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Wiedervereinigung 28 Jahre nach dem Mauerfall

Steffen Wetterling war 1989 Bürgermeister der Stadt Oebisfelde. 28 Jahre nach Mauerfall und Wende sprach die Volksstimme mit ihm.

Von Harald Schulz 09.11.2017, 02:00

Volksstimme: Herr Wetterling, in welchem Zeitraum bekleideten Sie das Amt des Bürgermeisters der Stadt Oebisfelde?
Steffen Wetterling:
Es war die Zeit von 1981 bis 1990. Eine Spanne, die gerade zum Ende der DDR aufzeigte, dass Veränderung kommen musste. Ich bin im Jahre 1981 aufgrund eines Parteiauftrages nach Oebisfelde gekommen, war somit Mitglied der Kreisleitung.

Wann war in Oebisfelde direkt zu spüren, dass die Bürger mit der Staatsführung mehr als unzufrieden waren. Wann war der Geist von Leipzig, Dresden und aus anderen grenzfernen Orten in Oebisfelde, direkt an der Nahtstelle und mit einem Durchgangsbahnhof zum Westen, zu spüren?
Eigentlich trat dieser Bürgerunmut erst mit den Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR zu Tage. Aus der heutigen Perspektive lässt sich vieles deutlicher abbilden, doch damals war es für mich eine äußerst fordernde Aufgabe, diese Wendezeit vor der Wende.

Wie meinen Sie das, können Sie das an Beispielen verdeutlichen?
Durch die besondere Lage von Oebisfelde zum damaligen Klassenfeind war es nur allzu verständlich, dass alle für die Sicherheit der DDR relevanten Organe und Dienste, also auch die Staatssicherheit, sich wöchentlich an einem Tisch zusammensetzten, um die gesellschaftliche und politische Lage zu analysieren und daraus Schlüsse abzuleiten. Es waren immer ernste Gespräche, es ging ja auch um viel.

War das Thema gewaltsame Unterdrückung der aufbegehrenden Bevölkerung ein Thema?
Ohne Namen zu nennen, das wäre an dieser Stelle nach 27 Jahren fehl am Platz, muss ich sagen, dass es Befürworter von harten Maßnahmen gegeben hat. Es hat mich als Bürgermeister viele Anstrengungen, Telefonate mit Berlin und immer wieder Gespräche mit den Spitzen der Organe vor Ort gekostet, damit die brisante Situation in anderen Teilen der Republik nicht nach Oebisfelde überschwappten.

Nun doch eine Frage mit der Sicht auf die Vergangenheit: Was bedeutet für Sie die Wiedervereinigung?
Nun, die Antwort ist keine Sache von schwarz und weiß. Mir war damals als Bürgermeister und Bürger klar, dass sich in meiner Heimat, der DDR, etwas verändern muss. Prägend für mich waren die Worte des mittlerweile verstorbenen Kreisarztes Dr. Hartinger. Er meinte, ,wenn die Produktivität im Sozialismus der DDR nicht auf den Stand der westlichen Wirtschaft angehoben werden kann, wird dieser Sozialismus eine Episode der Geschichte bleiben‘. Er sollte mit seiner Einschätzung recht behalten. Aber wie erwähnt, das war eine Aussage in kritischen Tagen vor der Wende.

Ich für meinen Teil sehe die vom verstorbenen Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl, der gern als Einheitskanzler bezeichnet wird, versprochenen blühenden Landschaften nicht so blühen, wie zugesagt. Nach meiner Auffassung musste dem Exodus an Führungskräften ein echtes Gegengewicht vorgesetzt werden. Der Lösungsweg dafür wäre nach meiner Auffassung ein leistungsfähiger Staatenbund der sogenannten osteuropäischen Bruderländer, die ja bereits wirtschaftliche Verbindungen pflegten, gewesen. Damit hätte auch die künstliche Aufrechterhaltung von Standards ein Ende gefunden, neue partnerschaftliche Wege hätten sich geöffnet.

Wie gestaltete sich das Leben für Sie als Oebisfelder Bürgermeister nach der Grenzöffnung?
Nach der Wende kam die Zeit der runden Tische. Selbstverständlich war ich mit vor Ort, habe mit den Menschen gesprochen, gestritten und diskutiert. Das kommunale Leben musste ja irgendwie, aber unter neuen Bedingungen weitergehen, bis sich alle gesellschaftlichen Kräfte gefunden hatten, um nach dem neuen Kommunalrecht leben zu können. Woran ich mich noch sehr gut erinnere, war die Tatsache, dass weder meine Familie noch ich zur wirklich dramatischen Wendezeit und danach angefeindet wurden. Das ist auch ein Grund, weshalb ich mich später für den Oebisfelder Stadtrat, auch auf Zuspruch meiner Ehefrau, habe aufstellen lassen und dort meine Kraft eingebracht habe.