Rolf Naumann entführt in der Kreisvolkshochschule in die Geschichte der Tonträger, Grammophone und der ersten Musikaufnahmen Ohne die Lackschildlaus hätte es keine Schellackplatten gegeben
Osterburg l Ein Trichtergrammophon, Baujahr 1905, ein Koffergrammophon, etwa ab 1920 gebräuchlich und einen neuzeitlichen Plattenspieler sowie mindestens zwei Dutzend alte Schallplatten aus seinem rund 3000 Platten großen Bestand hatte Rolf Naumann am Mittwochabend für seinen Vortrag zur Geschichte der Schellackplatte in die Volkshochschule Osterburg mitgebracht.
Der Jerichower Sammler, seit seiner Kindheit damit aktiv, sah sich allerdings nur einem bescheidenen Zuhörerkreis gegenüber, so dass die Veranstaltung etwas Familiäres hatte. Es waren jedenfalls sehr interessante und auch amüsante 90 Minuten. Besonderes Interesse zeigten Heiner und Manuela Behrends, in deren Café ein altes Grammophon hin und wieder für Kaffeemusik sorgt.
Der Amerikaner Thomas Alva Edison hatte 1877 das erste funktionsfähige Gerät zur Konservierung und Wiedergabe der menschlichen Sprache zum Patent angemeldet. Er nannte es Phonograph. Die auf einer mit Stanniol bezogenen Walze mit einer Nadel aufgezeichneten Schwingungen der menschlichen Sprache konnten zwar über einen Trichter ebenso wiedergegeben, aber nicht vervielfältigt werden. Dem deutschstämmigen Amerikaner Emile Berliner gelang in zehnjähriger Arbeit die Entwicklung eines "scheibenförmigen Tonträgers" und eines Wiedergabegerätes, das er Grammophon nannte. In den Jahren 1889/90 seien in Deutschland bereits etwa 25000 Platten aus Hartgummi gepresst worden. Berliner entwickelte noch 1890 eine wesentlich haltbarere Pressmasse aus Schellack, die aus den Ausscheidungen der südostasiatischen Lackschildlaus gewonnen wird. Um 1900 seien in Deutschland bereits zweieinhalb Millionen Platten verkauft worden. 1904 entwickelte der Schwede Carl Lindström die doppelseitig bespielte Schallplatte.
Der schwache, resonanzlose blecherne Ton blieb kennzeichnend für alle Schallplattenaufnahmen bis zum elektrischen Aufnahmeverfahren um 1925. Besondere Popularität erlangte Enrico Caruso, der von 1902 bis zu seinem Tod 1920 234 Musikaufnahmen produzierte. Bis 1914 entstanden in Deutschland etwa 500 konkurrierende Schallplattenmarken. Zu den gängigsten Plattenfirmen der 1920-er Jahre gehörten unter anderem "Grammophon - Stimme seines Herrn", Odeon, Elektrola, Beka, Gloria, Kristall, Columbia und Vox. Naumann präsentierte Tänze im Wandel der Zeiten, Orchesteraufnahmen, Tanzlieder, Schlager vergangener Jahre, Solopartien berühmter Sänger aus Opern und Operetten. Man hörte unter anderem die Comedian Harmonists, Richard Tauber, Claire Waldoff, Zarah Leander, Willi Forst und auch Parodisten wie Otto Reutter. Aufgrund der begrenzten Spieldauer (bei 25-cm-Platten zweimal drei Minuten, bei 30-cm-Platten zwei mal fünf Minuten) waren besonders Opern- und Operettenquerschnitte und Potpourries sehr beliebt. In der Nazizeit war die Schallplatte neben der Musikwiedergabe ein oft verwendetes Propagandamedium.
Nach 1945 wurde die Schellacktechnik zunächst beibehalten. In der Bundesrepublik wurden ab 1958 und in der DDR ab 1960 PVC-Mikrorillen-Platten hergestellt. Mit der Einführung der Compact Disc (CD) ab 1983 ging die Produktion von Schallplatten stark zurück. Schellackplatten erfreuen sich wieder zunehmender Beliebtheit, besonders bei Sammlern.