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Trockenheit Mehr Wasser für das Große Bruch

Die Diskussion um den richtigen Umgang mit Wasser im Großen Bruch bei Wulferstedt reißt nicht ab.

Von Sebastian Pötzsch 11.09.2019, 01:01

Wulferstedt l „Das Große Bruch trocknet aus.“ So könnte in den nächsten Jahren eine Schlagzeile lauten, weil dem Niedermoorgebiet östlich von Oschersleben wegen anhaltender Dürre nach und nach das Wasser ausgeht. Die Folge wäre nicht nur der Verlust einer Jahrhunderte alten Kulturlandschaft. Insbesondere den hier am und im Wasser lebenden Tiere würde es an den Kragen gehen.

Deshalb hatten der Unterhaltungsverband „Großer Graben“ und der Landesbetrieb für Hochwasserschutz vor rund sieben Wochen die Schotten des Wulferstedter Wehres sowie des Sachsenlandwehres bei Oschersleben gesetzt. Mit dem ökologischen Schließen der Wehre sei einer Bitte der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises nachgekommen worden, „trotz aller fachlichen und rechtlichen Bedenken aus unterschiedlichen Interessenslagen“, hatte Roland Möring vom Landesbetrieb erklärt. Ökologisch heißt, dass die Schotten nicht bis zur Grabensohle reichen, also zwischen Grund des Gewässers und Schott mehrere Zentimeter Platz für Wassertierarten wie Fisch und Lurch bleiben.

Der Landkreis hatte nämlich angemahnt, dass durch das Setzen der Wehre trockengefallene Gräben im Naturschutzgebiet „Großes Bruch bei Wulferstedt“ wieder mit ausreichend Wasser versorgt werden müssten. Dies soll insbesondere dem Erhalt typischer im Wasser lebender Tierarten dienen. Bereits im vergangenen Jahr war das Wulferstedter Wehr zwar gesetzt worden, doch erfolgte der Einstau laut Unterer Naturschutzbehörde zu spät. Eine fehlende Wasserregulierung beeinflusse den Wasserhaushalt in diesem Gebiet negativ und verstoße damit gegen die vielfältigen Naturschutzbestimmungen.

Doch für Herbert Teulecke und Harald Schuhfuß von der Vereinigung „Stiftung Umwelt- und Naturschutz Großes Bruch“ ging dieser Schritt nicht weit genug. Beide kritisierten das Setzen der Wehre als zu spät. „Nach der wochenlangen Dürre jetzt zu versuchen, etwas anzustauen, ist Blödsinn, weil ja nichts mehr da ist. Das wenige Wasser läuft fleißig weg“, hatte Teulecke erklärt. Die Naturschützer forderten daher, die Wehre künftig bereits nach dem Einfahren der Ernte, also vor Beginn der nächsten Nässeperiode von Winter bis Frühjahr zu schließen und das Wasser für die Trockenperiode im Sommer anzustauen. Nur so könne eine komplette Austrocknung des Niedermoorgebietes Großes Bruch verhindert werden.

Auch der Anglerverein Oschersleben hat das Schließen der Wehre kritisiert und gar den Abriss der Querbauten gefordert. Stattdessen schlug Heimo Reilein, Vize-Chef und Gewässerwart des Anglervereins Oschersleben, die Errichtung von Sohlgleiten vor. Sohlgleiten, also unter dem Wasserspiegel quer zur Strömung liegende Reihen aus Pfählen oder Steinen, stellten einen permanenten Pegel her, seien im Gegensatz zu herkömmlichen Fischtreppen hochwasserneutral und für die gesamte Aquafauna, inklusive ihrer schwimmschwachen Arten, passierbar. Damit würde den Gewässerentwicklungskonzepten des Landes entsprochen. „Diese behördenverbindlichen Fachplanungen berücksichtigen sowohl alle Belange der EU-Wasserrahmen- und FFH-Richtlinie, als auch die Aspekte des Hochwasserschutzes“, hatte Reilein betont. Alle anderen Wasserbauwerke könnten auch nach dem Stand der aktuellen Technik keine echte ökologische Durchgängigkeit darstellen, zu der beispielsweise auch ein kontinuierlicher Sedimenttransport gehöre.

„Die Aussagen von Herrn Reilein sind zweifellos richtig“, teilten Herbert Teulecke und Harald Schuhfuß nun gegenüber der Volksstimme mit. Was jedoch bisher nicht richtig klargestellt worden sei, „ist die Tatsache, dass der Wasserhaushalt im Großen Bruch nicht nur über die Wehre im Großen Graben reguliert wird, sondern vor allem auch über die kleineren Wehre (Siele) an den Neben- beziehungsweise Entwässerungsgräben.“ Die Anlage von Sohlgleiten sei für Fische und andere Lebewesen im Großen Graben „unzweifelhaft von großem Vorteil. Aber mit diesen Sohlgleiten wird es nicht möglich sein, den Wasserstand auf ein Niveau zu bekommen, dass eine Degenerierung des Moorbodens verhindert werden kann.“ Außerdem betonen Teulecke und Schuhfuß: „Dazu wird es notwendig sein, mit Hilfe der Siele an den Entwässerungsgräben das Wasser vor allem in den Wintermonaten, also nach dem letzten Wiesenschnitt bis April, zurück zu halten und auf einen Stand von 40 Zentimetern unter Bodenoberkante oder besser noch höher zu bringen, damit sich der Moorboden wie ein Schwamm vollsaugen kann und das Wasser möglichst lange für die trockene Jahreszeit gespeichert wird.“

Außerdem kritisieren die Naturschützer das Vorhaben des Unterhaltungsverbandes „Großer Graben“ zum Schutz des Schlammpeitzgers. Es sieht vor, die für den seltenen Fisch typischen Reproduktions- und Wohngewässer zumindest in Teilen wiederherzustellen, weil der ursprüngliche Charakter des Lebensraums beispielsweise durch geschaffene Gräben zur Entwässerung nicht mehr vorhanden ist (Volksstimme berichtete). Diese könnten weitestgehend von der Gewässerunterhaltung ausgenommen werden und somit dauerhaft geeignete Rückzugsräume bieten. Das soll durch die Schaffung sogenannter Sekundär-Habitate in Form von Grabentaschen und –schleifen, welche mit dem Grabensystem verbunden sind, geschehen.

„Auch das Vorhaben des Unterhaltungsverbandes bekämpft nach unserer Ansicht die wirklichen Ursachen der Bestandsgefährdung von Schlammpeitzger und vieler anderer seltener Tiere und Pflanzen nicht“, teilten Herbert Teulecke und Harald Schuhfuß dazu mit. Hier werde nur an den Folgen der Trockenlegungen herumgedoktert, aber auf die wahren Ursachen nicht eingegangen.

„Wozu ist eine Grabentasche oder -schleife gut, wenn der Graben kein Wasser mehr führt? Wie lange kann der Schlammpeitzger das überleben“, fragen die beiden Naturschützer. Derzeit sei der Wasserstand so niedrig, dass kein Wasseraustausch zwischen den Grabensystemen mehr möglich sei. „Sowohl im Großen Graben als auch in den Entwässerungsgräben ist der Wasserstand so niedrig, dass weder Wasser von Großen Graben in die Nebengräben fließen kann, noch umgekehrt“, erklärten Teulecke und Schuhfuß.