Dem Anfang auf der Spur
Archäologen sind in der Halberstädter Straße dabei, mittels Grabungen die Geschichte Oscherslebens zu konservieren.
Oschersleben l Dabei kommt den Arbeiten eine ganz besondere Bedeutung zu: "Denn eine derartige Dokumentation durch derartige Grabungen zur Siedlungsgeschichte hat es in diesem Bereich bisher nicht gegeben", erklärt Götz Alper vom Landesamt. Laut schriftlichen Überlieferungen ist die Besiedlung des Ortes um Mitte des 13. Jahrhunderts dokumentiert. "Demnach geht die Gründung Oscherslebens vom Alten Dorf aus. Wir untersuchen hier, ob die geschichtliche Überlieferung der Siedlungsgeschichte mit den aktuellen Ergebnissen übereinstimmt. Das ist sehr spannend", betont Grabungsleiterin Jana Vogt.
Im Fokus der Grabungen stehen dabei Keramik-Funde. Anhand der Form und der Beschaffenheit des Materials ist laut den Archäologen eine relativ genaue Datierung möglich. "Diese offenbar blaugrau-gebrannte Keramik lässt sich beispielsweise auf das Spätmittelalter datieren. Genaues lässt sich aber erst sagen, wenn sie fachmännisch gereinigt und eingehend untersucht worden ist", erklärt Jana Vogt und zeigt auf Scherben, die sie und ihre Grabungskollegen gefunden haben.
Die Ausgrabungen bilden also nur einen, laut den Archäologen nämlich den kleineren Teil, der Untersuchung des vorhandenen Bodendenkmals. "Die wissenschaftliche Auswertung wird wohl mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Die Ergebnisse allein aus diesem kleinen Areal könnten dann ein ganzes Buch füllen", sagt Projektleiter Götz Alper.
Denn neben den Keramiken sind weitere Details von immenser Bedeutung. So können einzelne Schichten, die gut an den Grubenrändern der Grabungsschnitte erkennbar sind, zeitlich rekonstruiert werden. "Aufgrund der damals fehlenden Technik wurde früher Altes nicht einfach weggerissen und abtransportiert. Vielmehr wurde vieles überbaut oder vorhandenes Mauerwerk einfach in die neuen Bauwerke mit einbezogen. Somit sind die Phasen des stetigen Umbaus heute noch sehr gut zu erkennen", sagen die Wissenschaftler.
Dann zeigt Jana Vogt auf ein freigelegtes Kellergewölbe, das wohl aus dem 16. Jahrhundert stammt. "Hier können wir sehen, wie damals gemauert wurde, also welcher Mörtel und welche Steine verwendet wurden. Daraus können wir Schlüsse auf den Hausbau ziehen", erklärt die Archäologin. Außerdem ist zu erkennen, dass die damaligen Häuser bereits zu Zeiten der ersten Besiedlung nach einem bestimmten Schema, nämlich in Form von Parzellen, angelegt worden waren, das dem noch heutigen Straßenverlauf entspricht.
Fischreiche Bode
Als besonders interessant bezeichnen die Wissenschaftler den Fund einer alten Kloake. "Offenbar wurde damals viel Fisch gegessen. Wir haben Gräten gefunden. Das könnte ein Hinweis auf den einstigen Fischreichtum der Bode sein", meint die Grabungsleiterin. Aber auch die für die Untersuchungen so wichtige Keramik fiel den Ausgräbern wieder in die Hände. "Unser Glück ist, dass damals die Kloaken nicht geleert worden. Wenn sie voll waren, wurden sie verschüttet und an anderer Stelle neu gebaut", ergänzt Projektleiter Alper.
In einem anderen Abschnitt ist Kollege Werner Arend gerade dabei, vorsichtig eine alte Herdstelle freizulegen. Auch hier fanden sich Keramikscherben. Anhand der Bauweise lässt sich ebenfalls ableiten, wann hier einst gekocht worden ist: Laut aktuellem Stand ebenfalls im 13. Jahrhundert.
"Was wir anhand der bisherigen Grabungen sagen können ist, dass dieser Ort einst ein sehr beliebtes Siedlungsgebiet gewesen sein muss", resümiert Jana Vogt schon einmal vorsichtig. Das sei schon aufgrund der leichten Erhöhung in der Geländestruktur nachvollziehbar. "Wissen wir ja, dass das Umland im Umfeld des Großen Bruchs ganz in der Nähe einst ein sumpfiges Feuchtgebiet war." Der Ort in der heutigen City war einst so sehr beliebt, dass sich hier wohl das Bürgertum, das gerade im Begriff war, sich zu entwickeln, niedergelassen haben muss. Dazu gehörten Tuchmacher und Händler beispielsweise.
Noch bis zum 26. Juni wollen die Archäologen die Grabungen in der Halberstädter Straße fortsetzen und laut Jana Vogt so tief wie möglich graben. Vielleicht finden sich ja noch Beweise einer früheren Besiedlung...