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Kirche Gordon Sethge: "Ich möchte Mut machen“

Seit Mitte März läuft in der Osterburger Kirchengemeinde alles anders. Die Botschaft bleibt bestehen: Keiner ist allein.

Von Astrid Mathis 22.03.2020, 18:00

Osterburg l Zwar fand am Tag vor Freitag, dem 13., noch der Gemeindenachmittag statt, "dann ging alles Knall auf Fall“, beschreibt der evangelische Pfarrer. Eben hatte Gordon Sethge noch von seiner Israel-Reise berichtet, im nächsten Moment hieß es: Reiseverzicht, Aussetzen von Gottesdiensten, Gemeindenachmittagen, Christenlehre und anderen kirchlichen Anlässen, zusammenzukommen, Halt zu finden und sich nicht allein zu fühlen. Die Frage „Wie gehen wir damit um?“ beschäftigt seitdem die Gemüter.

An dem ersten Sonntag nach den verkündeten Einschränkungen kamen zur gewohnten Zeit um 10 Uhr einige Gemeindeglieder in die Burgstraße und suchten besorgt das Gespräch. Bei Gordon Sethge finden sie Verständnis, Trost, Hilfe. „Mir ist wichtig, den Leuten zu vermitteln, sie sind nicht allein - mit ihren Fragen, mit ihrer Angst“, stellt Sethge klar. Als Seelsorger ist er Ansprechpartner über Telefon, E-Mail, Post oder unter vier Augen. So können ihm auch Gebetsanliegen mitgeteilt werden.

Außerdem ist St. Nicolai täglich von 9 bis 17 Uhr geöffnet und bietet Raum für Besinnung und stilles Gebet. Im Eingangsbereich befindet sich eine Box für persönliche Gebetsanliegen: „Was liegt Ihnen auf dem Herzen, was bewegt Sie, für welche Menschen möchten Sie besonders bitten?“

Bis nach Ostern werde sicher kein Gottesdienst stattfinden. Jetzt müssen andere Wege beschritten werden als die üblichen zur Burgstraße oder in die St. Nicolai Kirche. „Lassen Sie uns im Gebet zusammenkommen und geistliche Gemeinschaft erleben“, ruft Pfarrer Gordon Sethge auf. Für die nächsten Wochen gibt es in Osterburg folgenden Ablauf: Jeden Sonntag werden um 9.40 Uhr die Glocken läuten. Im Anschluss verliest Sethge die Gebetsanliegen und entzündet für jedes Anliegen eine Kerze. „Vereinen wir uns dazu als solidarische und geistliche Gemeinschaft: Entzünden Sie zu Hause um 9.45 Uhr eine Kerze und schließen Sie sich dem stillen Gebet an. Beten Sie für die Kranken und Bedürftigen, für unsere Regierung, für die Menschen, die in den Supermärkten arbeiten. Beten Sie füreinander und besonders für diejenigen, die im Gesundheitswesen beschäftigt sind“, lädt Sethge ein. Um 10 Uhr beginnt dann die Gottesdienstübertragung im Fernsehen.

So viel zum Sonntag. Doch wie läuft alles andere? Wie gehen zum Beispiel Beerdigungen vonstatten? „Hier bei uns dürfen nicht mehr als 50 Personen an einer Beerdigung teilnehmen. Namen, Adresse und Telefonnummer müssen angegeben werden. Man bringt seinen eigenen Kugelschreiber mit beziehungsweise benutzt Desinfektionsmittel nach dem Eintragen in die Liste“, informiert Sethge. Der Gang in die Trauerhalle und die Kirche entfallen, der Pfarrer blickt unter freiem Himmel auf das Leben der Verstorbenen zurück. Alle halten Abstand. An Umarmungen und Händeschütteln ist nicht zu denken. Einzeln erweisen die Angehörigen dem geliebten Menschen die letzte Ehre. Trauerfeiern entfallen. „Ich möchte dazu ermutigen, später Abschied zu nehmen, wenn man bei der Beerdigung nicht dabei sein konnte“, so der Pfarrer. Trauerfeiern könnten verschoben und nachgeholt werden, um in Familie der Verstorbenen später zu gedenken, wie man es sich eigentlich gewünscht hätte und üblich ist.

Gemeinschaft ist auch in Zeiten von Corona möglich und notwendig. „Gerade älteren Menschen fällt die Decke auf den Kopf. Alleinstehenden. Ich möchte Mut machen, den Menschen das Gefühl geben, nicht allein zu sein und ihnen die Furcht nehmen“, betont der Pfarrer.

Wer im häuslichen Umfeld bleiben soll und keine Angehörigen hat, die sich kümmern können, soll künftig anders Hilfe bekommen. Über das Pfarramt werden künftig Einkaufsdienste und Botengänge organisiert. Als Sethge der Jungen Gemeinde von dieser Idee erzählte, stieß er auf offene Ohren. Ein Dutzend Jugendlicher hatte sich schnell angeboten, dazu kommen noch ehrenamtliche Helfer. Keiner müsse Scheu haben, sich im Pfarramt zu melden, wenn etwas benötigt wird oder transportiert werden soll: ob Lebensmittel, Katzenfutter, Zeitschriften, Medikamente, Bücher oderBriefmarken. Bestellung, Auslieferung und Abrechnung koordiniert Gordon Sethge, um den Kontakt minimal zu halten.

Der Pfarrer findet aber noch andere Wege, Mut zu machen: Er verschickt Blanko-Postkarten an die Konfirmanden, die diese bunt bemalen, verzieren und „MUT“ darauf schreiben. Dazu kommen noch Bibelverse, und dann kann bald jeder, der Mut braucht, eine Karte vom Tor des Pfarramtes in der Wasserstraße mitnehmen oder weiterverschenken. Mit dem Klein Schwechtener Pfarrer Alexander Schwarz plant er außerdem einen Podcast, um Verbindungen aufrecht zu erhalten. Schließlich fallen auch der ökumenische Kreuzweg und viele Begegnungen neben der Karwoche aus.

Wege zusammenzufinden, gäbe es immer. „Wir können Karten oder digitale Nachrichten schreiben oder einfach zum Hörer greifen. Als Kirche ist es unsere Aufgabe, füreinander zu sorgen und praktische Hilfe zu leisten“, betont Pfarrer Gordon Sethge.

 

Kontakt: Pfarramt St. Nicolai, Pfarrer Gordon Sethge, Wasserstraße 12, 39606 Osterburg, Telefon: 03937/8 26 95, sethge@kirchenkreis-stendal.