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Sturm und Dürre Der Wischewald im Stresstest

Gunnar Schulze, Revierförster der Wische, läuft den Sturmschäden hinterher. Doch damit fing alles erst an.

Von Karina Hoppe 01.11.2018, 23:01

Wische l Erstmal klingen die Zahlen von 2018 gut. Dem Revier Wische wurden wie in anderen Jahren rund 6000 Festmeter Holz entnommen, noch dazu hat Revierförster Gunnar Schulze (54) knappe 20 Hektar Wald aufgeforstet – mehr als sonst. Es handelt sich vor allem um reine Kieferaufforstungen, dazu Kiefern in Mischung mit Birke sowie Vergesellschaftungen aus Traubeneiche, Winterlinde und Hainbuche.

Und nun das Aber: Bei dem entnommenen Holz handelt es sich fast nur um Sturmholz. Von normalerweise stattfindenden zyklischen Durchforstungen war im Forstjahr 2018 keine Spur. Die Misere begann wie im gesamten Betreuungsforstamt Nordöstliche Altmark des Landeszentrums Wald im Oktober 2017. Am Anfang tobte Sturmtief „Xavier“, am Monatsende „Herwart“. Allein die Oktoberschäden im Revier Wische, in dem Schulze zwischen Werben und Baben sowie Erxleben und Altenzaun 1700 Hektar Wald von 400 privaten Waldbesitzern betreut, kartierte selbiger mit rund 6500 Festmetern Schadholz.

In Folge von wochenlangem Regen und vor allem „Xaviers“ Angriff in einer Zeit, da die Laubbäume noch voller Blattwerk waren, kippten gar mehr als 100-jährige Eichen einfach um. Im Revier Wische entschärfte es vor allem Kiefern, gefolgt von Lärchen sowie Birken, Pappeln – und Eichen, von letzteren mussten allein gut 500 Festmeter aus den Wäldern entnommen werden.

Schulze hat es in puncto Sturmschäden mit drei lokalen Schwerpunkten zu tun: Königsmark, der Autofahrer erinnert sich an das „Schlachtfeld Wald“ links und rechts der Straße gen Meseberg, die Rohrbecker Heide und Schwarzholz/Klein Ellingen. Die Herausforderung des Jahres sei vor allem logistischer, aber auch menschlicher Natur gewesen. 400 Waldbesitzer, alle haben Fragen und sind besorgt, wollen die Forstmaschinen so schnell wie möglich bei sich haben – die Angst vorm Wertverlust des Holzes im Nacken. Schulze aber schaut als Förster von oben aufs Revier: „Die starken Kiefern mussten zuerst raus, die Kiefer verblaut schnell.“ Dann die Lärchen, Fichten, bei denen es an liegenden Stämmen schnell zur Massenvermehrung etwa von Borkenkäfern kommt, was angesichts der Sommerhitze auch nicht zu verhindern war. „Sie hatten ideale Bedingungen.“

Lange vorher im Januar hatte Sturmtief „Friederike“ für Schulze und seine Berufskollegen – die westlicher im Forstamt gelegenen Reviere sind stärker betroffen – die Situation noch einmal verschärft. Zwar hielten die Firmen die Preise, die für die eigentlich geplante Holzernte vereinbart waren, aber ihre Subunternehmer, die sie aufgrund der Holzmassen angeheuert hatten, „packten ihre Maschinen ein und fuhren in den Harz“. Dort hatte „Friederike“ vor allem in Fichtenwäldern noch mehr Schaden angerichtet. Auf dem Holzmarkt, bei den Erntefirmen – überall war dieses Jahr „sehr viel Druck auf dem Kessel“. Und eines bedingt das andere. Das Land steuerte dagegen, verzichtete als Waldeigner selbst auf Frischholzeinschläge, „schickte zügeweise Holz nach Österreich“, deponierte eigenes Schadholz in Nasslagern.

Dass ein Drittel der in der Wische zuletzt vorgenommenen Aufforstungen vertrocknete, ist darüberhinaus genauso wenig Randnotiz wie das fortschreitende Eschentriebsterben. Außerdem sei noch nicht absehbar, welchen Sturmschaden die noch stehenden Bäume nahmen „Sie wurden richtig durchgewackelt, das kappt die Feinwurzeln.“

Paradox, dass in so extrem trockenem Jahr die Fruchtbildung sehr groß ist. Obstbäume, Kastanien, Eicheln hängen proppenvoll. Einige Wissenschaftler vermuten und befürchten, dass sie aus Überlebenstrieb an all ihre Reserven gingen und nun über Gebühr geschwächt sind.

Die hohe Waldbrandgefahr und die aufwendige Kulturpflege – Aufforstungen müssen gemäht werden – mengen sich noch in dieses Jahr. Und die gute Nachricht für die betroffenen Waldbesitzer, dass 45 Festmeter Eichen-Schadholz aus der Wische so exquisit sind, dass sie zur Versteigerung gehen.

„Es war ein Jahr an der Belastungsgrenze“, sagt Schulze. Und schließt dabei alle Kollegen, auch jene in den Büros des Betreuungsforstamts, selbstredend Leiterin Katja Döge mit ein. Von Resignation sei aber bei Schulze trotzdem keine Spur, „dazu bin ich viel zu gerne Förster.“ Der Walslebener lächelt sogar, als er sagt: „Nach dem Sturm ist vor dem Sturm.“