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Mauerfall 45 Tage länger auf Grenzöffnung warten

Tief verwurzelt bei den Zeitzeugen aus Breitenrode ist der endgültige Fall der Grenzsperranlagen zwischen ihrem Heimatort und Grafhorst.

Von Harald Schulz 24.12.2019, 00:01

Oebisfelde l Für viele ältere Breitenroder Einwohner bedeutete die Wiedervereinigung der gemeinhin als geteilte deutsche Staaten bezeichneten Ost- und Westdeutschland eine Wendezeit, die Euphorie, Freude, aber auch Enttäuschungen und Arbeitslosigkeit mit sich gebracht hat. Es war eine Zeitspanne der Orientierung und Selbstbestimmung, erinnert sich auch Heidrun Möllmann.

Die gebürtige Jahrstedterin wohnte mit Ehemann Dietmar und drei Kindern im Alter von zehn, acht und drei Jahren als Familie bereits in Breitenrode zusammen. Dort erlebte sie „das für unmöglich Gehaltene, nämlich die Öffnung der Zonengrenze, das Räumen der Grenzsperranlagen, das Ende der Passierscheine fürs Sperrgebiet“, hautnah mit. Sie, die zuerst nicht glauben konnte, was da am 9. November 1989 passiert ist, erinnert sich und berichtete bereits im Verlauf der Festveranstaltung am vergangenen Sonnabend (Volksstimme berichtete) in der Grafhorster Kirche.

„Nachdem die Einwohner aus Oebisfelde über einen eigenen Grenzübergangsort verfügten, wollten auch wir Breitenroder die alte Verbindung nach Grafhorst wieder aktivieren. Um unserem Wunsch nach dieser Straßenverbindung entsprechenden Nachdruck zu verleihen, marschierten Breitenroder Einwohner mehrmals zu den noch bestehenden Grenzsperranlagen und brachten unsere Forderung lautstark zum Ausdruck. Selbst als die Grenze von Nebel verhangen war, hörten wir und die Grafhorster uns einander. Signalhörner und lautes Rufen durchdrang den Nebel“, berichtet Heidrun Möllmann, als wäre alles erst gestern gewesen.

„Am Tag vor Heiligabend 1989 war der langersehnte Augenblick gekommen“, schildert Heidrun Möllmann weiter. „Wir wollten doch beste Gastgeber sein. Aus diesem Grund war der LPG-Kulturraum bereits auf das Feinste hergerichtet. Wir als Frauen vom Demokratischen Frauenbund Deutschlands hatten Kaffee gekocht, belegte Schnitten und Brötchen vorbereitet. Früh morgens am 23. Dezember glich die Straße zur Grenze dann einer Völkerwanderung. Niemand wollte zu spät sein. Dann wurde das symbolische Band zerschnitten. Es spielten sich unbeschreiblich emotionale Szenen ab.“

Heidrun Möllmann war damals selbst das beste Beispiel dafür, wie sie berichtet: „Ich war plötzlich wie gelähmt. Es überkamen mich Gedanken an meinen ältesten Bruder, der im Februar 1968 geflüchtet war. Seit diesem Tag wurden wir überwacht. Die Staatssicherheit wollte ein Familienmitglied sogar anwerben – vergeblich“, erinnert sie sich.

Heidrun Möllmann stand wie gelähmt da, Tränen rannen ihr über das Gesicht, bis jemand seine Hand auf ihre Schultern legte und ihr auf Plattdeutsch zusprach: „Mäken, worum wienste denn? Dat isn doch huet sonn schönen Dag. De Grenz´ isn nu up, doo brügste doch nich to weenen!“

Am Montag hatten Karsten Hoth, Günter Bruhn, Hartmut Schmidt, Frank Pinkert und Dietmar Möllmann als Initiatoren zu einem Mahn-Spaziergang an die damalige Grenze eingeladen. „Es war ein bisschen wie damals“, so Möllmann später in der Heimatstube.