Immobilienmarkt in der Altmark Altmarkkreis Salzwedel: Leer gefegter Häusermarkt
Günstige Kredite, Strafzinsen auf Guthaben, explodierte Preise bei Immobilien in den Städten sowie Corona lassen die Nachfrage nach Häusern im Altmarkkreis Salzwedel steigen.

Salzwedel - Wer derzeit in und um Salzwedel ein Haus oder eine Eigentumswohnung kaufen will, braucht ein gefülltes Konto und Entscheidungsfreude. „Legen Sie mir bitte bis morgen früh die Finanzierungszusage Ihrer Bank und alle sonstigen Unterlagen vor. Danach ist es zu spät, denn schon morgen wird das Haus verkauft sein.“ Diesen Satz hörte mit Erstaunen eine Immobilieninteressentin in der vergangenen Woche von einer Maklerin, nachdem beide gemeinsam am frühen Abend ein älteres Haus in einem Dorf zwischen Salzwedel und Arendsee besichtigt hatten. Das Haus wies trotz eines Kaufpreises von knapp 200.000 Euro noch eine Menge Sanierungsbedarf auf, der Garten war stark verwildert und zugewachsen. Dennoch hatte es am nächsten Tag tatsächlich Käufer gefunden, wie eine Nachfrage der Volksstimme bei der Maklerin ergab.
Bei anderen Immobilienmaklern der Region zeigt sich ein ähnliches Bild. „ Ein durchschnittliches Einfamilienhaus in Salzwedel geht derzeit innerhalb von 14 Tagen oder maximal einem Monat weg“, berichtet etwa Immobilienunternehmer Holger Robra. Auf den Dörfern könne es gelegentlich ein bisschen länger dauern, aber nicht viel. „In den vergangenen zwei Jahren konnten wir auch für Immobilien Käufer finden, die wir früher schwer losgeworden wären“, sagt er. Es herrsche auf dem hiesigen Immobilienmarkt eine „massive Nachfrage“.
Niedrige Zinsen, Corona und sichere Jobs
Angetrieben wird das große Interesse an Immobilien im Altmarkkreis Salzwedel offenbar durch verschiedene Faktoren, die zusammenwirken. „Die niedrigen Zinsen spielen eine Rolle. Dadurch ist der Hauskauf derzeit vergleichsweise günstig“, analysiert Dr. Bernd Tegtmeyer von der VR Plus Bank Altmark-Wendland. „Es ist mehr Geld im Markt und gleichzeitig sind andere sichere und halbwegs lukrative Anlagen kaum vorhanden“, ergänzt Tegtmeyer. Die Immobilie sei deshalb derzeit als Geldanlage interessant. „Wir haben rund 90 Prozent Kapitalanleger“, bestätigt auch Mario Michaelis von Dreyer Immobilien diesen Trend. „Die Coronakrise hat die Sorgen der Leute um ihr Geld noch einmal verstärkt. Schon zuvor herrschte Unsicherheit wegen der Strafzinsen auf der Bank. Momentan kommt es den Käufern oft auf 10.000 Euro nicht an“, hat Michaelis beobachtet. Sein Unternehmen verzeichne derzeit eine hohe Nachfrage nach Eigentumswohnungen in Salzwedel, aber auch nach Resthöfen im Umland. „Die Leute rufen aus Hamburg, Berlin und Hannover an, wo Immobilien kaum noch zu bezahlen sind. Sie versuchen jetzt, auf preiswerte Immobilien in strukturschwachen Gebieten auszuweichen.“ Ein Bauboom setze hier dennoch nicht ein, da sich das für Investoren nicht rechne, wenn ein Grundstück pro Quadratmeter schon 50 Euro koste, dazu noch Baukosten von 2000 bis 2500 Euro pro Quadratmeter für das Haus hinzukämen. Außerdem gebe es zu wenig Baugrundstücke.
Sehnsucht nach Garten und Hühnern
Eine weitere wichtige Rolle spielt offenbar die Erfahrung des Lockdowns: „Die Großstädter haben durch Corona gelernt, dass ein ländliches Umfeld in der Krise mehr Platz bietet und wie wichtig es sein kann, nicht in einer Wohnung eingesperrt zu sein. Viele haben eine Sehnsucht nach Garten und Hühnern“ , hat Michaelis beobachtet. Häufig seien Käufer von selbst genutzten Immobilien über 50 Jahre alt. Aber auch die Jüngeren kaufen. „Die jungen Leute haben heute keine Angst mehr um den Arbeitsplatz und fühlen sich deshalb finanziell dafür ausreichend abgesichert“, sagt Holger Robra. In den 90er Jahren sei das noch anders gewesen. Die meisten jüngeren Käufer seien von hier, es gebe aber auch Zuzug aus den Großstädten. Diese Klientel komme aus Berufen, die Homeoffice ermöglichen und lege demzufolge Wert auf einen leistungsfähigen Internetanschluss und Mobilfunkabdeckung. „Wenn in einem Haus ein Funkloch ist, kann das die Leute durchaus vom Kauf abhalten“, so die Erfahrung von Holger Robra.
Die große Nachfrage nach Immobilien führt inzwischen auch zu einem Anstieg der Einwohnerzahlen in der Region. „2020 sind mehr Menschen in den Altmarkkreis Salzwedel gezogen als weggezogen“ teilt Kreispressesprecherin Birgit Eurich mit. In der Stadt Salzwedel hingegen ergibt sich ein anderes Bild. Dort gab es Stadtsprecher Andreas Köhler zufolge im ersten Halbjahr 2021 nur 436 Zuzüge, während es im ersten Halbjahr 2020 noch 458 gewesen waren.