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Osterburger Heimatfreunde lassen sich nach ihrem Marsch mit Grünkohl belohnen Wanderung war auch wieder eine Zeitreise

Von Frank Schmarsow 27.11.2012, 01:17

Zur traditionellen Grünkohlwanderung lud die Interessengemeinschaft Heimatgeschichte Osterburg zum Sonnabend ein. Neben organisierten Heimatfreunden konnte IG-Chef Erhard Schmitz auch einige Nichtmitglieder begrüßen.

Osterburg l Es war seit 1998 die 15. Veranstaltung dieser Art, die stets nach einem Ausflug in die Osterburger Geschichte mit einer deftigen Grünkohlmahlzeit in der "Altmärkischen Kaffeestube" endete. Die Tour, im Hinblick auf das neblige Wetter etwas verkürzt, begann am Parkplatz Poststraße und führte rund um die Werderwiesen. Erhard Schmitz erinnerte an die Fertigstellung der Werderstraße als jüngste städtische Baumaßnahme. Dort und in der jetzigen Poststraße habe sich früher das sogenannte Scheunenviertel befunden. "Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Wohnbebauung abgeschlossen. Wo sich heute das Gelände der Sparkasse befindet, war vor der Wende ein Lager der Baustoffversorgung." Auf dem Areal einstiger Kleingärten wurde Ende der 1960er Jahre das Fernmeldeamt gebaut.

Wo die Jüdenstraße in die Nordpromenade mündet, befand sich im Mittelalter eine der drei Osterburger Notpforten, die den Bürgern bei Gefahr das heimliche Entkommen aus der Stadt ermöglichten. Die Jüdenstraße, einst von jüdischen Familien bewohnt, war während der Nazizeit in Notpforte umbenannt worden.

Am Biesebad reichte Schmitz einige Fotos aus den "besseren Tagen" der einst beliebten Flussbadeanstalt herum. In den 1990er Jahren war das reetgedeckte Café gebaut worden, das in den Morgenstunden des 2. Osterfeiertages 2010 abbrannte. "Früher, während der Sommer, waren das Biesebad und das Waldbad auf dem Fuchsbau immer voll", wusste Schmitz. Jetzt herrscht hier Winterruhe; die Kanus lagern ordentlich am Ufer. Ob sie nächstes Jahr unter einem neuen Badbetreiber zu Wasser gelassen werden, ist ungewiss.

Früher hätte es auch strengere Winter als jetzt gegeben. "In den 20er, 30er Jahren waren die Werderwiesen immer überschwemmt und gaben im Winter eine herrliche Eisbahn ab", erinnerte sich Werner Ahrends. "Beliebt waren die Eiskonzerte mit der Kapelle Ebruy und dem anschließenden ,Kutte laufen\', wobei die Musiker auch mal einbrachen und sich nasse Beine holten."

Dass die Schwiegermutterbrücke gebaut worden sei, um der Schwiegermutter eines Osterburger Bürgermeisters den Weg in die Stadt abzukürzen, ist eine Legende. "Vielmehr", so Schmitz, "war die Brücke 1932 auf Drängen des Schwimmvereins gebaut worden, um den Mitgliedern eine kürzere Verbindung von der Stadt zum Bad auf dem Fuchsbau zu ermöglichen." Diese Brücke hielt bis 1987. Deren Nachfolgerin, ebenfalls eine Holzkonstruktion, baute die ZBO Osterburg und legte sie mit polnischer technischer Unterstützung über den Fluss. Die jetzige Biesequerung ist aus Stahl und wird hoffentlich eine Weile halten. Über eine neue Schwiegervaterbrücke wird noch diskutiert.

Ein schmuckes Einfamilienhaus in der Wiesenstraße ließ Werner Ahrends noch einmal in die Kriegsjahre zurückblicken. "Wo dieses Haus steht, ging eine Luftmine runter, Gott sei Dank als Blindgänger. Wäre sie explodiert, dürfte wohl von Osterburg nicht mehr viel übrig geblieben sein."

Bevor man sich dann am Grünkohl mit Kasselerbraten, Kohlwurst und Klößen oder Kartoffeln gütlich tat, hatte Plattschnackerin Helga Albert noch ein der Jahreszeit angemessenes Gedicht parat.