernte, die ihn überzeugt hätten.

Die Stellschraube, an der Schmidtmann bereits mit Erfolg gedreht habe, ist das Zusammenspiel zwischen Tierarzt, Management und Pflege. „Die Kühe sind gesünder“, sagt er. Dass monatlich nur 15 Tiere zum Schlachten gegeben werden, sei ein großer Erfolg. Der Bedarf an eigenen Färsen sei gesunken, „wir konnten in fünf Monaten 70 Färsen verkaufen“. Alles zusammen habe die Genossenschaft 470 000  Euro pro Jahr an Bestandsersetzungskosten eingespart. Die leistungsfähigste Kuh gebe derzeit täglich 70,5 Liter Milch.

Und die Bedingungen für die Tiere werden mit dem neuen Melkkarussell (50er Außenmelker) noch besser. „Es wird für die Tiere stressfreier, allein die Situation im Vorwartehof.“ Dort werden gummierte Böden die Tiere entlasten und große Lüfter deren Überhitzung vermeiden. Das neue Karussell war bereits im Bau, als Schmidtmann kam, jetzt sind die Arbeiten daran in den letzten Zügen. An der Stelle des alten Karussells soll ein Bereich für 130 besonders große Milchkühe entstehen. Das Credo laute also: „Uns geht‘s nur gut, wenn‘s den Tieren gut geht“. Hochleistungssport bleibe es für die Milchkuh natürlich trotzdem.

Was die Pflanzenproduktion betrifft, freut sich Schmidtmann gerade auf die Ankunft eines Streifenbearbeitungsgeräts aus den USA. „Es lässt den Boden kompakter und das Habitat in Streifen unberührt.“ Apropos Streifen: Ein Verpächter von Land halbrund um Lindtorf habe angefragt, ob der Betrieb nicht etwas für seine Bienen tun könne. Kann er: In einem ein Hektar großen Streifen wird die Kulturpflanze „Durchwachsene Silphie“ ausgebracht. Zunächst gemeinsam mit wenig Mais, damit die Stauden gut in Gange kommen. Dann, ab dem zweiten Jahr, soll es für zehn Jahre von Juli bis September gelb blühen.

Das werden auch Schmidtmanns Frau und die drei Kinder im Alter von zehn, sechs und drei Jahren bewundern können. Noch vor der Ernte zieht Familie Schmidtmann nämlich von Berlin nach Stendal.