Echte "Eisenbahnverrückte" erzählen beim Staßfurter Eisenbahnfest von ihrer Leidenschaft Das Rattern der Dampflok ist Musik in den Ohren der Eisenbahnfreunde
Das Rattern der Lok ist für sie Musik. Am Dampf können sie einen guten Heizer erkennen und manche bezeichnen den Führerstand sogar scherzhaft als ihr "Wohnzimmer". Wie sehr die Eisenbahnfreunde ihre Loks lieben, davon konnte sich die Volksstimme beim Eisenbahnfest überzeugen.
Staßfurt l Da guckt einer frech aus dem Führerstand einer Dampflok heraus. Es ist der Holländer Eppie Oosterbaan und wie sich herausstellt, ist er das Vereinsmitglied der Staßfurter Eisenbahnfreunde, das am weitesten gereist ist für das Fest. Eppie steht mit rußverschmiertem Gesicht an den Reglern, während sein jüngerer Vereinskollege Martin Ristau Kohle in die knallheiße "Feuerbüchse" schaufelt. "Der Heizer, also ich, macht Dampf und der Lokführer verdampft alles", nimmt Martin seinen Kollegen auf\'s Korn, als er die Arbeitsaufteilung in der Dampflok "528184-5" erklärt.
Eppie strahlt vor Faszination, wenn er erzählt, wie sehr er die Arbeit als Schaulokführer auf den Festen des Staßfurter Vereins liebt. "Hier kann man sich noch die Hände dreckig machen. Es riecht noch wie früher", erklärt er. "Es ist einfach die Atmosphäre. Hier fahren die Loks, wie sie früher fuhren", erklärt er, warum er dem Staßfurter Verein beigetreten ist und mindestens drei Mal im Jahr die weite Reise aus Holland auf sich nimmt.
Eigentlich ist er Taxifahrer, aber als er 1987 in Staßfurt auf "Dampfsafari" war - damals war das Bahnbetriebswerk noch eines der wenigen, auf dem noch echte Dampfloks im Einsatz waren - schloss er Freundschaft mit den Staßfurter Eisenbahnfans und macht seitdem auf den Festen richtig Dampf. An den Festwochenenden übernachtet Eppie mit vielen anderen Eisenbahnfreunden aus ganz Deutschland im Schlafwagen aus dem Vereinsgelände.
Martin pflichtet seinem Vereinskollegen Eppie bei. "Und dann noch dieses alte Backsteingebäude und das Gelände - das strahlt die Atmosphäre des Industriezeitalters aus", erklärt er, warum er jedes Wochenende aus Altenweddingen kommt, um an alten Loks zu tüfteln. Ihn fasziniert besonders die Physik, die er als Heizer im "Schnellkochtopf" - so umschreibt er mit Humor die Funktionsweise der Dampflok - noch hautnah erleben kann. "Mein Großvater war bei der Bahn, mein Vater war bei der Bahn", zuckt er mit den Schultern. ¿Was soll da anderes herauskommen als ein weiteres mit "Eisenbahnfieber" infiziertes Familienmitglied?\', scheint Martin anzudeuten. Seine lockere Art zeigt auch, dass sich die Eisenbahnfreunde nicht zu ernst nehmen und gern zugeben, wie sehr sie für ihre Sache brennen.
"Und wenn Sie mal genau hinhören", schwärmt Martin weiter, "dann hört man, dass sich die 44er Lok wie ein Dreivierteltakt anhört, wenn sie fährt." Bei anderen Baureihen könne er hingegen einen Viervierteltakt heraushören, erklärt Martin und schlägt den Rhythmus mit der Hand zur Demonstration auf den Tisch. Es gäbe sogar Eisenbahnfreunde, die nur zum Eisenbahnfest kommen, um mit einem Tonbandgerät das Rattern der Loks aufzunehmen. "Manche können eine Lok an ihren Geräuschen erkennen", sagt Martin.
"Ja, das ist für uns Musik", pflichtet ihm Steffen Meinert bei. Auch er ist ein "Eisenbahnverrückter mit einer Macke für die 3-Zylinder-Lok", sagt er über sich selbst. Wenn er sich als Lokschlosser beim Ausbesserungswerk der Deutschen Bahn in Dessau nach den alten, rauchigen Loks zurücksehnt, kommt er nach Staßfurt zu "seiner" 3-Zylinder-Lok und schraubt an ihr herum.
Voller Stolz erklärt er, dass er und seine Söhne Alexander und Marcus vom Verein vor fünf Jahren die Pflege einer Lok übertragen bekommen und seitdem das Innere und die Apparaturen rundum erneuert haben. "Das ist mein Wohnzimmer", scherzt er, als er den Führerstand der stählernen Lady präsentiert. Er kann dieselbe Familiengeschichte vorweisen wie Martin: "Mein Großvater war bei der Bahn, mein Vater war bei Bahn", sagt er. Seiner Ehefrau kann er nur immer wieder für ihr Verständnis für sein Hobby danken, erklärt Steffen Meinert.
Apropos Frauen. Auch zwölf Damen sind im Verein der Eisenbahnfreunde zu finden. Einige versorgen die Vereinsmänner mit deftigen Mahlzeiten, andere betreuen die Gäste. "An die Loks trauen wir uns nicht so richtig ran, wir übernehmen hier die Tätigkeiten in der Küche", erklärt Anke Ristau, die Mutter von Martin. Im Speisewagen kümmert sie sich mit den anderen Frauen um die Versorgung der mehreren hundert Besucher des Fests und verrät: "Wegen unserem Sohn sind wir Mitglieder im Verein geworden. Als er noch nicht Autofahren konnte, wollte er immer zum Eisenbahnfest gefahren werden."