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Neuapostolen Glauben als offenes Angebot

Eine Religion leben, ist Sache des Herzens. Eine Aussage, die auch für die 100-jährige neuapostolischen Kirchengemeinde Oebisfelde gilt.

Von Harald Schulz 25.03.2019, 05:00

Oebisfelde l Weit von Kirchenaustritten aufgrund von kirchlichen Missbrauchsskandalen mit Minderjährigen entfernt, oder von Abwanderungen dank gesellschaftlichem Desinteresse an kirchlichen Werten berührt, kann die neuapostolische Gemeinschaft in Oebisfelde einen stabilen Kreis von gläubigen Christen vorzeigen. Das ist sicherlich auf die eigenen Strukturen gegründet, heißt es von Gemeindeleiter Reinhard Weitze im Gespräch mit der Volksstimme. „Glauben als offenes Angebot leitet unsere Arbeit. Bei uns stehen als kirchliche Leitungen Apostel bereit, den Glauben zu tragen. Wir Seelsorger leisten unsere kirchliche Arbeit ehrenamtlich, offen und als Garant für Hilfesuchende“, umschreibt Weitze grundsätzliche Inhalte, die seit 100 Jahren auch in der Oebisfelder Glaubensgemeinschaft Bestand haben.

Die neuapostolische Kirche harmoniert von den Grundsätzen her eher mit der evangelischen Christenlehre. So werden beispielsweise alle Menschen als Geschöpfe Gottes ethisch akzeptiert, jedoch homosexuelle oder lesbische Handlungen aufgrund der christlichen Traditionen nicht gutgeheißen. Es wird jedoch betont, „dass allein Gott ermisst, ob ein Mensch dadurch Schuld auf sich lädt“. In der Neuapostolischen Kirche sind seit Ende 2011 Segnungsgebete außerhalb eines Gottesdienstes für gleichgeschlechtliche Paare erlaubt. Der Organ- und der Blutspende steht die Glaubensgemeinschaft offen gegenüber, da dadurch möglicherweise Menschenleben gerettet werden. Die Kirche schließt sich der medizinischen Auffassung an, dass der Tod des Menschen mit seinem Hirntod eintritt. Ab diesem Zeitpunkt können die Organe entnommen werden, sofern der Patient oder seine Angehörigen dazu eine Einwilligung gegeben haben. Empfängnisverhütung wird von der Kirche ebenfalls toleriert. Lediglich Mittel, die zur Abtötung von bereits befruchteten Eizellen oder zum Schwangerschaftsabbruch führen, werden abgelehnt.

Das Klonen menschlichen Lebens lehnt die Neuapostolische Kirche hingegen aus ethischen Gründen ab. Es kann aber zu therapeutischen Zwecken eingesetzt werden, sofern dazu keine embryonalen Stammzellen verwendet werden (Quellen: Alle Angaben laut Veröffentlichungen der Internationalen Neuapostolischen Kirche).

Geschichtlich durchlebte die neuapostolische Gemeinde in Oebisfelde sowohl während der NS-Diktatur als auch zu Zeiten der DDR schwere Zeiten, die immer wieder durch Repressalien bis in die Familien hinein, spürbar wurden, wie Gemeindeleiter Weitze im Gespräch erinnerte. Doch die Gemeinschaft blieb bestehen, wie auch die regelmäßigen Treffen.

Seit zehn Jahren kann der Neubau an der Stendaler Straße für kirchliche wie weltliche Anlässe genutzt werden. Gottesdienst finden jeweils sonntags um 10 Uhr und mittwochs um 19.30 Uhr statt. Wie Weitze anmerkte, finden sich dann dort zwischen 30 und 50 Kirchenbesucher ein.

Bemerkenswert für Oebisfelder Verhältnisse ist auch die große Anzahl von Kindern und Jugendlichen, die sich in der Obhut der Glaubensgemeinschaft aufhalten. Allerdings waren am Sonntag als Beweggründe nur allgemeine Begründungen zu erhalten.

Zu den zahlreichen Gästen der Jubiläumsfeier gehörten auch Bürgermeister Hans-Werner Kraul (CDU) und die Oebisfelder Ortsbürgermeisterin Bogumila Jacksch (UWG). Kraul betonte die Historie der Oebisfelder Gemeinde, sah diese feste Bande gerade deshalb als besonders an, weil „Religiosität im beginnenden 21. Jahrhundert keine Selbstverständlichkeit mehr ist“. Die neuapostolische Kirchengemeinde habe zwei Diktaturen überlebt, könne sich heute frei entfalten, merkte Kraul an.

Die Ortsbürgermeisterin hob als Tochter eines evangelischen Vaters und einer katholischen Mutter auf Toleranz im Glauben ab. Die neuapostolische Kirche biete diesen Freiraum, um Einigkeit im Glauben zu ermöglichen. Die Vielfalt der kirchlichen Angebote stehe der Stadt gut zu Gesicht. Namens des Ortschaftsrates überreichte sie einen Blumenkorb mit Frühblühern.