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Berufsschule Von wilden Zeiten zur Stabilität

Peter Lahmann ist mit der Salzwedeler Berufsschule verbunden wie kein Zweiter. Am Freitag wird er in den Ruhestand verabschiedet.

Von Antje Mewes 28.06.2018, 16:30

Salzwedel l Sein Studium beendete Peter Lahmann als Diplomingenieur für Landtechnik. „Ich hatte aber immer Interesse an pädagogischer Arbeit“, erzählt er im Gespräch mit der Volksstimme. Er bewarb sich, wurde Berufsschullehrer, bildete sich weiter und unterrichtete Schlosser, Maschinenbauer, Landtechniker an der Kreis-Berufsschule Salzwedel. „Sogar Bäckereitechnik war dabei“, erinnert er sich. Damals ahnte der junge Lehrer nicht, welche turbulenten Zeiten auf ihn warteten.

Ein politischer Umbruch stand bevor. Peter Lahmann gehörte zum Lager jener, die etwas verändern wollten. Er schloss sich den Demonstrationen an, arbeitete im Neuen Forum mit und saß 1990 mit am runden Tisch für Bildung. Schon damals wurde gefordert, den an der alten Berufsschule begonnenen Anbau zu stoppen. „Und der Rat des Kreises hat unsere Empfehlung sogar angenommen“, berichtet er heute noch verwundert. Damals engagierte sich Peter Lahmann nicht nur politisch. Er war gewerkschaftlich aktiv und von 1990 bis 1994 Vorsitzender des neu gegründeten Kreisverbandes der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). 1991 wurde er beauftragt, die BBS zu leiten. Und damit begann „eine wilde Zeit“, wie er es nennt. Nicht nur, dass es viele Außenstellen und Umbesetzungen in der Lehrerschaft gab, mit denen er sich ausein-andersetzen musste. Galt es doch auch, ein völlig neues System aufzubauen. Die duale Ausbildung glich zu DDR-Zeiten der im Westen. Doch die Vollzeitausbildung gab es nicht. Es mussten Bildungsgänge und Werkstätten dafür eingerichtet werden. „Eine große Herausforderung“, sagt er rückblickend.

Nach Besuchen in Niedersachsen mit dem Kreistag, in dem er seit 1991 für das Neue Forum saß, war klar: Ein Berufsschulneubau muss her. Unterstützung gab es von vielen Seiten. Sogar in der Form, dass eine Förderung der Siemensstiftung abgelehnt wurde. „Die wollten uns so einen Indu- striebaukasten hinstellen“, erinnert sich der Schulleiter. Zu dem Zeitpunkt hatte sich eine Delegation des Kreistages in Gifhorn die Berufsschule angeschaut. Und nach deren Vorbild mit Entwürfen eines Architekten und nach Tipps zur Raumgestaltung von den Kollegen aus dem Nachbarbundesland begann schließlich der Neubau auf der grünen Wiese am Stadtrand Salzwedels. Mit nur wenig Förderung und viel Einsatz des damaligen Kreises Salzwedel.

„Das war eine super Entscheidung, darüber bin ich heute noch glücklich“, betont Lahmann, der 1993/94 an der Gestaltung des Neubaus intensiv mitgewirkt hat. Besonders stolz ist er dabei auf die großzügigen und gut ausgestatteten Werkstätten für die verschiedenen Lehrberufe – vom Bau über KfZ-Technik bis hin zur Landwirtschaft. Fazit: „Es ist schon eine super Schule und ein gelungener Bau.“ Dennoch konnten nicht alle Schüler dort unterrichtet werden. Waren es doch 1999/2000 sogar 3000 Schüler und 120 Lehrer. Also gab es in vielen Orten wie Arendsee, Klötze und auch in Salzwedel Außenstellen mit dem entsprechenden logistischen Aufwand.

In der Nachwendezeit kam eine weitere Aufgabe hinzu. Aus Niedersachsen war bekannt, dass Schulen Fördervereine haben. Also wurde für die Salzwedeler BBS der Verein für berufliche Bildung (VfB)gegründet. Gleichzeitig übernahmen es freie Träger, sozial benachteiligten jungen Leuten oder Schülern ohne Abschluss Chancen auf einen Berufsabschluss zu ermöglichen. Auch der VfB stieg mit ein. Bis heute ist Peter Lahmann dessen Vorstandsvorsitzender.

Auch wenn die „wilden Zeiten“ stressig und aufreibend waren, will der scheidende Schulleiter sie nicht missen. „Es waren die schönsten in meinem Berufsleben“, sagt er unumwunden. Und erinnert sich auch an die Kämpfe, die er ausgefochten hat. So gab es nur eine Berufsschule in der Westaltmark, aber drei Kreise als Träger. Als im Kreis Gardelegen Fördergeld für die Berufsschule in Bürotechnik für die Verwaltung umgeleitet wurde, schritt er ein und machte sich damit nicht nur Freunde.

Als einen Tiefpunkt in seiner Laufbahn als Schulleiter bezeichnet er den Zeitraum zwischen 2008 und 2012, als bei sinkenden Schülerzahlen viele Bildungsgänge nach Stendal oder Magdeburg verlegt wurden. Der Standort Salzwedel sei damals vom Landesschulamt extrem benachteiligt worden. Lobbyismus und die Spielregeln der Bundesarbeitsagentur hätten mit dazu geführt.

Inzwischen hat ein Umdenken zugunsten der Berufsschulen „in Randlagen“ eingesetzt. Sein Team mit Unterstützung des Kreises hat gegengesteuert. „Mit der neuen Berufsfachschule Altenpflege und der sozialpädagogischen Fachschule zum Erzieher übergebe ich ein gut bestelltes Feld“, ist er sich sicher. Beide Berufe seien nachgefragt, die Bildungsgänge stark frequentiert. Die Schülerzahlen sind seit Jahren bei gut 1000 stabil.

Was wünscht er seiner Schule für die Zukunft? „Dass es so stabil bleibt und sie sich auch künftig den neuesten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen anpassen kann.“ Zudem sollten sich mehr Schüler darauf besinnen, dass sie mit einer handwerklichen Ausbildung alles erreichen können. „Meistertitel, Unternehmer sein, Studium, alles ist möglich“, so der Schulleiter.

Seinen eingeschlagenen Berufsweg bereut er nicht. „Es hat mir immer Spaß gemacht, junge Leute zu erziehen und zu bilden. Sie sind das Kostbarste, das wir haben. Wir sollten ihnen beste Bedingungen schaffen.“ Dabei setzt er auf Vertrauen. Die Lehrer sollten für die Lehrlinge Ansprechpartner sein, wenn sie Sorgen haben oder es mal Probleme im Betrieb gibt, so sein Credo. Bis zum 30. Juli ist er noch an der Schule. Dann geht es zum Folkfestival nach Rudolstadt und in den Urlaub. Haus, Grundstück und Familie stehen auf dem Programm. Der Vorsitz im VfB, das politische und gesellschaftliche Engagement sorgen dafür, dass die „wilden Zeiten“ nicht ganz in Vergessenheit geraten.