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Ehrenamt „Der Treff“ in Oschersleben ist Anlaufstelle für viele Geflüchtete

Anträge ausfüllen, Sprachkenntnisse verbessern und bei der Jobsuche behilflich sein – Das Spektrum der Flüchtlingshilfe ist groß. Während der Pandemie kommen auf die Ehrenamtlichen der AG Willkommenskultur aber noch ganz neue Aufgaben zu, die bewältigt werden müssen. Die Beteiligten ziehen ein erstes Fazit, welche Erfolge sie trotz der Pandemie beobachten konnten.

Von Lena Bellon 29.07.2021, 13:38
Jeden Dienstag veranstaltet die AG Willkommenskultur ein internationales Café im Jugendzentrum "Der Treff" zum Austausch untereinander.
Jeden Dienstag veranstaltet die AG Willkommenskultur ein internationales Café im Jugendzentrum "Der Treff" zum Austausch untereinander. Lena Bellon

Oschersleben - Viele soziale Einrichtungen mussten schließen, es fielen behördliche Anträge an und für Home-Schooling mussten digitale Einrichtungen geschaffen werden. Die Pandemie hat viele Herausforderungen mit sich gebracht – das gilt vor allem für viele Menschen mit Migrationshintergrund, die zu dieser Zeit in Deutschland ankamen.

Bei der AG Willkommenskultur Oschersleben hatten Geflüchtete auch während der Pandemie einen Anlaufpunkt. „Viele Menschen vergessen, dass noch immer zahlreiche Familien nach Deutschland flüchten. Durch die Pandemie ging das Problem aber unter“, erklärt Hans-Ekkehard Stieglitz. Er ist Koordinator für Flüchtlingshilfe bei dem Evangelischen Kirchenkreis Egeln und der Netzwerkstelle für engagiertes Ehrenamt in der Flüchtlingshilfe im Landkreis Börde.

Zusammen mit vielen Ehrenamtlichen bietet er verschiedene Leistungen an: Das internationale Café bietet Raum für Beratung und Austausch untereinander, aber auch bei Behördengängen, Ausfüllen von Anträgen und der Suche nach Kindergartenplätzen bietet die AG Willkommenskultur ihre Hilfe an. Einige der Ehrenamtlichen geben den Kindern auch Nachhilfe oder helfen bei der Auswahl der richtigen Ausbildung oder einem weiteren Schulabschluss. „Während der Pandemie lief diese Beratung am Telefon ab. Generell ist der Kontakt nie abgebrochen, auch wenn wir weniger Treffen veranstalten konnten“, erzählt der Koordinator für Flüchtlingshilfe.

„Als viele Menschen im Jahr 2015 aus ihrer Heimat flüchten mussten, gab es viele Helfer und ein großes Interesse an Geflüchteten. Viele Träger stellten auch Integrationskoordinatoren ein. Durch die Pandemie aber auch durch die vielen Jahre, die seitdem vergangen sind, hat das Engagement und Angebot nachgelassen“, erzählt Stieglitz. Dabei sei die Nachfrage noch immer sehr groß und die Bedürfnisse der Menschen ganz unterschiedlich. „Vor zwei Wochen kam ein junger Mann mit seinen zwei Kindern zu uns und hat uns erzählt, dass er keinen Kindergartenplatz findet. Wir haben dann geholfen und Kontakt zu den Kindergärten in Oschersleben aufgenommen. Jetzt hat er ab Januar nächsten Jahres für seine zwei Kinder Betreuungsplätze“, erzählt Erika Schütze freudig.

Als die digitale Ausstattung während der Pandemie immer wichtiger wurde, hat die AG Willkommenskultur schnell gehandelt und die Notwendigkeit erkannt. „Wir haben hier im Treff PCs, Wlan und Hotspots eingerichtet. Das können Schüler nutzen, die zu Hause keinen Internetanschluss oder PC haben“, erzählt Stieglitz. Für Kinder aus bedürftigen Familien habe die AG Willkommenskultur auch Geräte gestellt, damit sie dem Distanzunterricht auch von zu Hause folgen können. „Das Angebot wird gut angenommen, auch weil oft eine Ansprechperson vor Ort ist, die bei Aufgaben und Fragen helfen kann“, sagt Stieglitz.

Aktuell gibt es unter den betreuten Familien eine ganz neue Sorge: Es herrschen viele Vorurteile und Unsicherheiten gegenüber der Corona-Schutzimpfung. „Viele Menschen lassen sich schnell verunsichern, was die möglichen Nebenwirkungen der Impfung betrifft“, erklärt er. „Wir haben Übersetzer organisiert und zusammen alle Fragen und Zweifel gesammelt und über einige Vorurteile aufgeklärt. Nächste Woche kommt ein Impfmobil zu uns, weil sich nun einige für die Impfung entschieden haben.“

Der Kontakt per Telefon sei jedoch nicht vergleichbar mit dem persönlichen Miteinander. Bei dem internationalen Café, das wieder stattfinden kann, kommen viele Kollegen der AG Willkommenskultur und auch einige bekannte und neue Familien zusammen, die dort Hilfe und Austausch suchen. Während die Kinder zusammen Fußball spielen, können die Erwachsenen sich bei Kaffee oder Tee kennenlernen. Mittlerweile seien auch zwischen den Ehrenamtlichen und denjenigen, die ihre Hilfe gesucht haben, eine Freundschaft entstanden. „Wenn ich die Menschen kennenlerne und ich ihre persönlichen Geschichten höre, dann kann ich nicht anders als zu helfen und eine Bezugsperson für sie zu sein“, erzählt Erika Schütze. „Viele Menschen kennen aus den Medien oft nur negative Beispiele, dabei sehen wir hier so viele Menschen, die intelligent und zielstrebig sind. Oft dürfen sie in Deutschland nicht arbeiten, weil sie keine Erlaubnis haben und nicht, weil sie nicht arbeiten möchten.“

Die Ehrenamtlichen sehen viele Entwicklungen und Erfolge, halten den Kontakt zu den betreuten Familien, auch wenn sie bereits ein eigenständiges Leben führen. „Auch zu einigen Familien, die abgeschoben wurden, haben wir noch Kontakt“, erzählt Schütze. Manchmal sei der Grad aber sehr schmal zwischen einem guten Verhältnis und einer zu engen Bindung: „Es tut ja beiden Seiten auch weh, wenn sich die Wege wieder trennen müssen und deswegen darf man nicht zu jeder Person eine so enge Bindung zulassen.“