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DDR Ein ganz besonderer Einschulungsjahrgang

Der Gröninger Thomas Lindemann wurde vor 30 Jahren eingeschult. Der erste Nachwendejahrgang, der sonnabends nicht zur Schule gehen musste.

Von Yvonne Heyer 25.11.2020, 04:00

Gröningen l Der 1. September 1990 war ein Sonnabend. Der erste Tag des Septembers galt zu DDR-Zeiten immer als erster Schultag nach den langen Sommerferien. Nur wenige Tag nach dem 1. September 1990 war es mit der DDR vorbei und damit auch mit den achtwöchigen Sommerferien und Schulstart immer Anfang September. Am 3. Oktober 1990 wird die Deutsche Einheit vollzogen, ist die DDR Geschichte. 1990 war es reiner Zufall, dass der 1. September der Einschulungssonnabend war. Für den damals sechsjährigen Thomas Lindemann und den jungen Eltern ein ganz besonderer Tag. Sohnemann wird eingeschult. Der damalige Abc-Schütze weiß nicht, dass seine Einschulung nur wenige Wochen vor der Deutschen Einheit passiert. Thomas Lindemanns Einschulung ist also 30 Jahre her. Es war der erste Einschulungsjahrgang nach der politischen Wende. In der Schultüte des kleinen Gröningers landen die „West-Süßigkeiten“. Ansonsten weiß der Sechsjährige nichts von den Veränderungen in allen Bereichen, auch in der Schullandschaft, die im dann wieder vereinten Deutschland ihren Lauf nehmen.

Der 1990er-Einschulungsjahrgang ist der erste, der sonnabends nicht mehr in die Schule gehen musste. „Daran erinnern sich meine Eltern ganz besonders“, erzählt der heute 36-Jährige bei einem Treffen in Gröningen. In Zeiten von Corona wird das Gespräch ins Freie verlegt. Wir treffen uns auf dem Schulhof der ehemaligen Gröninger Sekundarschule, heute Notsitz der Verbandsgemeindeverwaltung, Standort des Grundschulhortes und bald neuer Standort der Gröninger Grundschule. Die befindet sich aktuell noch in der Goethe-Promende, dort startete auch die Schulzeit von Thomas Lindemann. „Ich hatte eine super Kindheit“, meint der junge Familienvater. Die Grundschule lag in unmittelbarer Nachbarschaft. Seine erste Klassenlehrerin war von der „alten Schule“, frischer Wind zog mit der neuen Lehrerin Simone Wittmeyer ab der 2. Klasse ein. „Sie hat den Unterricht moderner gestaltet. Aber unsere Lehrerin hatte einfach auch eine freundliche zuvorkommende Art“, erinnert sich Thomas Lindemann, wie auch an die zahlreichen Ausflüge in die Natur oder in die weitere Umgebung. Aus seiner Schulzeit berichtet der Gröninger ebenso, dass er eine sehr schlechte Handschrift hatte und ein Jahr lang das Schönschreiben übte. Beim Blättern in den mitgebrachten Fotoalben amüsiert er sich über die Klamotten, erinnert sich an viele Andekdoten.

Seine Eltern überließen ihm die Wahl, ob er nach der Grundschule zum Gymnasium wechselt oder doch in Gröningen die Sekundarschule besucht. Thomas Lindemann entschied sich für die Sekundarschule. „Ich musste eigentlich wenig lernen. Das Abitur hätte ich sicher geschafft, dafür hätte ich aber mehr Zeit für das Lernen investieren müssen. Aber ich wollte meine Freizeit genießen“, erzählt der 36-Jährige.

So zog er also mit der 5. Klasse nur einige Straßen weiter in die Sekundarschule in der Grabenstraße 14. Dort war in der 5. und 6. Klasse der Klassenraum im heutigen Hortgebäude. Das heutige Fachkabinettgebäude war für damalige Verhältnisse schon gut ausgebaut und sehr modern.

Mit der Entscheidung für die Sekundarschule blieben ihm schlussendlich die Experimente des sachsen-anhaltinischen Schulsystems mit Abitur in 12 Jahren, dann in 13 und schließlich wieder nach 12 Jahren, erspart. Heute handelt er als Vater wie seine Eltern, lässt seiner Tochter die Entscheidung frei, welche Schulform sich nach der Grundschule anschließt.

Als sich die Schulzeit dem Ende näherte, stand die Frage im Raum, wo es beruflich hingehen sollte. „Bankkaufmann wollte ich werden. Zehn Bewerbungen habe ich geschrieben, acht Einladungen zu Tests und Vorstellungsgesprächen bekommen. Die Tests bei großen Banken in Magdeburg liefen erfolgreich, doch schlussendlich war ich wohl zu jung. Schließlich war ich gerade 16, als ich aus der Schule gekommen bin“, erinnert sich der Gröninger. Statt der Bankkaufmannlehre startete Thomas Lindemann eine Lehre als Elektroniker für Betriebstechnik bei Arimes, einem Ableger von Siemens, in Magdeburg. Doch nach knapp zwei Jahren musste der junge Mann feststellen, dass diese Ausbildung nichts für ihn ist. Er brach die Ausbildung ab. „Da war natürlich guter Rat teuer.

Meine Eltern und ich haben dann vom Schaumburger Modell gehört. Dieses Modell, 1999 aus der Taufe gehoben, ist eine Verbindung der Bundeswehr mit der Wirtschaft in den neuen Bundesländern. Vielen Firmen war nach der Wende die Ausbildung des Berufsnachwuchses zu teuer. Die Bundeswehr unterstützt die Lehrausbildung in zivilen Unternehmen finanziell und sicherte sich zugleich selbst den Fachkräftenachwuchs. Insgesamt werden nur 280 derartiger Ausbildungsplätze pro Jahr vergeben. Thomas Lindemann „rutschte“ nach der Musterung erfolgreich in dieses Modell und verpflichtete sich zugleich, zwölf Jahre beim Bund zu dienen. Bei Elektro Hupe in Gröningen wurde Thomas Lindemann zum Elektroinstallateur für Gebäudetechnik ausgebildet. Die Ausbildung schloss er sehr erfolgreich ab, hätte seinen Meister in der Firma machen können. Den Meisterbrief hat Thomas Lindemann inzwischen trotzdem in der Tasche. Er hat sich bei der Bundeswehr qualifiziert, in verschiedenen Bereichen. So ist der Gröninger heute auch Fachkraft für Arbeitssicherheit.

Thomas Lindemann, der heute sagt, er sei Soldat durch und durch und damit berufliche „angekommen“, ist seiner Heimatstadt Gröningen treu geblieben. Auch wenn der Berufssoldat die Woche über in Munster in der Kaserne wohnt, die Stadt an der Bode bleibt sein Zuhause. Hier schafft er sich gerade mit seiner neuen Lebenspartnerin im neuen Wohngebiet am Hederslebener Weg ein neues Zuhause.

Seine Tochter besucht die Gröninger Grundschule, ist, bis zum Abbau, auf dem gleichen Klettergerüst wie der Papa geklettert.