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Orgeljubiläum Das Meisterstück spielt in St. Petri

Die Lütkemüller-Orgel in der Seehäuser Petri-Kirche wird 150 Jahre alt. Natürlich wird das bei einem Jubiläumskonzert gefeiert.

Von Ralf Franke 18.05.2017, 01:01

Seehausen l Die Petri-Kirche in Seehausen gehört zu den größten Gotteshäusern der Region. Und weil die Ur-Hansestädter bei der Grundsteinlegung im 12. Jahrhundert klotzten und nicht kleckerten, konnte Friedrich Hermann Lütkemüller (1815 bis 1899) rund sieben Jahrhunderte später ein Meisterstück vollbringen. Der in Papenbruch bei Wittstock geborene Pfarrerssohn hinterließ den Seehäusern mit 44 Registern die größte Orgel, die unter seiner Regie das Licht der Welt erblickte. Das waren immerhin rund 200 Instrumente.

Das ist inzwischen 150 Jahre her und quasi ein Alleinstellungsmerkmal für die 2017er Veranstaltungsreihe in St. Petri. Bei acht von 13 Konzert-Terminen, die Kantorin Sophie Charlotte Tetzlaff organisiert hat, steht die Königin der Instrumente als Geburtstagskind im Mittelpunkt. Für das eigentliche Jubiläumskonzert, das am Sonntag, 27. August, um 17 Uhr beginnt und mit einer Feier endet, darf Leonhard Walz die Register greifen und die Kompositionen großer Meister erklingen lassen.

Dass er und alle anderen Organisten wieder aus dem Vollem schöpfen können, hatten lange wohl nur die kühnsten Träumer zu hoffen gewagt, zu denen ohne Zweifel auch Kantor i. R. Friedemann Nitsch gehört. Der Kirchenmusiker, der die Restaurierung und Wiederherstellung der Lütkemüller-Orgel federführend vorantrieb, erinnert sich in der Festschrift zum Abschluss der Sanierung daran, was sich ihm seinerzeit für ein trauriger Anblick zum Dienstantritt Mitte der 1970er Jahre in Seehausen bot. Die große Orgel glich demnach praktisch nur noch ein Torso, das Hauptwerk war stumm, dessen Pfeifen lagen verstreut auf Windlade und Gangbrettern. Das ganz glich einem unaufgeräumten Materiallager, gab Nitsch zu Protokoll.

Aber auch ohne Hauptwerk und in dem Zustand spürte er, dass das Instrument etwas Besonderes und vor allem Erhaltenswertes ist. Nur war zu DDR-Zeiten an die Sanierung nicht zu denken, weil die verstaatlichten Orgelbaufirmen im Ausland Devisen erwirtschaften mussten.

Nach der Wende waren die handwerklichen Ressourcen vorhanden, dafür bremsten die Kosten das ehrgeizige Vorhaben aus, das letztlich in vier Bauabschnitten, mit Hilfe vieler Fördermittel und Spenden über die Bühne gebracht werden konnte. Der erste Meilenstein war die Wiederinbetriebnahme des Hauptwerkes. Die vorerst letzte Etappe datiert auf 2014 mit dem Wiedereinbau der erneuerten Prospektpfeifen, die der Orgel klanglich aber auch optisch zu altem-neuen Glanz verhalfen.

Sophie Charlotte Tetzlaff weiß das Engagement ihres Vorgängers ebenso zu schätzen wie die Qualität der romantischen Orgel, die mit 150 Jahren noch vergleichsweise jung ist. Obwohl Orgel nicht zu den Schwerpunkten ihrer kirchenmusikalischen Ausbildung zählte, kommt sie ins Schwärmen, wenn sie gefühlvoll in die Tasten der drei Manuale greift, die Füße übers Pedal gleiten und sie weiß, dass die Register genau das tun, was sie sollen, wenn sie an den Knäufen zieht.

„Mächtig und klangvoll bis zart und bescheiden“, um- schreibt die Kirchenmusikerin die Klangfülle und lauscht dabei, wie nachhaltig die Akkorde im Kirchenschiff klingen ohne zu hallen. Die Orgel habe der Baumeister genau den Möglichkeiten der Gewölbe angepasst. Deshalb sei das Instrument auch so groß ausgefallen, lässt sie wissen und betont dabei, dass die Orgel für die Kirche, aber auch für die Stadt ein besonderer Schatz ist.

Daran, dass die Tasten relativ schwer gehen, daran müsse man sich gewöhnen. Das liege an der direkten Verbindung zwischen den Tasten der Manuale und den Pfeifen. Zum Teil müssen per Gestänge mehrere Meter bis zu den jeweiligen Ventilen überbrückt werden. Das erzeuge im Gegensatz zu pneumatisch angesteuerten Orgelpfeifen teils erheblichen Widerstand, erklärt Sophie Charlotte Tetzlaff.

In Seehausen ist der Weg besonders weit, weil der Orgeltisch vom Instrument abgewandt ist. Das hat allerdings auch zwei große Vorteile. Mit dem Gestänge hat der Organist zum einen eine sehr direkte Verbindung zum Instrument. Heißt der Organist hört sofort, was er spielt, während es bei einer pneumatischen Steuerung immer eine mehr oder weniger lange Verzögerung gibt.

Die Position des Tisches ermöglicht dem Organisten außerdem einen direkten Blick in Richtung Altar und bei Gottesdiensten den Augenkontakt mit dem Geistlichen. In anderen Kirchen sitzt der Organist mit dem Rücken zum Altar und verfolgt Andachten über einen Spiegel, um seine Einsätze nicht zu verpassen. Letzteres beherrscht sie leidlich. Nur Konzerte gibt sie an der Orgel nicht. Das überlässt sie Kollegen, wie dem Zühlener Michael Benecke (16), der die neue Saison sozusagen als Benjamin der Innung vor zwei Wochen furios eröffnete.