Krippenplatznot Existenzängste rütteln auf
In dem Streit von Müttern, die eine Absage für einen Krippenplatz erhalten haben, und Oebisfelde sind die Fronten verhärtet.
Oebisfelde l Wie viele Mütter tatsächlich auf einen Krippenplatz, zumindest bis kommenden August, in städtischen Betreuungseinrichtungen warten müssen, lässt sich schwerlich feststellen. Einige der so betroffenen Frauen wollen nicht öffentlich benannt werden. Fürchten gar Benachteiligungen durch die Stadtverwaltung, sollten dann doch endlich Krippenplätze zur Verfügung stehen.
Eine durchaus verständliche Angst, da zu erfahren war, dass nach der Absage für sofort verfügbare Krippenplätze sie auch für Plätze im zweiten Halbjahr 2020 im Rathaus keine verbindlichen Zusagen erhalten hätten.
Bei den fünf Müttern, die sich an die Volksstimme wandten, geht es um existenzielle Nöte: Arbeitslosigkeit, finanzielle Not bis hin zum Verlust von eigenem Wohneigentum könnten die unmittelbaren Folgen sein, wenn sie nicht schnell einen Betreuungsplatz für ihre Kleinkinder finden.
Eine dieser Mütter ist die alleinerziehende Sandra Hieronimus aus Breitenrode. Sie wohnt mit ihrer zehnjährigen Tochter Mara Sophie und dem 13 Monate alten Henry bei ihrer Mutter unter einem Dach. Das Alltagsleben verlief in geregelten Bahnen, bis Sandra Hieronimus den kleinen Henry unterm Herzen trug. Ihr Vertrag als Erziehungshelferin bei der Caritas in Wolfsburg wurde nicht verlängert. Die Zahlungsmoral des Kindsvaters war mehr als mangelhaft, beschreibt die 32-Jährige den Weg in die Notlage. Eine neue Ausbildung, einen Job in ihrer Situation zu bekommen, „das war und ist so aussichtslos“, hat Hieronimus erfahren.
„Ich hatte im vergangenen September in der Kita Knirpsentreff nach einem Krippenplatz angefragt und die Antwort erhalten, dass ich mir keine Sorgen machen bräuchte, das würde schon klappen.“ Dann sind ihr die Sorgen mit der Absage im November direkt auf die Füße gefallen, meint die Breitenroderin schon mit Bitterkeit. „Meine häusliche Situation als alleinerziehende Mutter ist der Stadt bekannt, dass ist zum Verzweifeln“, sagt Sandra Hieronimus. Einen Krippenplatz hat sie nun mittlerweile ab nächsten August zugesagt bekommen – in der DRK-Kita „Wiesenhüpfer“ in Weddendorf.
Auch in der Mütterrunde, die sich jeweils dienstags im evangelischen Gemeindehaus in Oebisfelde trifft, wird Frust mit Wut gepaart geschoben. Mittlerweile haben alle vier Mütter ihre Absage von der Stadtverwaltung erhalten. Das Jugendamt des Landkreises Börde hat signalisiert, kein Elterngeld zu zahlen. Was bleibt, ist der Klageweg für die Mütter. Dieser Weg bis zur Behandlung der Klage kann dauern. Wie aus der Runde zu erfahren war, hat das Jugendamt nunmehr drei Monate Zeit, um einen Krippenplatz ausfindig zu machen, anstatt sofort Geld an die Mütter fließen zu lassen. Und eine Anfrage bei einem Justiziar ergab, so eine Mutter, dass der Klageweg bis zu einer Entscheidung gut und gerne zwei Jahre dauern könnte.
Bürgermeister Hans-Werner Kraul beschönigt im Gespräch mit der Volksstimme „die Situation, wie sie nun mal ist,“ nicht. Er spricht sich jedoch dafür aus, den Weg der Konfrontation zu vermeiden, vielmehr die Kommunikation in einem sachlichen Ton zu pflegen, um so zu Lösungen zu gelangen. Derzeit wird sich in der Stadtverwaltung bemüht, Krippenplätze durch freiwilligen Verzicht von Anwärtern zu bekommen.
Weiterhin soll versucht werden, Tagesmütter auf freiwilliger Basis zu finden, die noch Kleinkinder betreuen würden. Auch kann sich Kraul vorstellen, unter bestimmten Voraussetzungen die geschlossene Kita-Außenstelle Breitenrode oder die in Wassensdorf unter außerstädtischer Leitung zu reaktivieren.
Grundsätzlich stellt sich für den Bürgermeister die Frage für die Zukunft, ob ein Neubau oder Ausbau in Kooperation mit einem Fremdanbieter für die Kinderbetreuung eine Alternative sein könnte.