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Altmärkische Unternehmen beteiligen sich an Stipendieninitiative, um Fachkräfte zu sichern "Eine harte Zeit, doch es ist unsere Chance"

Von Uta Elste 06.12.2011, 05:24

Künftige hochqualifizierte Fachkräfte mittels Stipendium frühzeitig ans Unternehmen binden - dieses Ziel verfolgt die Stipendieninitiative. Auch altmärkische Firmen beteiligen sich daran.

Tangermünde/Salzwedel/Magdeburg l Die Entwicklung der Krai-burg Relastec GmbH verläuft überaus positiv: Nach Investitionen in die Produktion soll im März kommenden Jahres ein neues Verwaltungsgebäude bezogen werden und die Mitarbeiterzahl auf 200 steigen. Dennoch schaut Geschäftsführer Georg Stockhammer beim Stichwort Fachkräftesituation besorgt in die Zukunft. "Es ist nicht leicht, bestimmte Stellen zu besetzen", stellt Stockhammer fest.

Vor allem in den Bereichen Bauwesen und Verfahrenstechnik suche die Kraiburg Relastec GmbH qualifizierte Mitarbeiter. Daher habe man sich an die Industrie- und Handelskammer (IHK) Magdeburg gewandt, die seit 2008 die vom Land Sachsen-Anhalt initiierte Stipendieninitiative koordiniert.

Das Prinzip: Firmen unterstützen Studenten während der Ausbildung, sowohl finanziell als auch immateriell, etwa mit Projektthemen und umfangreichen Praxiseinblicken. Nach Studienabschluss steht den Unternehmen ein qualifizierter Mitarbeiter zur Verfügung, der mit seinem Arbeitgeber bereits vertraut ist. "Primäres Ziel ist, die jungen Leuten in den einheimischen Unternehmen und damit in Sachsen-Anhalt zu halten", sagt Mathias Schönenberger, bei der IHK zuständig für die Initiative.

Die Kammer fungiere dabei als Vermittler. "Prinzipiell gibt es drei Möglichkeiten", erklärt Mathias Schönenberger, "das Komplettstipendium für Direktstudenten, das von Anfang bis Ende gezahlt wird, oder das Teilstipendium, wenn der Student einen Teil seiner Ausbildung bereits absolviert hat." Variante drei ist das Dualstipendium, das die Kombination aus Berufsausbildung und Studium fördert. Eine Variante, die auch Georg Stockhammer befürworten würde. "Aber es müsste schon der geeignete Kandidat sein, der auch zu uns passt", gibt er zu bedenken.

Da beim Hersteller von Fall- und Bautenschutz sowie Sportböden mehr als drei Viertel der Produktion für den Export bestimmt ist, müsse der Mitarbeiter der Zukunft eine offene und sprachgewandte Persönlichkeit sein, die auch gerne reise, beschreibt Stockhammer das Profil des Wunsch-Kandidaten. Unerheblich sei jedoch, ob es sich dabei um einen Mann oder eine Frau handele.

Jeder Interessent an einem Stipendium werde seitens der IHK während einer Bewerberberatung zielgerichtet vorbereitet, erklärt Mathias Schönenberger. Das schließe die Vorbereitung auf ein konkretes Unternehmen mit ein.

Weitere Einzelheiten wie beispielsweise der Umfang der Unterstützung oder der Studienort werden dann zwischen dem potenziellen Stipendiaten und dem jeweiligen Unternehmen selbst vereinbart.

Mathias Schönenberger verzeichnet steigenden Zuspruch für die Stipendieninitiative. "Wir hatten in diesem Jahr so viele Angebote wie noch nie." Die feierliche Übergabe der neuen Stipendien finde übrigens am Donnerstag statt.

Ein Unternehmen, das sich via Stipendium seine künftigen Mitarbeiter sichert, müsse sich vorab über die Form und Kosten der Betreuung im Klaren sein, so der Projektkoordinator. Für die Studenten wiederum stehe zwischen den Semestern die Praxis auf dem Programm. Und das duale Studium beinhalte immerhin gleich zwei vollwertige Abschlüsse. "Allerdings ist der organisatorische Aufwand sehr hoch", räumt Schönenberger ein.

Die meisten Stipendien werden im Bereich der Ingenieurwissenschaften vergeben, jedoch auch an künftige Chemiker und Biochemiker. Mathias Schönenberger ermutigt jedoch ausdrücklich auch Institutionen aus dem sozialen Bereich, sich an der Initiative zu beteiligen.

Georg Stockhammer hofft für die Kraiburg Relastec GmbH auf Interessenten in den nächsten Monaten. Minda Industrieanlagen in Tangermünde hat seit 2003 fünf jungen Menschen der Region den Weg zu einer dualen Ausbildung geebnet. Thomas Schulze aus Bittkau und Bastian Kröpelin aus Stendal gehören zu ihnen. In wenigen Wochen werden sie ihre Bachelorprüfung ablegen. "Wir haben einen sehr hohen Qualifizierungsbedarf für all unsere Fachabteilungen", sagt Ulrich Sandhof. Er ist Betriebsleiter der Firma Minda Industrieanlagen - ein Unternehmen, das sich als Systemanbieter auf dem Markt einen Namen gemacht hat. Sondermaschinen, Sondervorrichtungen und Fördertechnik werden hier nach Kundenwunsch entworfen, gefertigt und später beim Kunden aufgebaut und in Betrieb genommen. Um den Marktanforderungen gerecht zu werden, hat Sandhof bereits vor fast zehn Jahren damit begonnen, Fachkräfte für Minda selbst auszubilden. Sowohl für die mechanische als auch elektrische Konstruktion, die Arbeitsvorbereitung, Fertigung, Montage, Inbetriebnahme und Service braucht das Unternehmen motiviert und gut ausgebildete Männer und Frauen.

Thomas Schulze (25) und Bastian Kröpelin (23) hatten 2007 bei Minda mit ihrem Dualen Studium begonnen. Ihre Fachrichtung ist die Maschinenbaukonstruktion. An der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg absolvieren sie ihr Bachelor- und später Masterstudium. Inzwischen sind vier Jahre vergangen. Die beiden jungen Männer stehen kurz vor dem Bachelor-Abschluss. Die Hoffnung, mit der dualen Ausbildung schnell an qualifiziertes Personal zu gelangen, hat sich für Ulrich Sandhof nicht erfüllt. Erst nach fünf bis sieben Jahren haben die jungen Menschen, die diesen Weg einschlagen, ihren Abschluss in der Tasche. Das liegt nicht etwa daran, dass sie langsamer sind, als ihre Kommilitonen, schlechter begreifen. "Lehr- und Studienpläne passen einfach nicht zusammen", weiß Sandhof heute. Um Wissenslücken zu schließen, Prüfungsvoraussetzungen zu schaffen, betreibt Minda beispielsweise einen Mehraufwand, schickt ihre Studenten zusätzlich zu einer IHK-Prüfung. Bestehen sie diese, haben sie einen Facharbeiter in der Tasche und zugleich die Zulassungsvoraussetzungen für den Bachelor. Schlagen sich Thomas Schulze und Bastian Kröpelin mit Erfolg durch die IHK-Prüfung, sind sie schon einem Konstruktionsmechaniker ebenbürtig. Wenige Tage später treten sie in Magdeburg zur Prüfung an.

2015, das weiß Ulrich Sandhof heute, werden die letzten der derzeitigen dualen Studenten des Unternehmens ihren Abschluss in der Tasche haben. Bereits heute steht fest: "Eine solche Ausbildung kostet Minda etwa 45 000 Euro. Wir erhoffen uns allerdings, dass sie schnell fit sind für die Firma." Auch heute, vier Jahre nach dem Start ihrer Ausbildung, sind die beiden Studenten mit ihrer Entscheidung glücklich. "Es ist eine harte Zeit, doch es ist unsere Chance", sagte Thomas Schulze. Denn Fakt ist: Bummeln ist während der Ausbildung nicht möglich. Monateweise wechselt Studium und Ausbildung bei Minda. Stehen Prüfungen an, "dann müssen auch schon mal freie Tage und Urlaub für das Lernen geopfert werden", fügt Ulrich Sandhof hinzu.

Insgesamt hat der Tangermünder Industriebetrieb seit 1994 37 Ausbildungsplätze geschaffen. Zwei Absolventen wurden Jahrgangsbeste im Ausbildungsberuf Mechatroniker. Neben den fünf Dual-Studiengängen ermöglichte Minda in der Vergangenheit weitere sechs Technikerstudienplätze.

In diesem Jahr stellte das mittelständische Unternehmen erstmals keinen Lehrling ein. Lediglich zehn Interessenten hatten sich beworben. Geeignete Bewerber waren nicht dabei. In den vergangenen Jahren hatte es jährlich etwa 200 Bewerber auf die zur Verfügung gestellten Lehrstellen gegeben. Diese Zeiten scheinen vorüber zu sein. Für Ulrich Sandhof steht fest: "Trotz langfristiger und nachhaltiger Personalpolitik können exponierte Stellen in den Bereichen Technologie, Arbeitsvorbereitung und Fertigung, Projektierung und Vertrieb sowie Maschinenbau und Elektrotechnik nicht aus eigener Kraft besetzt werden." Für das Unternehmen bedeutet das: Neue Marktsegmente zu erschließen, und damit verbundenes Firmenwachstum sind nicht möglich. Trotzdem nutzt Minda viele sich bietende Gelegenheiten, um Menschen aus der Region in der Region zu halten, präsentierte sich vor wenigen Tagen auf der Hochschulmesse "Studieren in Mitteldeutschland" in Leipzig. "Melden sich geeignete Bewerber für Lehre und Studium, werden wir unsere Ausbildungsaktivitäten sofort verstärken", betont der Betriebsleiter.

Informationen zur Stipendieninitiative sind unter www.ingenieuregesucht. de abrufbar. Mathias Schönenberger ist unter (0391) 5693402 erreichbar.