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Sanierung Holz lässt sich wie Erde zerbröseln

Steine bröseln, Balken sind verfault. Die Sanierung eines der ältesten Häuser Oscherslebens hält viele "Überraschungen" bereit.

Von Yvonne Heyer 28.10.2019, 00:01

Oschersleben l Bauberatung in Oscherslebens Pfarrhaus. Seit Monaten ist das Gebäude am Rande des Marktplatzes eine Baustelle. Das Gebäude, das mit dem Baujahr 1661 zu den ältesten der Bodestadt gehört, ist komplett entkernt, kaum ein Stein, kaum ein Balken ist auf dem anderen geblieben. Vor gut drei Jahren wurde bei der Sanierung des Daches festgestellt, dass das historische Gebäude Schäden aufweist. Das alt ehrwürdige Pfarrhaus ist regelrecht in Schieflage geraten. Die Dachbalken drückten nach außen. Zu den fest gestellten Schäden gehörte auch der echte Hausschwamm. Podeste und Treppen waren befallen.

Mithilfe von Fördermitteln, speziell aus dem Sicherungsprogramm Stadtumbau Ost, in Höhe von 413.900 Euro konnte die Sanierung des Pfarrhauses damit beginnen, dass sämtliche Balken und Holzteile frei gelegt worden sind. Beim Öffnen von Wänden, Decken und Fußböden kamen viele Überraschungen zum Vorschein, die zugleich zur besonderen Herausforderung für die Handwerker werden. Architektin Elke Weinrich zeigt auf eine Wand, die tatsächlich zu den ältesten in diesem Gebäude gehört. „Um diese Wand zu erhalten, hat es mehrere Beratungen mit Statikern und der Denkmalpflege gegeben. Es stand die Aufgabe, diese Wand, die sich auch sehr gewölbt hat, zu erhalten. Beim Öffnen des bis zu 70 Zentimeter dicken Mauerwerkes sind etliche Hohlräume zum Vorschein gekommen“, berichtet die Architektin.

Hinzu kommt, dass von unten Feuchtigkeit aufsteigt. Mehrere Wochen hat sich ein Maurer allein mit dieser Mauer beschäftigt. „Ich bin so froh, dass die Quedlinburger Werkstätten für Denkmalpflege so gute Maurer haben“, meint Elke Weinrich. Wir gehen auf die andere Seite der Mauer. „Hier wird das neue Treppenhaus eingebaut“, erklärt die Fachfrau und weist auf die Rundbögen. Diese sollen später erkennbar bleiben. Die Feuchtigkeit wird an dieser Stelle ein Problem bleiben, die Salze treten aus dem Mauerwerk aus. „Trotz Einbau einer Sperre werden wir diese Stelle nicht zu 100 Prozent trocken bekommen.“

Im Giebel zum Markt ist kein Stein mehr zu finden, die Holzfachwerke mussten ebenso beinahe komplett erneuert werden. Die Gefache werden aktuell neu ausgemauert. Aber nicht einfach so. Mauert wird nach historischem Vorbild, unter Verwendung von Dreikantleisten und Lehmziegel. „Die Wand muss so schnell wie möglich geschlossen werden. Das Gerüst muss von der Straße weg“, sagt Elke Weinrich und zeigt zugleich auf eine größere Öffnung im neuen Fachwerk. Das ist das Rettungsfenster der zweiten Wohnung. Mit der Sanierung des Pfarrhauses entstehen auch zwei Wohnungen, jede muss mit einem zweiten Rettungsweg versehen werden.

Das Obergeschoss wird von der sogenannten Schwelle getragen. Es ist jene Schwelle, auf die beispielsweise bei Stadtführungen besonders verwiesen wurde. Reich verziert mit Schnitzereien und einer Inschrift. Von außen war nicht zu erkennen, wie verfault die Balken im Inneren bereits waren. Elke Weinrich nimmt verfaulte Holzteile in die Hand, kann sie wie Erde zerbröseln.

Die Ströbecker Zimmerei Adams hat gut abgelagerte Eichenbalken bereits als neue, 30 Zentimeter hohe, Schwelle eingezogen. Vor Ort werden nach dem Muster der alten Schwelle die Schnitzereien, Zöpfe, eingearbeitet, genau wie die Inschrift, die Jahrhunderte den Balken zierte.

Beim Rundgang durch das Haus zeigt Architektin immer wieder auf verfaulte Holzteile in den Fachwerkkonstruktionen. „Was wir retten können, retten wir“, lautet die Devise. Damit ist auch gemeint, dass der alte Lehm wieder in die Decken als Dämmlast kommt.

Um zu verhindern, dass in den entstehenden Wohnungen im Obergeschoss durch unterschiedliche Höhenverhältnisse viele Stufen eingebaut werden müssen, wurde ein neuer Ringanker eingezogen. Somit lagern die Fußbodenbalken jetzt teilweise 75 Zentimeter höher.

Für den aktuellen Bauabschnitt, der statischen Ertüchtigung des alt ehrwürdigen Pfarrhauses, stehen der evangelischen Kirchengemeinde in drei Jahresscheiben insgesamt 413.000 Euro zur Verfügung. Rainer Bückner, Vorsitzender des Gemeindekirchenrates, glaubt nicht, dass diese Summe reichen wird. Vom Innenausbau ganz zu schweigen, aber der ist ohnehin Zukunftsmusik. „Dafür haben wir noch nicht das Geld zusammen. Gebraucht wird dann sicher noch einmal eine ähnliche Summe“, ist Bückner überzeugt. Rainer Bückner ist sehr beeindruckt von den Leistungen der Handwerker. „Es ist der Wahnsinn, was die hier machen.“