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Musikalische Lesung von Anna Radtke und Rainer Trunk in der Werbener Johanniskirche Einblicke in die Ideenwelt eines Künstlers

Von Hannes Harthun 28.02.2012, 04:29

Werben l "Wer nimmt mich auf den Schoß?", fragte Pfarrer Jan Foit besorgt am Samstagabend in der Werbener Kirche. Die Sorge, keinen Sitzplatz mehr zu bekommen, war berechtigt. Der Pfarrer begrüßte das Publikum sichtlich erfreut über den großen Zuspruch zur Veranstaltung. Der Künstler und Liedermacher Rainer Trunk hatte gemeinsam mit seiner Frau Anna Radtke zu einer musikalischen Lesung in die Krypta der Werbener St. Johanniskirche eingeladen. Mehr als 50 Zuschauer - und damit doppelt so viele wie erwartet - hatten sich vom Programmtitel "Der Keller am Fluss - eine melancholische Rücksicht" locken lassen.

Zu Beginn erläuterte Rainer Trunk die Entstehung der Texte, die vor circa 15 Jahren durch eine Beschäftigung mit der Kunst Joseph Beuys\' entstanden waren. "Warum bevorzuge ich jene Kunst und lehne diese ab?" war dabei die hintergründige Frage, so Rainer Trunk.

Die Texte thematisierten Momentaufnahmen der Kindheit des in Bingen am Rhein aufgewachsenen Künstlers. Melancholisch schildert Trunk in einem seiner Texte beispielsweise einen Konflikt mit seiner Mutter über die Umgestaltung seines Zimmers. Aus dem Streit flüchtet der Junge, um sich als "Einsiedler" in den Keller zurückzuziehen.

Viele Texte beschreiben Erlebnisse, die Trunk im Keller erlebt hat. Dort entwickelte er erste Kunstwerke aus Holzresten und anderen Gegenständen. Der Veranstaltungsort, die nasskalte Krypta, unterstrich die Wirkung der von Anna Radtke vorgelesenen Texte. In der Beschäftigung mit Kunst entstanden auch teilweise amüsante Anekdoten, die im Publikum für Heiterkeit sorgten. Beispielsweise schildert ein Text, wie Rainer Trunk mit Hilfe seines Bruders einen Ofen auf den gefrorenen Fluss hinterm Haus stellte, nur um ihn mit anderen Gegenständen zu einem Kunstwerk anzuordnen. Immer wieder werden die künstlerischen Anfänge Trunks behandelt, die nie etwas mit "Malen nach Zahlen" gemein hatten, sondern sich am Kubismus und Surrealismus orientierten. Dabei wird deutlich, wie sehr das Kunstverständnis von Eltern und Sohn auseinandergehen.

Doch nicht nur die Auseinandersetzung mit Kunst, auch Erlebnisse mit dem Bruder, das Einhalten von Regeln und das Verhältnis zu seinem Vater werden in den Texten reflektiert. Rainer Trunk schildert, wie stark ihn die Front- und Kriegsgeschichten seines Vaters geprägt haben und wie sehr sich diese Erzählungen mit der eigenen Gedankenwelt vermischten.

Zwischen den Texten griff Rainer Trunk zur Gitarre und bot Lieder, die oftmals einen differenzierten und zeitlich distanzierten Blick auf das Gelesene darstellten. Mit Gitarre und Mundharmonika sang Trunk seine Lieder, die eine Sicht von außen beschrieben. Darin sang er beispielsweise: "Es gab niemand\', der dir was zutraut und dich verschont." Auch die Frage nach Religion und einer höheren Macht kam im Liedgut des Künstlers vor. Insgesamt boten die Lieder und Texte einen faszinierenden und tiefgehenden Blick in die Ideenwelt eines jungen, sensiblen und individuellen Künstlers. Vom Publikum gab es am Ende der Veranstaltung langanhaltenden Applaus, für eine tief berührende und originelle Konzert-Lesung.