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Empörung Der lange Weg zum Baugebiet

Die Diskussion um das Baugebiet „Flora“ in Klein Oschersleben nimmt kein Ende..

Von André Ziegenmeyer 08.06.2020, 09:23

Klein Oschersleben l Es stand nicht auf der Tagesordnung, sorgte aber für Emotionen: Auf der jüngsten Sitzung des Bau-, Wirtschafts- und Umweltausschusses wurde mitgeteilt, dass das „Flora“-Vorhaben durch die Verwaltung vorläufig nicht weiter bearbeitet wird. Die Entscheidung habe Bürgermeister Benjamin Kanngießer getroffen. Das sorgte bei Jörg Gildemeister (FUWG), dem Ortsbürgermeister von Klein Oschersleben, für Ärger.

Wie er gegenüber der Volksstimme erklärte, habe es im Ort bis 2015 ein großes Baugebiet mit Platz für mehr als 30 Eigenheime gegeben. Auf den Wunsch der Stadtverwaltung hin habe man es aufgegeben - allerdings in der Hoffnung, stattdessen zumindest eine kleinere Fläche entwickeln zu können. „Bei uns wurden in den letzten 30 Jahren rund 60 Häuser neu gebaut. Diese Entwicklung möchten wir fortsetzen“, sagt Jörg Gildemeister. Neubauplätze seien wichtig, um als Ort für junge Familien attraktiv zu sein. Die wiederum würden gebraucht, um einer „Vergreisung“ entgegenzuwirken.

Konkret geht es um einen Teil der Kleingartenanlage „Flora“. Die wird nach wie vor genutzt. Aber von rund 100 Parzellen werden laut Gildemeister nur noch etwa 25 bewirtschaftet. Deshalb soll für etwa ein Viertel der Fläche ein Bebauungsplan entstehen. Laut Jörg Gildemeister geht es um zehn bis zwölf Bauplätze für Eigenheime. Sie sollen schrittweise erschlossen werden.

Wie der Ortsbürgermeister sagt, hat der Bauausschuss den Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplanes bereits gefasst - und zwar vor rund zwei Jahren. Viel weiter ging es allerdings nicht. „Wenn der Bürgermeister gegen den Beschluss ist, hätte er binnen 14 Tagen Widerspruch einlegen können. Das hat er nicht getan“, so Jörg Gildemeister. Die Verwaltung habe auch die Möglichkeit, einen Aufhebungsbeschluss anzuregen. Wenn das nicht geschehe, bleibe der alte Beschluss gültig und müsse umgesetzt werden. Er könne nicht einfach „mit einem Federstrich kassiert“ werden. Immerhin sei die Schaffung von Bauplätzen eine existenzielle Aufgabe der Kommune.

Benjamin Kanngießer war bei der Sitzung des Bauausschusses verhindert. Im Gespräch mit der Volksstimme betont er jedoch, dass Jörg Gildemeisters Darstellung nicht ganz korrekt ist. Ein Bürgermeister kann nicht einfach Widerspruch gegen Beschlüsse einlegen. In der Kommunalverfassung Sachsen-Anhalt gibt es strenge Regeln. Demnach kann ein Bürgermeister Widerspruch einlegen, wenn er annimmt, dass ein Beschluss der Kommune schadet. Er ist sogar zum Widerspruch verpflichtet, wenn ein Beschluss gegen geltendes Recht verstößt. Aber einfach so geht es nicht.

Doch Benjamin Kanngießer betont, dass solche Aspekte im Fall „Flora“ keine Rolle spielen. Der Beschluss solle gar nicht aus der Welt geschafft werden. „Die Bearbeitung ist zurückgestellt, nicht aufgehoben“, betont der Bürgermeister. Allerdings gebe es „eine Vielzahl von Gründen“, die gegen eine schnelle Umsetzung sprächen. Wie Benjamin Kanngießer sagt, gibt es in der Kernstadt und den Ortsteilen viele Bauleitverfahren. Die Verwaltung könne nicht alle auf einmal bearbeiten. Schließlich binde jedes Vorhaben Geld und Personal. Deshalb habe man die Projekte nach Priorität geordnet. Ganz oben stünden Baugebiete, bei denen bereits ein Investor bereitstehe. Beispiele gebe es etwa in Ampfurth, Beckendorf und Neindorf. Dort seien private Vorhabenträger an die Stadt herangetreten. Es sei eine zeitnahe „Wertschöpfung“ zu erwarten. Nicht zuletzt hätten sich die Investoren durch städtebauliche Verträge auch dazu bereit erklärt, die Kosten für die Aufstellung der Bebauungspläne zu übernehmen.

In Klein Oschersleben gebe es keinen solchen Vorhabenträger. „Pläne, die für die Schublade sind, stehen erstmal zurück“, so der Bürgermeister. Wie Benjamin Kanngießer ausführt, sei in Klein Oschersleben auch kein weiterer Bedarf für ein Baugebiet nachgewiesen. Im Gegenteil: Es gebe mehrere potenzielle Bauplätze, die entwickelt werden könnten. Die Innenverdichtung von Orten, zum Beispiel durch Lückenbebauung, habe Vorrang vor neuen Baugebieten. Darüber hinaus sei es wichtig, leerstehende Häuser wieder mit Leben zu füllen. Deshalb habe die Stadt das Förderprogramm „Jung kauft alt“ ins Leben gerufen. Das laufe sehr gut.

Jörg Gildemeister sieht das anders. „Wir haben in Klein Oschersleben außer dem Schloss kein einziges leerstehendes Haus. Ich kenne auch keinen Bauplatz, der beplant ist“, betont er. Der Ortsbürgermeister weist auch darauf hin, dass die „Flora“ sogar in das Wohnraumkonzept der Stadt aufgenommen worden sei, das der Rat beschlossen habe. In den letzten Jahren habe es sehr wohl Anfragen von Bauinteressenten gegeben.

Der Knackpunkt scheint aber folgender zu sein: Benjamin Kanngießer möchte zunächst auf einen Investor warten und dann den Bebauungsplan aufstellen. Jörg Gildemeister will das Pferd genau andersherum aufzäumen. Man brauche einen aufgestellten Bauplan, um Bauwilligen im Gespräch etwas Konkretes bieten zu können - zum Beispiel, wenn es um Details wie Grundstücksgrößen und Preise geht. Außerdem sei die Aufstellung des sogenannten B-Plans für Bauwillige ein Zeichen, dass sie hier Vorhaben auch relativ zeitnah umsetzen könnten.

Darüber hinaus gibt es für Jörg Gildemeister einen weiteren, wichtigen Unterschied: Bei den aktuellen Bauvorhaben, hinter denen Investoren stehen, gehe es in der Regel um Privatgrund. In Klein Oschersleben handele es sich dagegen um ein kommunales Gelände. „Da geht keiner ran. Es sei denn, wir verkaufen die Fläche unbeplant“, so der Ortsbürgermeister.

Das Geld für die Aufstellung des Bebauungsplanes habe der Ortschaftsrat aus seinem eigenen Budget zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise habe man ein Zeichen setzen wollen, wie wichtig das Baugbiet für Klein Oschersleben sei. Laut Jörg Gildemeister sind die Mittel auch in den Haushalt eingeflossen. „Wir haben also auf etwas anderes verzichtet, um das Baugebiet zu bekommen. Was sollen wir sonst noch tun?“, fragt der Ortsbürgermeister. Wenn die Verwaltung den Beschluss weiterhin nicht umsetze, werde der Ortschaftsrat Klage wegen Untätigkeit erwägen.