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Am Fenster Idener musizieren gegen Corona

Bundesaktion verlängert: Idener musizieren seit sieben Wochen gegen Corona an. Jeden Tag um 18 Uhr. Durchs offene Fenster.

Von Karina Hoppe 17.05.2020, 18:00

Iden l Erst erklingen die Kirchenglocken. Dann ist Harald Wichmann an der Reihe. Er stellt sich ans Giebelfenster seines Hauses in der Idener Lindenstraße, schnappt sich sein Flügelhorn und spielt. Am vergangenen Freitag erklang als erstes Hannes Waders Lied „Heute hier, morgen dort“, danach die berühmte schottische Abschiedshymne „Auld lang sign“. An die zehn Leute hörten zu, die Augen teils geschlossen. „Es ist wunderbar, um sich ein paar Minuten am Tag zu besinnen“, sagte Sylvia Pempel. „Sie machen uns jeden Abend eine große Freude“, stimmte ihr Nelli Krieg zu.

Und jeden Abend heißt jeden Abend. Es ist einfach so passiert. Als Mitglied der Werbener Feuerwehr-Blaskapelle war es für Harald Wichmann Ehrensache, sich an der bundesweiten Musikaktion „MusikerInnen für Deutschland“ zu beteiligen. Am Sonntag, 22. März war das. Auch Wichmann spielte Beethovens schöne „Ode an die Freude“ aus dem Fenster heraus. Als Zeichen für Zusammenhalt und Zuversicht während der Corona-Krise.

Doch Wichmann gefiel das Spiel auch unabhängig davon, „die Blaskapelle kann ja gerade nicht proben“. Da kam die Aktion also gerade Recht. Als Wichmanns Frau Angelika dazu ermunterte, doch einfach weiterzumachen, rannte sie offene Türen ein. Harald Wichmann spielte weiter, was auch bei Nachbars nicht unbemerkt blieb. Am 28. März gesellten sich Bettina Scholz und ihr Sohn Leonhard dazu, öffneten ihrerseits ihr Fenster und spielten E-Piano. Mal der Sohn, mal die Mutter, mal beide zusammen. Wie am Freitag, da die Zuhörer sich sehr gerne noch einmal das „Hallelujah“ anhörten – dreihändig gespielt. „Wunderschön.“ Nelli und Hans-Jörg Krieg haben es nicht weit zur „Konzertwiese“ an der Lindenstraße. Das Ehepaar kommt fast jeden Abend. Nelli Krieg hat als Kind selber mal Akkorderon gespielt, aber das ist eben lange her. Jetzt genießt sie die kleine Konzertreihe. „Sie haben schon so tolle Stücke gebracht.“ Bettina Scholz hatte als Kind lange Jahre Klavierunterricht, Leonhard Scholz war auf dem Landesmusikgymnasium in Wernigerode. „Vor allem mag ich den Gesang“, sagt der junge Mann, dessen Bundesfreiwilligendienst in der Kita Königsmark Corona-bedingt unterbrochen wurde.

Da ist also gerade Zeit für die abendlichen Konzerte, die zum Proben animieren und die auch davon ab Wirkung zeigen. „Wir sind hier viel näher zusammengerückt“, sagt Angelika Wichmann. „Das ist total schön.“ Jedes Mal überlegen Zuhörer halb im Scherz, ob man nicht mal ein Bier dazu trinkt oder einen Glühwein, je nach Wetter, aber soweit kam es noch nicht. Nach etwa zehn Minuten ist das Konzert vorbei, haben nach Harald Wichmann auch Mutter und Sohn Scholz ihre Stücke gespielt. Und niemand will so Recht damit aufhören. Irgendwann, wenn es wieder erlaubt ist, wird wohl ein Straßenfest mit Livemusik die Idener Konzerte beenden. Dafür will Bettina Scholz gar ihr altes Klavier auf die Wiese ziehen. „Das wird schön.“

Die kleinen Konzerte beginnen täglich nach dem Glockenspiel ab 18 Uhr. Achtung, am Wochenende läuten die Glocken nur kurz, also rechtzeitig kommen. Zur Wiese in der Idener Lindenstraße, links neben den Neubauten.