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Coronavirus Ist das eigentlich noch angemessen?

Aktuell gibt es nur eine Corona-Infektion im Altmarkkreis Salzwedel. Sind Auflagen wie Abstand oder Mundschutz tragen noch angemessen?

Von Alexander Rekow 23.05.2020, 03:00

Salzwedel l Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie kam das öffentliche Leben zum Stillstand. Mittlerweile sind unter Auflagen die Restaurants wieder geöffnet. Der Einzelhandel verkauft wieder. Spielplätze dürfen genutzt werden. Doch von Normalität kann keine Rede sein. Die Kultur liegt noch auf Eis. In den Schulen sind nur ein Teil der Schüler. Und mehr als fünf Personen dürfen sich nicht treffen. Aber ergibt das alles noch Sinn vor dem Hintergrund, dass aktuell im Kreis nur ein Mensch positiv auf das Virus getestet ist? Die Volksstimme fragte nach.

„Es ist nicht nur für uns, sondern für alle eine schwierige Situation“, sagt Marian Stütz, Chef des Salzwedeler Clubs Hanseat. Noch immer findet keine Veranstaltung in seinen Räumlichkeiten statt. Trotzdem: „Ich finde die derzeitigen Regelungen angemessen.“ Auch wenn er und sein Club unmittelbar betroffen sind: „Wichtig ist, dass die Gesellschaft heile durch die Pandemie kommt.“ Daher stehe für ihn und sein Team die Gesundheit aller an erster Stelle.

Derzeit nutze das Hanseat-Team die unfreiwillig gewonnene Zeit für Schönheitsarbeiten. Auch würden zurzeit Ausweichtermine für bereits ausgefallene Konzerte gesucht. „Wir gehen davon aus, dass wir im September wieder öffnen“, so Martin Stütz.

„Die Beschränkungen halte ich für in Ordnung. Das ist Vorsorge und in unserem Sinne“, ist Künstler Hans Molzberger aus Hilmsen überzeugt. Es würde nicht so wenig Infizierte im Altmarkkreis Salzwedel geben, wenn das vorgeschriebene Handeln ignoriert würde. „Natürlich leidet die Kunst unter der weltweiten Pandemie. Aber es gibt Mittel und Wege, wie sich damit umgehen lässt“, sagt er.

So bereite er derzeit die Ausstellung „Covid-19-Tagebuch“ vor, die am 6. August in der Salzwedeler Mönchskirche eröffnet werden solle. Dabei kooperiere er mit internationalen Künstlern, die aufgrund des Virus‘ die Altmark nicht besuchen und hier arbeiten könnten. „Aber sie werden mir ihre Werke digital schicken, die während und aufgrund von Corona entstanden sind. Diese wollen wir präsentieren“, erklärt Hans Molzberger.

Auch beim Sport zeigt man für die Regelungen der Verordnung volles Verständnis. „Wir wollen kein Risiko eingehen“, sagt Katrin Pfannenschmidt, Vorsitzende des SV Eintracht Salzwedel. Auch wenn die Trainer gern wieder spielen lassen würden, seien sie sich der Gefahr durch die Pandemie bewusst und steckten zurück. Unterdessen werde bei Eintracht Salzwedel überlegt, wie die Hygienevorschriften in Zukunft angegangen werden könnten. „Das Thema wird uns wohl noch weiter beschäftigen“, ist sich Katrin Pfannenschmidt sicher. Daher hangele sich der Verein am Konzept des Deutschen Fußballbundes (DFB) entlang und habe Bürgermeisterin Sabine Blümel bereits vorgelegt, wie im Falle der Wiederaufnahme des Sports die Regelungen eingehalten werden könnten. „Noch aber befinden wir uns in der Warteschleife“, so die Vorsitzende.

Auch Elke Bukowski, Mitarbeiterin im Mehrgenerationenhaus, hält die Regelungen für angemessen. „Das Virus verschwindet ja nicht einfach, das ist noch immer da.“ Sie ist gespannt, wie sich die Zahlen entwickeln, wenn Restaurants und Schulen wieder einige Wochen geöffnet haben. „Ich rechne fest mit einer zweiten Welle“, sagt sie. Derzeit werde im Haus der Generationen an einem Hygienekonzept gefeilt, verrät Elke Bukowski. Auch und gerade vor dem Hintergrund, dass in der Einrichtung des Sozialen Netzwerks für Weltoffenheit und Toleranz, kurz Sonet, ein täglicher Mittagstisch angeboten werde. Den würden viele Senioren nutzen. Hinzu kämen die Kinder, die sich auf ein Wiedersehen freuen und vermutlich nicht an Abstandsregeln denken würden. „Aber einzelne Hausaufgabenbetreuung kann ich mir vorstellen“, so Bukowski.

„Ich hielte eine zügige Rückkehr zur Normalität bei gleichzeitiger Weiterführung von Verboten von Veranstaltungen mit dichtem Gedränge für richtig“, sagt Dr. Ilja Karl, Facharzt für Allgemeinmedizin und ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes im Kreis. Zusätzliche Sicherheit wäre mit einem verantwortungsvollen und disziplinierten Verhalten der Bevölkerung möglich. Das habe allerdings nichts mit der Situation im Kreis zu tun, schätzt er ein: „Das Virus breitet sich hier zwar nicht so schnell aus, dürfte aber über die Kreisgrenzen nicht im Bilde sein.“

„Die Lockerungen sind überfällig“, sagt hingegen Heike Herrmann, Leiterin der Lessing-Ganztagsschule in Salzwedel. Sie denkt dabei vor allem an die Familien. Für sie sei es „ganz ganz wichtig“, dass die Kinderbetreuung wieder losgehe. Und die Grundschulen nachziehen. Dabei sei klar, dass nicht alle Jungen und Mädchen auf einmal wieder zum Unterricht gehen könnten. „Aber nach und nach und mit Augenmaß“, schätzt sie ein. Es seien Konzepte erarbeitet worden, nach denen nun gehandelt werde. Dass die weiterführenden Schulen vermutlich als letzte zum Normalbetrieb zurückkehren können, ist für sie okay. Aus ihrer Sicht müssen die Lockerungen schon regional differenziert betrachtet werden. Sonst werde die dünne Besiedlung der Altmark als Nachteil empfunden. Nun wandle sie sich in der Corona-Krise zu einem Vorteil.

Das sieht auch Jost Fischer von der Salzwedeler Werbegemeinschaft so. Er hält aber Vorsicht weiter für angeraten und dass alle gesetzlichen Maßnahmen eingehalten werden. „Wir wollen auf gar keinen Fall noch einmal in den Zustand versetzt werden, dass der Einzelhandel quasi tot ist“, betont er. Momentan sei es schwierig, den Überblick zu behalten, so schnell wie Erlasse überarbeitet würden. Vor allem für die Gastronomen. Und das Erfassen der persönlichen Angaben beim Restaurantbesuch sieht er vor dem Hintergrund des Datenschutzes als Herausforderung an. Zudem gebe es Ungereimtheiten. Eine Familienfeier darf 20 Gäste haben, Hochzeiten und Beerdigungen 100. Das verstünden viele nicht. Auch wenn es sicherlich darum gehe, alles nicht ausufern zu lassen. „Wir werden die Zeit nicht wieder aufholen, müssen aber das Beste daraus machen“, sagt Fischer.