Ärzte impfen seit Mitte März In acht Hausarztpraxen in Oschersleben wird Covid-19-Impfstoff seit knapp drei Wochen verabreicht
Oschersleben/Hornhausen/Hadmersleben
In Hausarztpraxen darf offiziell seit gestern gegen Corona geimpft werden. Bereits Mitte März hatte das Impfzentrum Haldensleben einige Praxen in Oschersleben im Rahmen eines Pilotprojektes mit dem Impfen der Patienten beauftragt. Dazu gehört auch die Praxis von Allgemeinmediziner Dr. Ulrich Wienecke in Hornhausen. Etwa 110 Patienten wurden in den vergangenen knapp drei Wochen bis zur offiziellen Verordnung dort bereits sowohl mit dem Impfstoff der Hersteller AstraZeneca also auch Biontech/Pfizer gegen das Coronavirus geimpft. „Damit sind die über 80-Jährigen unter meinen Patienten durch“, sagt Wienecke. Derzeit würden die über 70-Jährigen sowie die Menschen mit Vorerkrankungen die Injektionen erhalten.
Während der Pilotphase wurde die Arztpraxis in Hornhausen vom Impfzentrum in Haldensleben mit Impfstoff beliefert. Seit Start der offiziellen Kampagne bezieht das Team um Dr. Wienecke die Ampullen aus den Apotheken wie andere Hausarztpraxen auch. Die Einwegspritzen bekommen die Praxen jedoch vom Land, wobei noch nicht alles glatt läuft. So sei es vor allem beim Impfstoff von Biontech/Pfizer wichtig, sehr genau zu dosieren, um sechs Dosen aus einer Ampulle zu gewinnen. Dafür brauche man laut Wienecke speziell geformte Einwegspritzen. „Wir haben mit der ersten Lieferung falsche geschickt bekommen“, zeigt sich der Arzt enttäuscht. Mit Beginn der offiziellen Impfkampagne in den Hausarztpraxen gestern wurden zunächst zwei Ampullen mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer an die Praxis von Ulrich Wienecke geliefert, was 12 Impfdosen entspricht.
Effektive Dosierung nur mit entsprechender Einwegspritze
Für Anfang nächster Woche seien zunächst sechs Ampullen zugesagt worden, mittlerweile sei die Zahl auf vier korrigiert worden. „Wir versuchen zu planen. Wenn wir wissen, dass wir eine bestimmte Menge Impfstoff Anfang der Woche erhalten, können wir für Mittwoch, Donnerstag und Freitag Patienten bestellen“, sagt Ulrich Wienecke. Der Allgemeinmediziner zeigt sich jedoch zuversichtlich: „Alle Praxen müssen sich und werden sich einspielen. Als Pilotpraxis konnten wir schon üben.“ Wienecke hält das Konzept des dezentralen Impfens über die Hausarztpraxen für notwendig: „Anders geht es nicht, nur über zentrale Impfzentren das Vakzin zu verabreichen, würde viel zu lange dauern.“ Während Ulrich Wienecke zunächst einen Impftag jeweils mittwochs während der Pilotphase angeboten hatte, wird sein Personal künftig parallel zur Sprechstunde Patienten gegen das Coronavirus impfen.
Auch das Medizinische Versorgungszentrum Börde (MVZ Börde) war als Praxisgemeinschaft Teil des Pilotprojektes. Dort wurde und wird weiterhin parallel zu den Sprechstunden geimpft. Weil das MVZ Börde in Hadmersleben mit dem vorhandenen Personal diese Aufgabe nicht stemmen könnte, „helfen Kollegen aus, die schon im Ruhestand sind“, sagt Dr. Uwe Milbradt, der Leiter des MVZ Börde. Für das Verabreichen der Impfdosen wird das Fieberzentrum genutzt, dass auf dem Gelände des MVZ Börde vor über einem Jahr errichtet wurde. „Dort wird vormittags geimpft und nachmittags getestet“, sagt Milbradt. Insgesamt haben seit Mitte März etwa 1000 Menschen im MVZ Börde mindestens eine Impfdosis erhalten, sowohl im Rahmen des Pilotprojektes des Impfzentrums Haldensleben als auch im Rahmen des zweitägigen zentralen Impfangebotes mit der Stadt Oschersleben und dem Landkreis Börde am MVZ Börde.
54 Impfdosen wurden im Rahmen der offiziellen Impfstrategie vorgestern an das MVZ Börde geliefert. Laut Milbradt dürften maximal 48 Dosen pro Arzt bestellt werden. Im Medizinischen Versorgungszentrum in Hadmersleben gibt es zwei Ärzte, was 96 Dosen entsprechen würde. „Zugeschüttet werden wir noch nicht, die Knappheit an Impfstoff ist ein riesiges Problem“, sagt der Leiter des MVZ. Weil mit dem Fieberzentrum im vergangenen Jahr zusätzliche Räumlichkeiten geschaffen wurden, wäre es laut Milbradt möglich, 100 Patienten pro Tag im MVZ zu impfen. Milbradt: „Es liegt am Nachschub, nicht an uns.“ Um möglichst effektiv und schnell vorzugehen, müsse nach Meinung Uwe Milbradts sowohl in den Arztpraxen als auch in den Impfzentren weiter das Vakzin verabreicht werden. Vielleicht würden die Impfzentren irgendwann überflüssig. „Das sehe ich aber noch lange nicht“, so Milbradt. Zudem müssten sich die Praxen erst einspielen, für viele sei das Impfen neben der herkömmlichen Sprechstunde eine riesige Herausforderung.
Impfen ist für viele Praxen eine riesige Herausforderung
Warum das Impfen so langsam voran gehe, dafür sieht Dr. Joachim Klinsmann, Allgemeinmediziner in der Praxisgemeinschaft Gartenstraße in Oschersleben, noch einen anderen Grund als die Impfstoffknappheit. Würde er die volle Menge geliefert bekommen, könne er sie schon wegen der bürokratischen Hürden nicht verabreichen. „Das ist eine unglaubliche logistische Herausforderung“, sagt Klinsmann. Ein Pamphlet von vier Seiten muss von jedem Patienten ausgefüllt und gelesen, bis zu vier Unterschriften geleistet werden. „Das Problem ist nicht das Impfen, sondern die Bürokratie. Da stehen wir uns in Deutschland selbst im Weg“, sagt Klinsmann. Zwar sei es in der Praxisgemeinschaft Gartenstraße möglich, innerhalb einer Stunde etwa 30 Patienten das Vakzin zu verabreichen. Man schaffe wegen des bürokratischen Aufwandes aber gerade mal die Hälfte. Hinzu kommen die Probleme mit dem Impfstoff des Herstellers AstraZeneca. Wenn sich für einen Impfstoff die Bestimmungen ständig ändern, an welche Personengruppe dieser verabreicht werden darf, sorge das für zusätzlichen logistischen Aufwand, so Klinsmann.
In der Praxisgemeinschaft Gartenstraße wurden ebenso wie im MVZ Börde ehemalige Kollegen und Personal aus dem Ruhestand um Hilfe gebeten, um die Kapazitäten für das Impfen zu erweitern. Klinsmann sehe zwar durchaus die Notwendigkeit für das dezentrale Impfen in den Arztpraxen, nur wünsche er sich dabei etwas weniger Bürokratie und mehr Einheitlichkeit für die Verwendung des Vakzins.
Wegen der starken Auslastung in der Praxisgemeinschaft seien Klinsmann und das übrige Personal mittlerweile teilweise Beschimpfungen seitens der Patienten ausgesetzt. Viele reagierten zunehmend ungeduldig und gereizt. „Ich habe schon Leute des Hauses verweisen müssen“, sagt der Arzt. Er bittet um etwas mehr Geduld und Verständnis: „Wir arbeiten bereits am Limit.“