Ein gehbehinderter Salzwedeler hätte fast nicht wählen können, weil er nicht in sein Wahllokal im Gymnasium kam "Das war eine Diskriminierung Behinderter"
Salzwedel l Eigentlich wollte Uwe Bastian am Sonntag nur wählen gehen. Doch an diesem Vorhaben wäre der gehbehinderte Salzwedeler fast gescheitert: Denn mit seinem Rollator kam der 63-Jährige die Treppen in sein Wahllokal im Jahngymnasium nicht hinauf. Auf Hilfe wartete er lange vergeblich.
Zumindest theoretisch hatte die Wahlleitung wohl bedacht, dass auch behinderte Bürger zur Wahl kommen könnten, erzählt Bastian am Dienstagnachmittag. Denn vor der Tür der Schule habe ein Zettel mit der Nachricht gehangen, dass Bürger, die das Lokal nicht aus eigener Kraft erreichen, sich im Zimmer 11 melden sollen. Zudem gebe es einen Lift an der Außenseite der Schule, mit dem Gehbehinderte eigentlich problemlos in höher gelegene Stockwerke gelangen sollten.
Doch weder das Zimmer noch der Lift seien für ihn erreichbar gewesen, erzählt der Rentner. Eine ganze Weile habe er zunächst draußen gestanden und sogar hineingerufen, man möge ihm helfen. Als dann tatsächlich Leute aus dem Lokal kamen, die er persönlich um Unterstützung bitten konnte, hätten die nur mit den Achseln gezuckt. "Ich wollte schon wieder gehen", sagt Bastian. "Da kam dann plötzlich doch eine Frau aus dem Gebäude und hat mir endlich geholfen." Eben diese Frau, die offenbar ehrenamtliche Helferin im Wahllokal war, habe ihm dann auch erzählt, dass am Wahltag eigentlich eine Person zur Bedienung des Lifts für Gehbehinderte vorgesehen war.
"Der hatte keine Lust, der hat sich abgemeldet."
"Der hat sich aber abgemeldet, der hatte keine Lust", habe die Frau gesagt.
Auch wenn er selbst am Ende doch noch wählen konnte, ist Uwe Bastian am Dienstag immer noch fassungslos über die Bedingungen in seinem Wahllokal. "Das war eine Diskriminierung Behinderter", sagt er. Dass er so lange ohne jegliche Hilfe vor der Tür stehen musste, sei eine Frechheit. Bastian glaubt, dass wegen des fehlenden barrierefreien Zugangs etliche Wähler umgekehrt sein könnten, ohne ihr Kreuz gesetzt zu haben. "Dabei hat das Wahlergebnis doch gezeigt, dass jede Stimme zählt."
Gemeindewahlleiter Matthias Holz erklärte gestern auf Nachfrage, vom Fehlen eines Helfers im Wahllokal am Jahngymnasium sei ihm nichts bekannt. Der Wahlvorstand habe erklärt, die Wahl ordnungsgemäß abgesichert zu haben. Auch davon, dass Bürger wegen fehlender Barrierefreiheit nicht wählen konnten, wisse er nichts, sagte Holz.
Norbert Block, Behindertenbeauftragter Salzwedels, sagte er habe ebenfalls von keinem Fall gehört, in dem Wähler wegen fehlender Barrierefreiheit nicht wählen konnten. Der übliche Weg für Behinderte sei zudem die Briefwahl. Im Fall von Uwe Bastian wäre es Aufgabe der Bürger, die aus dem Lokal kamen, gewesen, dem Rentner zu helfen.
Ob neben Uwe Bastian noch weitere Stimmberechtigte nur unter erschwerten Bedingungen oder gar nicht wählen konnten, ist also offen. Sollten aber tatsächlich mehrere Behinderte von der Wahl abgehalten worden sein, dürfte das den Befürwortern einer Überprüfung der Wahl zusätzliche Argumente verschaffen.