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Vergessene Orte Der alte Schießstand der 93er

Im Wald bei Gerstedt trainierte die Wehrmacht für den Krieg.

Von Annemarie Fehse 08.07.2016, 13:07

Gerstedt l Es ist ein warmer Tag, die Vögel zwitschern und ab und an ist ein leises Knacken zu hören. Lutz Michelsen geht voran. Unter seinen schwarzen Gummistiefeln zerbrechen kleine Äste.

„Da drüben ist es“, sagt er und deutet in den Wald. Nach einigen Sekunden zeichnet es sich zwischen den Bäumen ab: Ein aus roten Backsteinen gemauerter Bogen mit festen Säulen an den Seiten. Der Schießplatz des 93. Infanterie-regiments Salzwedel. Genauer gesagt: das III. Bataillon.

Während des Zweiten Weltkriegs absolvierten die Soldaten im Gerstedter Wald ihre Schießübungen. Zu DDR-Zeiten trainierten dort die Kampfgruppen ihre Fertigkeiten an der Kalaschnikow und Panzerbüchse. Lange, von Gras bewachsene Wälle ziehen sich bis zu 400 Meter durch den Wald. Die Natur holt sich ihren Platz zurück.

„Das war schon vor zehn Jahren so“, berichtet Michelsen, der sich schon immer für die Schießanlage interessiert hat, „aber ich war schon lange nicht mehr hier.“ Trotzdem hat er den Weg zu den Restbeständen des einst großen Bauwerks sofort wieder gefunden.

Etwas weiter im Wald ragt der Hauptwall heraus. Ein Graffiti an der Außenwand des dazugehörigen Kugelfangs zeugt von vorigen Besuchern. „Eigentlich ist es schade, dass nur noch Reste der Anlage stehen“, sagt Lutz Michelsen. Nach dem Krieg wurde versucht, das Bauwerk zu sprengen.

Ganz geklappt hat das aber nicht. Eine teilweise gesprengte Säule liegt zwar zerschmettert am Boden, der Kugelfang mit seinen unzähligen Einschusslöchern steht aber noch immer mahnend im stillen Wald. Lutz Michelsen zeigt den Wall entlang auf die Stelle, von der aus vor etlichen Jahren mit Maschinenpistolen, Maschinengewehren und Karabinern geschossen wurde.

Da entdeckt er eine alte Pa-tronenhülse mit der Aufschrift „P154 S* 24 34“ ‑ S* steht für Messing, P154 ist der Name des Herstellers: Polte Armaturen- und Maschinenfabrik A.G. Werk Grünberg (heute Zielona Góra), Nordbahn, Schlesien; 24 oder 34 ist das Herstellungsjahr beziehungsweise die Produktnummer.

Wieder ist nur Vogelgezwitscher zu hören und der Kugelfang, der von innen schwarz angestrichen ist, wirkt auf einmal bedrohlich. „An den Säulen außen haben sich damals die Soldaten verewigt“, sagt Michelsen dann. Mit Bleistift hätten diese ihre Namen auf die gekalkte Wand geschrieben. Heute ist davon nichts mehr zu sehen.

Irgendwo im Wald ist eine Kettensäge zu hören. Wir sind nicht alleine. Als wir den geschichtsträchtigen Ort verlassen, sagt Lutz Michelsen: „Das hier ist für die Ewigkeit gebaut. Und auch wenn versucht wurde, es zu sprengen, verschwinden wird es doch nie.