Große wirtschaftliche Schäden nach zahlreichen Diebstählen in Unternehmen des Sülzetals Gewerbetreibende haben genug von "Sonntagsreden" - hilft die Bürgerwehr?
Gewerbetreibende und Landwirte in der Gemeinde Sülzetal wollen nach wiederholten Einbrüchen nicht länger tatenlos zusehen. Ihnen ist inzwischen großer wirtschaftlicher Schaden entstanden, ohne dass je ein Täter ermittelt wurde. Hilft hier nur noch eine Bürgerwehr?
Sülzetal l Jan und Jens Fritzke, Inhaber der gleichnamigen Metallbaufirma, Rolf Krafft, Inhaber der Firma Holzbau Krafft wie auch Dieter Schattschneider von der Firma Stroetmann Saat AG, allesamt Unternehmen in Altenweddingen, wollen die Tatsache, dass gleich mehrfach bei ihnen eingebrochen wurde, nicht länger hinnehmen. Sie sprechen auch im Namen etlicher Landwirte, die die gleichen Sorgen haben. Wiederholt abgezapfter Diesel, so schlimm es ist, scheint es auf den ersten Blick noch das kleinere Übel zu sein. Größer ist der wirtschaftliche Schaden, wenn Maschinen und Materialien verschwinden, nicht mehr produziert, gearbeitet werden kann.
In die Lagerhallen und Büros der Firma Stroetmann, etwas außerhalb von Altenweddingen gelegen, wurde insgesamt 13 Mal eingebrochen, trotz Warnmelder für einen Wachdienst im Büro. Für Dieter Schattschneider ist der Diebstahl der Umzäunung, gleich mehrere Zaunfelder ließen dreiste Diebe mitgehen, der traurige Höhepunkt der Diebestouren. "Schlimmer ist aber die Tatsache, dass die Polizei kommt, den Diebstahl aufnimmt, aber bislang nie ein Täter ermittelt wurde. Das kann es doch nicht sein. Unsere Geschäftsführung hält hier am Standort den Ball flach, ob hier weiter investiert wird, ist fraglich", so Dieter Schattschneider.
Die Metallbaufirma Fritzke ist unmittelbarer Nachbar der Firma Stroetmann. Auch hier wurde mehrfach eingebrochen. Ungebetene Gäste sind auch bei Rolf Krafft zwei bis dreimal eingestiegen. Und sie haben alle das gleiche Problem: "Am Ende kommt die Mitteilung, dass es sich um Bagatellschäden handelt, die Täter nicht ermittelt werden konnten und wir stehen alleine da." Für die Unternehmer steht schon lange fest, dass anscheinend die öffentliche Hand nicht in der Lage ist, Hab und Gut der Bürger und Unternehmer zu schützen. Landwirt Ralf Renard: "So kann es nicht weitergehen, das, was uns der Staat nach Abzug der Steuern überlässt, wird uns dann geklaut", schimpft er. Insgesamt 14 Mal wurde bislang bei dem Sülldorfer Landwirt eingebrochen. Doch er könnte allein unter seinen Berufskollegen etliche weitere Beispiele aufzählen.
Auch in seinem Fall wurde nie ein Täter ermittelt oder tauchten die gestohlenen Dinge, sogar Traktoren, jemals wieder auf. "Den Hinweis, ich sollte mir eine Alarmanlage anschaffen, kann ich nur als Hohn empfinden. Ich hatte drei Berater diesbezüglich da. Sollte es eine dingerechte Anlage sein, kann ich die gar nicht bezahlen", schimpft Renard.
Genau wie die Altenweddinger Gewerbetreibenden kritisiert Ralf Renard die fehlende Polizeipräsenz. "Wir wollen nicht die Polizisten an sich kritisieren, die machen ihren Job, doch die Umstände müssen sich einfach ändern und das muss auch das Innenminsterium sehen", stellen die Unternehmer fest. Und mit diesen Umständen meinen sie beispielsweise die Besetzung der Polizeistation in Osterweddingen. Oftmals sind die Beamten dort gar nicht anzutreffen.
Die Volksstimme fragte dazu bei Pressesprecher Joachim Albrecht nach. Er erklärte zur Stärke der Revierstation Sülzetal: " In der Station arbeiten derzeit sechs Kollegen, die im Verbundsystem mit dem Revierkommissariat Wanzleben integriert sind." Verbundsystem heißt, die Kollegen sind nicht ausschließlich im Sülzetal eingesetzt. So erklärt sich auch, warum im Fall eines Falles, die Polizisten von "sonstwoher" kommen, wie es im Sülzetal heißt. Kritisiert wurde zudem, dass mitunter sehr lange auf einen Spürhund gewartet werden muss. Hier ist die Situation so, dass es zwei Diensthundeführergruppen gibt, die für die Region zuständig sind: Eine im Raum Altmark (Gardelegen) und in Magdeburg. Rückt der Diensthundeführer aus Gardelegen an, hat er eben einen weiten Weg.
"Wenn die öffentliche Hand mit dem Schutz von Hab und Gut überfordert ist, müssen wir dann private Wachdienste bezahlen, auch wenn wir schon Steuern bezahlen? Oder müssen wir uns selbst schützen und eine Bürgerwehr gründen, um den Diebestouren Einhalt zu gebieten"? , das fragen sich die Gewerbetreibenden aus dem Sülzetal.
Das Innenministerium indes verweist darauf , dass laut der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) die Diebstahlskriminalität im Landkreis Börde in den letzten drei Jahren zurückgegangen ist. Waren hier im Jahr 2008 noch 4729 entsprechende Straftaten zu verzeichnen, sank ihre Zahl - nach einem leichten Anstieg im Jahr 2009 - auf 4323 im vergangenen Jahr.
Gleichzeitig konnte die Aufklärungsquote in diesem Deliktsbereich kontinuierlich von 24,6 Prozent auf 32,1 Prozent gesteigert werden. Betrachtet man lediglich die Diebstahlsfälle, bei denen Dienst-, Büro- oder Lagerräume angegriffen worden sind, so ist deren Anzahl in den letzten drei Jahren nahezu konstant geblieben. "Insgesamt betrachtet ist festzustellen, dass der Landkreis Börde keinen Kriminalitätsschwerpunkt im Land Sachsen-Anhalt darstellt", heißt es in der Pressemitteilung an die Volksstimme.