1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Oebisfelde
  6. >
  7. Hamstern in der Börde und kein Ende

Coronavirus Hamstern in der Börde und kein Ende

Trotz restriktiver Maßnahmen im Kampf gegen eine Ausbreitung des Coronavirus überwiegt die Angst vor einem gesellschaftlichen Infarkt.

Von Harald Schulz 18.03.2020, 00:01

Oebisfelde l Es wird weiterhin gehamstert. Dabei kommen sich die Personen immer wieder viel zu nahe. Die Vorkehrungen der Bundesregierung gegen eine Ausbreitung des Coronavirus Covid 19, die seit dem heutigen Tag erst so recht greifen sollen, haben offensichtlich in Oebisfelde dazu geführt, dass das sogenannte Einkaufsfieber grassiert. Getreu dem bekannten Ausspruch „Der frühe Vogel fängt den Wurm“, den der Engländer John Ray anno 1670 in die Welt brachte, füllte sich der Parkplatz vor dem Oebisfelder Einkaufszentrum an der Magdeburger Straße und gegenüber auf dem Aldi-Parkplatz rasch mit Autos. Das Ziel der Insassen war in aller Regel der Edeka- und der Aldi-Markt. Genauer gesagt, die Regale, wo Nudeln und dazugehörige Soßen, Mehl und Toilettenpapier zu bekommen sind.

In den Gängen unterhielten sich die Kunden über das aktuelle Thema Nummer eins, das Coronavirus mit allen Informationen und aller Ausführlichkeit, die Kundin oder Kunde parat hatte. Auffällig war dabei zu beobachten, dass auf die amtlich empfohlene größere Annäherung zwischen den Gesprächspartnern nur selten Wert gelegt wurde. Auch die Begrüßung mit Händeschütteln schien durchaus gängig. Wenn nicht, dann wurde beim Verzicht darauf leicht verlegen gelächelt, so nach dem Muster: „Muss ja sein“. Die Angst vor einer Infektion scheint überwiegend nicht wirklich zu existieren.

Ableiten lässt sich das ebenso von anderem Verhalten auf dem Weg zum und beim Einkaufen. Mütter gehen Hand in Hand mit ihren Kindern im Teenageralter zum Einkauf, junge Mütter mit Kinderwagen unterhalten sich „auf Du und Du“ mit entsprechender Klönnähe, Handwerker, die offensichtlich etwas „zum Beißen“ eingekauft haben und sich vor einer Bäckerei oder dem Lebensmittelmarkt treffen, geben sich zur Begrüßung die Hand und meinen nicht selten mit ansprechendem Vokabular, dass die Schutzmaßnahmen doch übertrieben seien.

Auch der Oebisfelder Rentner Alwin Schreck sieht die Gefahr durch das neuartige Coronavirus für sich persönlich als nicht so bedrohlich an. Er habe schon Schlimmeres überstanden, wie beispielsweise mehrere Operationen. Seine Einkäufe in der Stadt erledigt der Senior dank eines Rollators selbstständig. Angesprochen aufs Hamstern, lächelte Schreck eher milde und meinte dazu, dass die Regale noch nie so voll waren wie heutzutage. „Das tut nicht Not, denn es herrscht keine Not“, meinte der Senior. Als Eigenschutz gegen eine mögliche Corona-Infektion besinnt sich der Rentner auf seine gepflegten Tugenden: „Händewaschen, Sauberkeit und Ordnung gehören zu meinen Leben wie Essen und Trinken.“

Doch so wie Alwin Schreck denken und handeln bei Weitem nicht alle Mitmenschen. Wenn es um den eigenen Bedarf geht, wird allzu oft eingepackt, was das Zeug hält und die Geldbörse hergibt. Das in Oebisfelde ansässige Apothekenpersonal kann davon weiterhin ein Lied singen. Allerdings hat sich die Situation in eine andere Richtung als die gewohnte entwickelt: Es mangelt am Nachschub für Desinfektionsmittel. Selbst die Substanzen, um beispielsweise eine Handdesinfektion vor Ort herzustellen, können aktuell nicht geliefert werden, was auch für den Atemschutz zutrifft.

Oebisfeldes Ortsbürgermeisterin Bogumila Jacksch appelliert an die Einwohner in Stadt und Land, die amtlichen Anweisungen zu befolgen und verlässlich umzusetzen, denn nur so können Infektionswege unterbrochen werden. Die Schutzmaßnahmen würden insbesondere Schutz für die Menschen mit den bekannten Risikofaktoren bieten. Es wäre damit ein gesellschaftlicher Solidarbeweis geschafft, der von unschätzbarem Wert ist, wie Jacksch befand.

Aber auch sie beobachtet aus ihrer Nähstube im Einkaufszentrum an der Magdeburger Straße, dass Menschen sich bei aller Ernsthaftigkeit der Situation immer wieder in den Arm nehmen, sich die Hände zur Begrüßung reichen und durchaus die bestehenden amtlichen Maßnahmen zerreden. Ein Verhalten, das die Pandemie nicht stoppt, eher Gefahren für die Gesundheit herausfordert.