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Heimatgeschichte 1646 kamen 24 000 Kurgäste nach Hornhausen

Über die Gesundbrunnen berichten Eva Stannebein, Ingrid Kaselow, Inge Nahrstedt und Bernd Goltz vom Kirchturmförderverein St. Stephanie.

Von Marita Bullmann 04.01.2016, 13:00

Hornhausen l Hornhausen ist nicht nur der Fundort des Reitersteins, der seit 2007 Wappen des Landkreises Börde ist, sondern hat noch weitere interessante historische Höhepunkte erlebt.

Nachdem Hornhausen im 30-jährigen Krieg durch Plünderung, Verwüstung und Feuersbrünste fast völlig zerstört worden war, erlebte es gegen Ende des Krieges eine kurze Zeit des Aufblühens und der Erholung.

Am 5. März 1646 entdeckten spielende Knaben auf einem wüst gewordenen adeligen Hof derer von Beyer einen Erdfall, der sich mit grünlichem Wasser gefüllt hatte. Mehrere Menschen tranken das Wasser und verspürten eine wohltätige Wirkung. Die Nachricht von der Heilkraft des Wassers verbreitete sich rasch in der Umgebung.

In einem historischen Bericht von Pfarrer Salchmann vom 24. August 1646 ist von 412 Personen die Rede, die namhaft machen konnten, dass das Wasser zu ihrer Genesung beigetragen hatte und die darum um eine kirchliche Danksagung baten.

Dieser zuerst entdeckte Brunnen wurde „Gnadenbrunnen“ genannt, weil man in seiner Entdeckung eine besondere Gnadenbezeugung Gottes für vielfältig ertragene Leiden durch den 30-jährigen Krieg sah. Er befand sich in der Nähe des heutigen Dorfgemeinschaftshauses in der Badstraße.

Schon im Juni hatten sich Tausende in Hornhausen eingefunden, um Hilfe zu suchen, obwohl der trostlose Zustand des verwüsteten Dorfes kaum einladend war. In aller Eile mussten nun Voraussetzungen für die Betreuung der vielen Gäste geschaffen werden. Hütten wurden gezimmert, Garküchen sowie Verkaufsstände für Lebensmittel wurden errichtet.

Auf dem Kupferstich über das Leben bei den Gesundbrunnen in Hornhausen 1646 ist die weltweit erste bildliche Darstellung einer Buchhändlerin zu sehen. („Theatrum Europaeum“ Band 5) Der Ruf der Quelle verbreitete sich weiter rasant. Glücklicherweise taten sich in der Folgezeit noch weitere Heilbrunnen auf, sodass das Bedürfnis nach dem Heilwasser besser befriedigt werden konnte. Entsprechend dem Tag des Hervortretens, des Geschmacks oder des Aussehens gab es bald die Johannis-, Marien-, Salz-, Holunder- oder Korallenquelle. Weit über 20 Brunnen wurden letztendlich gezählt.

Die Berühmtheit der Hornhäuser Gesundbrunnen stieg fortdauernd und hatte einen gewaltigen Besucheransturm zur Folge, in dem sich viele berühmte Persönlichkeiten der damaligen Zeit befanden.

Berühmte Badegäste waren zum Beispiel Königin Christine von Schweden mit ihrer Mutter Marie Eleonore (verwitwete Königin – Frau des gefallenen Königs Gustav II. Adolf) oder Kurfürst Friedrich Wilhelm I. (Kurfürst von Brandenburg und Herzog zu Preußen). Nach historischen Berichten sollen im Jahr 1646 nicht weniger als 24 000 Kurgäste nach Hornhausen gekommen sein.

Die Heil- und Gesundbrunnen haben sich während eines Zeitraums von 1¾ Jahren ergossen und sind Ende 1647 merkwürdigerweise gänzlich verschwunden. Nach 42 Jahren brachen Mitte Juni 1689 innerhalb von 8 Tagen alle Quellen wieder auf. Der damalige Halberstädter Landphysikus Dr. Friedrich Hoffmann wurde veranlasst, die Beschaffenheit der Brunnen und deren Wirkung bei verschiedenen Kranken zu untersuchen.

Die Brunnen waren noch 1719 im Gange und wurden häufig besucht. Von der Gemeindeverwaltung wurde alles getan, um einen Bade- und Kurbetrieb einzurichten. Im Wald am Keseberg wurde an der Stelle, an der die Keseburger Burg gestanden hatte, ein Lusthaus erbaut und Wege dorthin und im Wald angelegt. Hier sollten die Kurgäste Erholung und Genesung finden, doch haben sich diesbezüglich die Hoffnungen nicht erfüllt.

Im Jahre 1873 brachen die Gesundbrunnen erneut auf. Ein Jahr später wurde das Hornhäuser Quellwasser von L. Sonnenschein, Professor der Chemie an der Königliche Universität Berlin untersucht. (Resultate seiner Untersuchungen liegen vor). Das Quellwasser kam zur Anwendung bei Skrofulose mit Drüsenanschwellung, Hautkrankheiten, Geschwüren, Knochen- und Gelenkleiden, chronischen Katarren der Luftwege, Leiden des Magen- und Darmtraktes und vielen anderen Erkrankungen.

1873 wurde eine Badeanstalt gebaut und der Badebetrieb eröffnet. Ein Jahr später wurde dieses Bad in einen Mineralbadegarten mit Kurhaus umgestaltet. Es gab hinreichend Badezellen mit Wannen aus Eiche und Lehm.

Wohnungen für Kurgäste waren komfortabel eingerichtet. Die Oschersleber Firmen Bühring und Giese boten Mineralwasser vom Haupt- und Johannisbrunnen an. 1875 baute der Bauer Voigt Hof und Scheunen zu Wohnungen aus, in denen Badegäste logieren konnten. (heute: Straße der Einheit 59 )

Zu dieser Zeit erhielt das Mineralbad keine Unterstützung vom Staat oder der Gemeinde. Am 3. Oktober 1878 bot der Aktionär C. Beck die Mineralbadeanstalt zum Kauf an. Es kam zu einer Zwangsversteigerung. Die nachfolgenden Besitzer Dr. Reiter und Dr. Hans von Fehrenteil unterhielten neben der ärztlichen Praxis noch einen Badebetrieb. Ab 1935 betrieb Heinrich Vierke die Einrichtung nur noch als Gaststätte. Heute wird das Gebäude als Dorfgemeinschaftshaus genutzt.

Noch heute erinnern Namen und Bezeichnungen für Straßen und Plätze an jene Zeit. So gibt es eine Badstraße – Stelle wo der erste Brunnen entdeckt wurde und später das Mineralbad war.

Die Friedrich-Hecht-Straße heißt im Volksmund „Wurstekessel“. Der Straßenname erinnert an das Jahr 1646, als dort die 120 Garküchen mit Kochkesseln aufgestellt waren, um die Menschenmengen zu verpflegen. Ein Teil der Mühlenstraße heißt „Brezelmarkt“, was an Kurfürst Friedrich Wilhelm I. erinnert, der an dieser Stelle (Platz unweit der Quelle, durch die sein Leben gerettet wurde) aus Dankbarkeit für seine Genesung allen Kindern des Ortes eine Brezel schenkte.

Eine Arbeitsgruppe des Kirchturmfördervereins St. Stephanie Hornhausen erarbeitet verschiedene Aspekte der Dorfgeschichte und veröffentlicht die Ergebnisse in jährlichen Broschüren.