Artenschutz Die Wächter der Burg

Sein Ruf unverkennbar, die Erscheinung imposant und der Flug geräuschlos. In Salzwedel hat sich die größte Eulenart, der Uhu, angesiedelt.

Von Alexander Rekow 16.10.2018, 01:01

Salzwedel l Wenn die Dämmerung einsetzt, ist er zu hören. Die Rufe des Uhus durchdringen regelmäßig das historische Areal der einstigen Burganlage in Salzwedel. Das bleibt nicht unbemerkt. Anwohner und Spaziergänger spekulieren. Ist es tatsächlich die größte aller heimischen Eulen, die sich das markante Zentrum der Stadt als Domizil gewählt hat?

Einer, der das Tier zu sehen bekommen hat, ist Jens Olaf Schawe. „Mich rief morgens gegen halb acht eine besorgte Mutter an“, erinnert er sich. Das war in diesem Jahr. „Ihre Tochter und deren Freundin haben auf dem Weg zur Schule im Burggarten eine große Eule gesehen“, sagt Schawe. Der Tierparkchef war zwar nicht im Dienst, fuhr aber aus Interesse zum besagten Ort. „Eine Eule im Burggarten?“ Das wollte er mit eigenen Augen sehen. Und tatsächlich, „am Kriegerdenkmal saß ein junger Uhu“. Schnell zückte Schawe sein Handy, hielt den Moment fest. „Ich gehe davon aus, dass im Burggarten gebrütet wurde“, erzählt er erfreut. Das verrieten ihm Größe und Federkleid. Jens Olaf Schawe glaubt, dass die Alttiere im Burgturm ihr Nest haben. „Die Tiere bleiben ihrem Horst für gewöhnlich treu“, sagt Schawe. Daher hat er Hoffnung, auch im kommenden Jahr Jungvögel zu sehen. Auch für die Salzwedeler Bevölkerung sieht er einen Vorteil durch den imposanten Jahresvogel. „Im Goethepark gibt es Ärger mit Krähen. Auch Ratten gibt es in der Stadt – beide gehören zum Beutespektrum des Uhus“, weiß Schawe. Das bestätigen auch Anwohner der Holzmarktstraße. Denn seit der Uhu von ihren Dächern ruft, seien keine Ratten mehr zu sehen. Nicht nur deshalb würden sich einige freuen, dass die Eule dauerhaft in der Stadt lebt.

Dass der Uhu in Salzwedel heimisch ist, wundert den Ornithologen Olaf Olejnik vom BUND nicht. Schon vor Jahren seien Uhus in Salzwedel beobachtet worden. Jetzt hat sich ein Paar zusammengefunden und erstmals in der Stadt gebrütet. Eine Sensation sei das nicht, denn es gebe auch in anderen Städten, wie beispielsweise Hildesheim oder Lüneburg erfolgreiche Bruten, meist auf Bauwerken. Schon im Mittelalter hätten sich die Eulen, damals meist auf den großen Kirchen, angesiedelt. Im 18. und 19. Jahrhundert sind die Uhus fast ausgerottet worden. Jäger sahen sie als Konkurrenten, weil die Vögel auch Hasen und anderes Niederwild jagen.

In Salzwedel seien es vermutlich in erster Linie verwilderte Tauben, Ratten und auch Igel, die den Uhus als Nahrung dienen, schätzt er ein. Mit seinen scharfen Dolchkrallen sei der Uhu als einziges Tier in Lage, das Stachelkleid zu durchdringen und Igel als Beute zu schlagen. Einige ausgehöhlte Igel wurden schon im Stadtgebiet gesehen.

Er geht davon aus, dass das Uhu-Paar sich in Salzwedel wohl fühlt. Wichtig seien ein sicherer Platz zum Brüten und ausreichend Nahrung. Beides sei in der Stadt und vorhanden. Der Burggarten wird zudem am Abend verschlossen.

Ab den 1970er Jahren hatte es in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein Auswilderungen gezüchteter Uhus gegeben. Viele dieser Vögel haben sich etablieren können. Allein für das nördlichste Bundesland wird der Bestand auf 400 bis 500 Brutpaare geschätzt. Deshalb seien die einst bedrohten größten Eulen wieder recht weit verbreitet. In der Altmark und dem Wendland sind sie allerdings noch nicht ganz so häufig. Auf dem Heidberg bei Siedenlangenbeck oder in der Kieskuhle bei Clenze wurden Bruten nachgewiesen. Städte hätten Potenzial als Lebensraum. So auch für den Wanderfalken, der inzwischen auch Bauwerke als Nistplätze nutzt.

Nicht ganz so gut geht es allerdings den kleineren Eulenarten, die ebenfalls in Salzwedel vorkommen. So dem Steinkauz, der kaum noch in den Orten anzutreffen ist, oder auch der Schleiereule, die in den harten Wintern 2009/2010 und 2012/2013 unter langen Schneeperioden gelitten hat. Davon konnte sich die Population bislang nicht erholen, wie der Ornithologe berichtet.

Etwas häufiger ist der Waldkauz und mit etwas Glück sind auch Waldohreulen auf ihren Schlafplätzen in Kiefernwäldern der Umgebung zu beobachten. Weitere Arten, die in der Region vorkommen können, sind der Raufußkauz und der Sperlingskauz. Sie sind in den 1980er/1990er Jahren eingewandert und bevorzugen Spechthöhlen zum Brüten, erklärt der Ornithologe. Dass die Brut der Uhus nicht öffentlich publik gemacht wurde, habe einen guten Grund. Darauf sei sich mit der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises geeinigt worden, um die Jungvögel zu schützen. Nicht selten komme es vor, dass Leute die Vögel stehlen, um sie selbst aufzuziehen und die imposanten Tiere in Volieren zu halten.

Einen Uhu hat übrigens auch Ralf Knapp, Revierförster aus Ferchau und Kreisnaturschutzbeauftragter (Foto). Nur bewegt sich sein Exemplar nicht. „Der Uhu ist in Beetzendorf durch einen Lüftungsschacht einer Werkhalle geflogen – vermutlich hat er die Bewegung des Lüfters als Beutetier ausgemacht und kam um“, erklärt er. Seit jeher nutzt er den ausgestopften Vogel als Anschauungsobjekt für Schulgruppen, um Kindern die Eulenart zu veranschaulichen.

Auch der Kreisnaturschutzbeauftrage verfolgt Berichte über Sichtungen des Uhus und seiner Gelege seit vielen Jahren. Er kann sich noch gut daran erinnern, als Anfang der 1990er Jahre Uhus vom Nabu-Artenschutzzentrum in Leiferde im Kreis Gifhorn ausgewildert werden sollten. Gesucht wurde ein Bereich, der zehn Kilometer von unberührter Natur geprägt ist. „Das ist selbst in der Altmark schwierig“, sagt er. Trotzdem, die Naturschützer wurden fündig. Sowohl die Landgraben-Dumme-Niederung als auch der Bereich um Schmölau in der Gemeinde Dähre im Altmarkkreis wurden als geeignet ausgewählt. „Von einen Tag auf den anderen sind sie mit acht Uhus gekommen – vier in jedem Bereich. Wobei die Tiere bei Schmölau wieder eingefangen wurden, sie suchten direkt in den Ortschaften Nahrung, bettelten förmlich. Die anderen hingegen wurden später noch im Bereich Seebenau gesehen. Im Bereich Leetze fand der Revierförster sogar getötete und gerupfte Bussarde. „Da muss ein harter Kampf stattgefunden haben.“ An den Kampfspuren konnte Ralf Knapp erkennen, dass hier kein Fuchs am Werk war. Vielmehr spricht die Rupfung für einen Uhu. Die Leibspeise der Vögel bleiben aber Kaninchen, erklärt der Naturschutzbeauftragte.

In der Stadt selbst, sagt Ralf Knapp, stehen Igel, Ratten, Nutrias, kleine Waschbären oder sogar Katzen auf der Speisekarte. Als klassisches Brutgebiet nennt er Steinbrüche und Felsstürze. Demnach sei der Burgturm in Salzwedel ein geeignetes Domizil. „Der Uhu ist wieder weiter verbreitet als wir glauben.“