Schweißhundführer Wo die Liebe hinbellt

Mit seinen bayerischen Gebirgsschweißhunden hat Peter Kunze schon so manchen Jäger und Hundeprüfer beeindruckt.

Von Karina Hoppe 31.01.2020, 23:01

Rohrbeck l Gerade kommt wieder etwas Ruhe rein. Die Treibjagden sind vorbei, „jetzt hast du mal ’ne Einzeljagd bei Vollmond oder so“. Peter Kunze hat fast im Gespür, wann sein Telefon klingeln wird. „Kannste kommen?“ Meistens sagt „Kunzi“ Ja. Er ist genau wie seine bayerischen Gebirgsschweißhunde Dina (13) und Hele (2) verrückt nach der Nachsuche. „Du sitzt eigentlich abends gemütlich, denkst erst kurz, ach nee, jetzt nicht, und dann packt’s dich doch.“ Raus mit den Hunden, das GPS-Gerät geschnappt, den Schweißriemen (lange Leine) dazu, ab ins Auto mit Dina oder Hele und los geht’s. Von Rohrbeck bis nach Tangermünde, nach Klietz, Arneburg, Seehausen, Arendsee oder gleich um die Ecke. Irgendwo im Wald, irgendwo im Dickicht oder auf freier Strecke liegt ein Reh oder Schwarzwild, das laut Auskunft des Jägers angeschossen, aber dabei nicht gleich getötet wurde. „Jäger haben dann die Pflicht zur Nachsuche.“ Wenn der eigene Hund es nicht schafft, wenn es sich etwa um einen Laufschuss oder Gebrechschuss (klaffender Kiefer) handelt und das Tier verletzt noch weite Strecken läuft, braucht’s einen Spezialisten. „Und der BGS ist die Rasse für die Fährtensuche. Er braucht kein Schweiß (Blut, Anm. d. Red.), das läuft alles über die Bodenverwundung.“ Die Schale etwa des Rehwilds hinterlässt eine Duftmarke auf der Erde, das Hormon aus den Drüsen ist ein anderes, wenn das Tier verletzt wurde. Für die Hunde liegen Welten dazwischen. 66- mal war Kunze (und manchmal auch ein Jagdfreund von ihm) 2019 mit Dina im Einsatz, sechsmal mit der jungen Hele – meistens war die Suche erfolgreich.

Vor diesem Erfolg steht sehr viel Arbeit. Bis zu Dinas Prüfung hat Kunze zum Üben 76 Fährten für sie gelegt, bei Hele waren es 66. „Sie wird von der Nase her noch besser als Dina.“ Das Fährtentreten ist anstrengend, Kunze nimmt dafür Schalen von Rehwild und spannt sie in Fährtenschuhe, diese werden unter die normalen Schuhe geschnallt und dann ruft die Wildnis.

Das alles geht nur, weil Peter Kunzes Frau Diana das Hobby toleriert. Als der heute 51-Jährige seine Familie seinerzeit wohl überlegt am Lagerfeuer von seinen Schweißhundeführer-Plänen erzählte, sagte sie: „Mach’ es, aber mach’ es richtig.“ Und der Jäger „Kunzi“ machte es richtig.

Seine ersten Erfahrungen mit der Nachsuche verdankt er seinen früheren Teckeln. „Aber die haben ihre Grenzen, fürs Reh sind die Beine zu kurz. Und sie werden vom Wild auch nicht ernstgenommen.“ Bei einer Infoveranstaltung in Springe bei Hannover kam der Rohrbecker schließlich auf den bayerischen Gebirgsschweißhund, der es dann auch für ihn sein sollte. Aber halt, so einfach ist das nicht. „Um in den Klub reinzukommen, brauchst du einen Mentor.“ Kunze fand ihn in Mahlpfuhl, konnte ihn davon überzeugen, dass er es ernst meint und wurde – nach einiger Zeit – in den Klub aufgenommen. Die zweite Probe aber folgte: Der Züchter aus der Nähe von Zerbst, von dem Kunze schließlich seine Dina bekam, wollte ein Schreiben von ihm mit Vorstellung und ausführlicher Begründung. „Aber nicht mit dem PC, handschriftlich“, hat er gesagt. „Erst fand ich das schräg, heute würde ich’s selbst genauso machen.“ Und es ist gar nicht so unwahrscheinlich, dass Kunze eines Tages selbst Welpen zu Hause hat. Ist Dina irgendwann nicht mehr, hat Hele, die er aus Geesthacht holte, das richtige Alter für die Zucht, und sind alle Voraussetzungen bestätigt, will Kunze sie anmelden. „Und dann sucht der Zuchtwart des Klubs einen Zuchtrüden für sie aus. Wenn du Pech hast, musst du zum Decken bis nach Frankreich.“ Aber auch das würde „Kunzi“ tun. Er, der seinem Arbeitgeber, der Lebenshilfe Osterburg, so dankbar dafür ist, dass er auch mal ad hoc von der Arbeit weg kann. Und er, der immer noch stolz wie Bolle ist, dass seine Hele ihre Prüfung im Herbst mit Bravour bestanden hat. Von 16 Hunden meisterte sie die Aufgaben mit Abstand am besten. Volle Punktzahl überall! „Wie sie die Winkel gelaufen ist, auf den Punkt gestoppt, die Prüfer haben gestaunt.“ Und „Kunzi“ auch. Wegen der ganzen Arbeit und Aufregung vorher und der großen plötzlichen Erleichterung sei er erst mal kurz in die Knie gegangen. „Ick hab echt jeweent.“ Da kam Hele, stellte ihre Pfoten auf seine Schultern und legte ihren Kopf an seinen Kopf. „Alles klar, Herrchen, das haben wir doch gut gemacht. Das war irre.“

Drei Jahre Fährtentreten zu Übungszwecken hatte Peter Kunze da hinter sich, eineinhalb für Hele und eineinhalb vorher für Elenka, einen hannoverschen Gebirgsschweißhund, der eigentlich Dinas Nachfolger werden sollte, „aber nicht suchen wollte“. Kunze hatte die Konzepte hin und her umgestellt, aber „diese bildschöne Hündin“ wollte einfach nicht. So musste er sie wohl oder übel abgeben, „ich kann mir nicht drei Hunde halten“. Elenka lebt jetzt bei Bremen ein schönes Hundeleben bei einem Rentner aus dem Verein. Gerade ist ihm wieder ein Bild von ihr geschickt worden. Nach Rohrbeck, wo ein Herrchen und seine Hündinnen schon auf den nächsten Anruf gespannt sind.