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Schwimmbad Die Köpfe voller Geschichten

Otto Fricke und Dieter Hustedt können viel erzählen. Als vor 50 Jahren der Bau des Oschersleber Schwimmbades begann, mischen sie mit.

Von Yvonne Heyer 03.07.2019, 01:01

Oschersleben l Eine Zeitmaschine müsste her. Gemeinsam mit Dieter Hustedt und Otto Fricke würde ich mich in das Jahr 1967 versetzen lassen, möchte miterleben, wie das Oschersleber Freibad entsteht. Zeitmaschinen gibt es nicht und so lausche ich gebannt den Geschichten der beiden Oschersleber. Die heute in die Jahre gekommenen Männer verweisen beim Bummeln entlang der Schwimmbecken auf die Betonplatten, immerhin 50 Jahre haben sie gehalten. Eine ganz schöne Quälerei war der Bau, da sind sich Dieter Hustedt und Otto Fricke einig.

Die Entstehung des Oschersleber Schwimmbades reiht sich ein in die Geschichte sogenannter Initiativbauten, die es zu DDR-Zeiten reichlich gab. Betriebe vor Ort unterstützen besondere Vorhaben, stellen Personal ab. Nur auf diesem Wege bekommt die Stadt Oschersleben in den 1960er Jahren den Bau eines Schwimmbades genehmigt. Ausschlaggebend war auch der Fakt, dass das Schwimmerbecken internationale Maße (50 mal 25 Meter) haben sollte, damit Schwimmer des Sportclubs (SC) Magdeburg in der Bodestadt trainieren können. Dazu sollte es nicht kommen, beim Bau sei bei den Abmaßen etwas „geschummelt“ worden.

1967 startete der Initiativbau, die maßgeblichen „Strippenzieher“ waren Arno Kessler, Gerhard Neumann und Fritz Hustedt.

Ehe überhaupt mit dem Bau der Becken begonnen werden konnte, muss eine Zuwegung her. „Hier war alles Acker und Wiese. Es war grundlos, mit Lkw und anderen schweren Fahrzeugen war da kein Durchkommen. Ich hatte mir einen Lanz Bulldog gekauft. Acht Monate lang habe ich damit Steine und Betonteile für die Becken, eben alles, was für den Bau gebraucht wurde, transportiert. Anschließend war der Bulldog Schrott“, erinnert sich Otto Fricke, damals 27 Jahre alt. Der heutige Parkplatz war ein einziger Morast. „Von der Einfahrt der Straße Zum Hubertusberge bis etwa zur Einfahrt zum Bürgerpark musste erst einmal eine „Straße“ gebaut werden. „Woher aber die Steine nehmen? Betriebe aus Oschatz oder Kamenz konnten nicht liefern. Per Zufall haben wir erfahren, dass in Magdeburg in der Halberstädter Straße die Pflastersteine zwischen den Straßenbahnschienen durch Betonplatten ersetzt werden. Diese Steine haben wir uns gesichert. Fuhrunternehmer Köchy aus Kroppenstedt hat sie nach Oschersleben transportiert“, erinnert sich Dieter Hustedt, damals 32 Jahre alt und im Oschersleber Volksgut in der Handwerkerbrigade angestellt. Kurti Rosinski und Heinz Aderhold waren super Pflasterer. Dieter Hustedt weiß es noch wie heute: „Eine Tonne Großpflaster ergeben 2,5 Quadratmeter, eine Tonne Kleinpflaster, 3,6 bis 3,7 Quadratmeter.“

Für die gesamte Zeit des Baus galt: Es musste das Material genommen werden, was gerade zu kriegen war. So sind für die Becken sogenannte L-Teile aus dem Betonwerk Wegeleben verbaut. Sie dienten eigentlich für den Bau von Siloanlagen. „Auf die L-Teile kam Folie, damit wir darauf vormauern konnten“, erinnert sich Otto Fricke, damals im Landbaukombinat Oschersleben angestellt.

Für den Bau des Oschersleber Schwimmbades stellen nicht nur die hiesigen Betriebe Leute ab, auch Schulklassen wirken mit. „Und die ‚Knastologen‘ aus dem Staßfurter Gefängnis. Die waren fleißig“, erinnern sich Dieter Hustedt und Otto Fricke. Die Häftlinge waren vier Monate im Einsatz, auch Frauen aus einem Gefängnis halfen beim Aufbau. Oschersleber Betriebe waren es, die die Sprungtürme errichteten.

Im Übrigen liegen in den Bürgersteigen zwischen ehemaliger Brauerei und Schwimmbad noch immer 500 Meter Rohre. Von der Brauerei aus sollte warmes Wasser das Freibad speisen. Doch das Wasser kam kalt dort an. Nach wie vor speist ein Brunnen die Becken bis auf das Kleinkindbecken, des Oschersleber Schwimmbades.

Als das Schwimmbad am 16. August 1969 eröffnet wurde, lag die Wassertemperatur bei gerade 16 Grad. Otto Fricke „hüpfte“ als erster in das große Becken. Zum Initiativbau Schwimmbad Oschersleben gehören im Übrigen auch die Sanitär- und Mehrzweckgebäude, ein Wohnhaus für den Objektleiter, um die Klärgrube nicht zu vergessen.

Karl-Heinz Doil war der erste Objektleiter, seine Frau Ingrid die Schwimmmeisterin. Sie wohnen noch heute direkt am Schwimmbad. Sohn Jörg Doil trat in die Fußstapfen seiner Eltern, ist heute Chef von Neptuns Reich, von Schwimmbad und Schwimmhalle.