Städtebau Mit schwerem Gerät in die Zukunft
Ob Stadtmühle oder Jugendzentrum: Bei der Bewos in Oschersleben läuft die Arbeit an mehreren Großprojekten.
Oschersleben l Das Gelände der ehemaligen Stadtmühle ist kaum wiederzuerkennen. Schutt und Sträucher sind verschwunden. Vom Gebäude an der Zufahrt steht nur noch die vordere Mauer. „Die Abrissarbeiten haben Mitte Januar begonnen und sind jetzt abgeschlossen“, berichtet Thomas Harborth. Er ist der Geschäftsführer der Wohnungsbau- und Verwaltungsgesellschaft Bewos. Das Unternehmen möchte auf dem Areal mehr als 40 barrierefreie Wohnungen und eine Tagespflege errichten. Beides soll in einem dreigeschossigen Gebäude untergebracht sein und später an das DRK vermietet werden.
Um Platz zu schaffen, wurden in den vergangenen beiden Wochen 160 bis 180 Lkw-Ladungen an Material abtransportiert, darunter mehrere Tonnen Strauchschnitt. Wie Thomas Harborth informiert, ist die Fläche jetzt baureif. Die Baugenehmigung sei wie erhofft Ende 2019 erteilt worden. Der erste Spatenstich soll am 30. März erfolgen. Die eigentlichen Arbeiten sollen im April beginnen und bis zum Herbst des kommenden Jahres dauern. Die Gesamtkosten werden auf etwa sechs Millionen Euro geschätzt. Die Mauer an der Zufahrt, an der sich auch der Schriftzug „Stadtmühle“ befindet, soll erhalten bleiben. Das habe der Denkmalschutz gefordert und es sei auch der Wunsch der Bewos, so Thomas Harborth. Denn sonst bliebe von der historischen Bebauung nichts erhalten.
Darüber hinaus arbeitet das Unternehmen noch an weiteren Projekten, die das Gesicht der Stadt nachhaltig prägen werden. Eines davon ist das Kaufhaus O. in der Innenstadt. Nach einem längeren Leerstand wird es derzeit zu neuem Leben erweckt.
Die Abrissarbeiten im Inneren sind erledigt. „Alles, was raus musste, ist raus. Jetzt beginnen wir mit der Neugestaltung“, so Harborth. Die erste neue Wand soll das vorhandene Optik-Geschäft vor den Geräuschen der weiteren Bauarbeiten schützen.
Dort, wo früher eine Treppe das Erdgeschoss mit dem ersten Obergeschoss verband, muss die Decke noch geschlossen werden. Wie Thomas Harborth sagt, wird das Erdgeschoss künftig von einer Krankenkasse genutzt. Sie soll Ende des Jahres als erste Mieterin einziehen. Zwölf Arbeitsplätze und ein separater Wartebereich seien geplant. Die weiteren Mieter würden voraussichtlich im Februar oder März 2021 folgen.
Insgesamt sollen künftig zirka 60 Menschen im Kaufhaus O. arbeiten. Zusammen mit den zu erwartenden Besuchern beziehungsweise Kunden soll so die Innenstadt belebt werden. Im zweiten Obergeschoss des Gebäudes wird die Stadtverwaltung einziehen. Dort blieben die Bürostrukturen weitgehend erhalten. Allerdings wurde Platz für einen großen Empfangsbereich geschaffen. Im ersten Obergeschoss soll es insgesamt sechs Mieter geben. „Eine Einheit mit 100 Quadratmetern ist noch nicht vergeben“, so Thomas Harborth. Es gebe Gespräche, aber noch nichts Verbindliches. Die Kosten für die Sanierung sollen sich am Ende auf etwas mehr als zwei Millionen Euro belaufen.
Rund um den historischen Bahnhof herrscht ebenfalls Betriebsamkeit. Allein auf diesem Areal sollen rund 16 Millionen Euro investiert werden: vier in den Bahnhof, acht in die geplante neue Schwimmhalle, zwei in den Jugendclub und zwei in die Außenanlagen. „Hier gibt es gerade kein Halten mehr“, erläutert Thomas Harborth. Im Wochentakt würden neue Leistungen vergeben. „In etwa drei Wochen sind wir mit den Vergaben für den Bahnhof durch. Dafür geht es jetzt bereits mit den Aufträgen für die Schwimmhalle los.“ Die eigentlichen Arbeiten sollen zwar teilweise erst 2021 beginnen. Die frühe Vergabe der Leistungen habe aber den Vorteil, dass man bei den Kosten auf Nummer sicher gehen könne, selbst wenn es im Baugewerbe zu weiteren Preissteigerungen kommen sollte.
Im Inneren des historischen Bahnhofs laufen derzeit die Rohbauarbeiten. Die Säulen in der Eingangshalle sind mittlerweile freigelegt. Wie Thomas Harborth erklärt, habe sich Oscherslebens Ehrenbürger Günther Blume, der auch die dreibändige Chronik der Stadt geschrieben hat, sehr engagiert. Unter anderem recherchierte er historische Kataloge für Gusssäulen.
Wegen ihrer künstlerischen Gestaltung sollen die drei Säulen aller Voraussicht nach auch sichtbar bleiben, so Harborth. Allerdings müsse noch geprüft werden, ob sie ihrer statischen Funktion weiterhin genügen oder eventuell Risse aufweisen.
In der Vergangenheit hatte es Diskussionen gegeben, weil die Säulen mit Fliesen ummantelt waren. Es war unklar, ob sie entfernt werden sollten oder nicht. Die Fliesengestaltung an den Seitenwänden der Halle bleibt laut Harborth erhalten. Die Glasfliesen an der Rückwand wurden allerdings entfernt. Laut dem Geschäftsführer der Bewos waren sie beschädigt. Daher sei eine Verletzungsgefahr von ihnen ausgegangen.
Bei den Arbeiten im Bahnhof wurden bereits spannende Entdeckungen gemacht. Unter anderem kam eine alte Telefonanlage der Reichsbahn ans Licht. Dem Gebäude kommt eine besondere Bedeutung zu, weil der Oschersleber Bahnhof aus dem Jahr 1843 stammt. Damit ist er einer der ältesten in Deutschland. Die Holzdielen im Inneren sollen laut Thomas Harborth erhalten, aufgearbeitet und ergänzt werden. An der Außenseite wird derzeit ein Gerüst für Dacharbeiten aufgestellt.
Das angrenzende Gelände, auf dem die neue Schwimmhalle entstehen soll, ist beräumt. Die alte Bahnsteigkante mit dem angrenzenden Areal, auf dem sich unter anderem das Heizhaus befindet, bleibt aus Denkmalgründen erhalten. Das Heizhaus hat seine Funktion aufgenommen. Derzeit liefert es die Bauwärme für den Bahnhof. Später soll es nicht nur ihn, sondern auch die Schwimmhalle und das Jugendzentrum komplett versorgen.
„Die Fördermittel für das Jugendzentrum und den Außenbereich sind da. Alle Projekte sind durchfinanziert“, berichtet Thomas Harborth. Die Arbeiten an der Schwimmhalle sollen voraussichtlich Ende des Jahres beginnen.
Wie der Bewos-Geschäftsführer mitteilt, gehen die ersten Ideen für die Sanierung des Bahnhofs und den Bau einer Schwimmhalle bis in das Jahr 2012 zurück. Zehn Jahre später, also 2022, soll alles fertig sein. Damit werde nicht nur ein langfristiges Projekt abgeschlossen. Gleichzeitig soll aus einer ehemaligen Bahnbrache im Herzen der Stadt eine neue Mitte für Oschersleben werden.