1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Salzwedel
  6. >
  7. ... dass nichts bleibt wie es war...

Abschied ... dass nichts bleibt wie es war...

Hannes Wader begeistert 550 Besucher mit seiner Abschiedstour "Macht's gut!" im Kulturhaus Salzwedel.

Von Arno Zähringer 24.11.2017, 20:00

Salzwedel l Nein, im Rampenlicht stand er nie gerne, drängte sich nicht nach vorne. Im Gegensatz zu anderen Kollegen. Aber nun, auf seiner Abschiedstournee, kann er sich den Huldigungen seiner Fans nicht entziehen. „Danke Für Alles“ war da auf einem Plakat zu lesen, das ausdrückte, wie gut es ist, dass sich Menschen engagieren – beispielsweise als sozialkritischer Chansonnier: Hannes Wader, inzwischen 75, tritt von der großen Bühne ab, das Alter fordert offensichtlich seinen Tribut.

„Bis zum nächsten Mal in Salzwedel, hätte ich normalerweise an dieser Stelle gesagt. Doch jetzt sage ich: Macht‘s gut.“ Hannes Wader hat sich entschlossen, mit seinem Tour- neeleben aufzuhören. So endet der offizielle Teil des Konzerts im mit 550 Besuchern pickepacke vollen Kulturhaus. Die Karten für seinen fünftletzten Bühnenauftritt waren ruckzuck weg. Und nach fast zwei Stunden gibt es noch zwei Zugaben: „Schon so lang“ und „Sag mir, wo die Blumen sind“, das Wader gemeinsam mit dem Publikum singt. Vorsichtshalber wird das Hallenlicht dabei eingeschaltet, weil die begeisterten Menschen vermutlich noch eine dritte, vierte, fünfte Zugabe gefordert hätten.

Mehrmals sorgt Wader für Gänsehaut und nicht wenigen Besuchern rollt die eine oder andere Träne über die Wangen. Zum einen glücklich über ein – wie nicht anders zu erwarten war – begeisterndes Konzert, zum anderen aber auch in dem Wissen, dass Wader nicht mehr nach Salzwedel kommen wird. Zumindest nicht als Sänger.

Deshalb ist das Publikum während des kompletten Konzerts fast mucksmäuschenstill. Viele würden gerne mitsingen, trauen sich aber vor Ehrfurcht nicht – höchstens im Geiste, denn das Kulturhaus ist voll mit Wader-Leuten, die ihren Hannes und seine Lieder seit Jahrzehnten kennen, vieles, das er in seinen Kompositionen und Liedern beschreibt und erzählt, miterlebt haben. Und viele seiner Texte haben nichts an Aktualität eingebüßt. Im Gegenteil.

„Schön ist die Jugend“ will Wader nicht spielen, aber er zitiert aus dem Refrain: „Schön ist die Jugend, so sorglos und frei, gottseidank ist sie endlich vorbei.“ Der 75-Jährige steht zu seinem Alter, schließlich: „Ich habe inzwischen eine gewisse Erfahrung mit dem Älterwerden, das ist auch nicht so doll.“ Trotzdem will er nicht mehr jung sein, allerdings auch nicht viel älter. „Wenn es bliebe, wie es ist, wäre es schön.“ Ein Wunsch, dem allerdings der Satz aus dem Eröffnungslied „Heute hier, morgen dort“ entgegen steht: Dass nichts bleibt, dass nichts bleibt wie es war. „Ihr seht, ich könnte mich den ganzen Abend selbst zitieren. Und das werde ich“, ruft Wader seinen Fans zu, die nach jedem Lied applaudieren, dass die Hände rot werden.

Viel Brimborium hat der gebürtige Bielefelder noch nie gebraucht. Auch nicht in Salzwedel. Zwei Gitarren, ein Teleprompter, ein Glas Wasser sind alles, was der Westfale in dunkler Hose und grauem Hemd benötigt. In seinem musikalischen Gepäck hat er die Glanzstücke aus fünf Jahrzehnten. Beispielsweise „Begegnung“, sein zweites Lied, das von einer flüchtigen Begegnung mit einer Frau erzählt – poetisch, eindringlich berührend. Oder „Die Moorsoldaten“, entstanden 1933 im Konzentrationslager Börgermoor bei Papenburg. Wader erzählt, wie er dasLied gemeinsam mit Hans Lauter, dem letzten Moorsoldaten, der 2012 im Alter von 98 Jahren gestorben ist, gesungen hat. Auch „Das Bürgerlied“ lässt Emotionen frei werden, denn Waders sonore, meist klare Stimme, geht unter die Haut.

Aus seiner politischen Haltung macht Wader keinen Hehl. Er sympathisiert mit der Unterschicht, aus der er selbst komme, auch wenn er sein Geld in der „freien Wirtschaft mit Singen verdient“. Die Oberschicht lege sich einfach auf sie drauf, sonst wäre sie ja nicht die Ober, sondern eine Seiten- oder Nebenschicht.

Der inzwischen „überzeugte Hobbygärtner“ rechnet in „Ankes Bioladen“ mit grünen Essgewohnheiten ab: „Anke lächelt schmerzlich wie ein welkender Salat, der die Nichtigkeit des Seins an seinem eignen Leib erfahren hat.“ Poesie pur: Hannes, mach‘s gut, du fehlst jetzt schon.