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Kontrolle Gleise: Wo Leichtsinn tödlich sein kann

Um für Sicherheit zu sorgen, gab es eine gemeinsame Kontrolle von Bundes- und Landespolizei in Oschersleben.

Von André Ziegenmeyer 27.02.2020, 00:01

Oschersleben l Das Signal am Bahnübergang in der Hornhäuser Straße flammt auf. Erst gelb, dann rot. Während sich die Schranken schließen, haben Ingo Kühl und Peter Hartling den Verkehr genau im Auge. Dieses Mal verhalten sich alle vorschriftsmäßig. Niemand versucht, in letzter Sekunde doch noch über die Gleise zu fahren. Aber das ist nicht immer so.

„Niemand sollte versuchen, Sicherheitssysteme wie Bahnschranken auszutricksen. Leichtsinn oder grober Unfug waren schon oft Ursache für schwere Unglücke“, berichtet Ingo Kühl. Er ist Polizeihauptmeister bei der Bundespolizeiinspektion Magdeburg.

Polizeiobermeister Peter Hartling ist einer von zwei Regionalbereichsbeamten in Oschersleben. Er ergänzt, dass es in den letzten fünf Jahren in der Stadt gleich mehrere tödliche Vorfälle gegeben habe. In der Nähe des Bahnübergangs an der Hornhäuser Straße gibt es zum Beispiel einen Bolzplatz. „Es kommt immer wieder vor, dass illegale Gleisüberschreitungen durch Kinder gemeldet werden“, so Peter Hartling. Entlang der Gleise sei der Zaun an einigen Stellen mutwillig niedergetreten. Manchmal fehle er auch ganz.

Teilweise würden Menschen den Weg über die Gleise als Abkürzung nutzen. Mitunter sei der Aufenthalt zwischen den Schienen eine Art Mutprobe. Dabei sei das extrem gefährlich. Wie es im Info-Material der Bundespolizei heißt, brauchen Züge bis zu 1000 Meter, um aus voller Fahrt zum Stehen zu kommen. Das bedeutet: Selbst wenn der Lokführer Personen an den Gleisen bemerkt, kann es mitunter schon zu spät sein. Wie Ingo Kühl anmerkt, habe man Züge früher oft schon lange hören können, bevor man sie sah. Das sei heute aufgrund der moderneren Technik genau andersherum.

Weil es bereits tödliche Vorfälle gab, würden Züge am Bahnübergang Hornhäuser Straße mit reduzierter Geschwindigkeit fahren. Trotzdem bleibe die Situation gefährlich. Das liege nicht zuletzt an der großen Masse der Züge. In diesem Zusammenhang erklärt Peter Hartling, dass es zwar seltener Unfälle an Bahnübergängen gibt, als im regulären Straßenverkehr. Dafür seien die Folgen oft schwerer. Laut Ingo Kühl kommt, statistisch betrachtet, bei 290 Verkehrsunfällen ein Mensch ums Leben. An Bahnübergängen ende dagegen jeder vierte Unfall tödlich.

Hinzu komme, dass die Gefahr oft durch Auto- oder Fahrradfahrer beziehungsweise Fußgänger herbeigeführt werde. „98 Prozent aller Unfälle an Bahnübergängen werden verursacht durch Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung und nur zwei Prozent durch menschliches Versagen der Bahnbediensteten beziehungsweise durch Versagen von Technik“, verdeutlicht Info Kühl. Trotzdem schätzt Peter Hartling, dass in Oschersleben jeden Tag 10 bis 20 Personen illegal Gleise überqueren - entweder bei geschlossenen Schranken oder dort, wo es gar keinen Übergang gibt. Die beiden Polizisten haben haarsträubende Szenen erlebt. Unter anderem berichtet Peter Hartling von einem Jugendlichen, der am Bahnhof in aller Seelenruhe und mit Kopfhörern in den Ohren die Schienen überquert habe, obwohl bereits ein fahrender Zug in Sichtweite war. Um auf Gefahren hinzuweisen und Info-Broschüren zu verteilen, waren die beiden Beamten gestern an verschiedenen Übergängen im Oschersleber Stadtgebiet unterwegs.

Selbst wenn es zu keinem Unfall kommt, kann das illegale Überqueren von Gleisen empfindliche Folgen haben. Wer eine geschlossene Halbschranke umfährt, muss mit bis zu 700 Euro Strafe, drei Monaten Fahrverbot und zwei Punkten in Flensburg richten. Ingo Kühl: „Was viele nicht wissen: Kommt es zu einem Unfall oder einer Gefährdung im Bahnverkehr, so ist das eine Straftat, die sogar eine Freiheitsstraße von bis zu zehn Jahren nach sich ziehen kann.“