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Plastikmüll Einwegplastik von Salzwedeler Ladentheken noch nicht verschwunden

Seit rund vier Wochen gilt das EU-weite Verbot von Einwegplastik. Doch bis die Ausgabe von Essen auf Einmalgeschirr aus Plastik tatsächlich endet, wird es noch dauern.

Von Beate Achilles und Antje Mewes Aktualisiert: 30.07.2021, 10:54
Einwegplastik wie dieses hier, wird nicht nur in Salzwedel noch einige Zeit im Einsatz sein.
Einwegplastik wie dieses hier, wird nicht nur in Salzwedel noch einige Zeit im Einsatz sein. Foto: Beate Achilles

Salzwedel - Die meisten Imbisse und Schnellrestaurants der Hansestadt geben Speisen und Getränke nach wie vor in Einwegplastik heraus. Dabei ist das Inverkehrbringen von Einweg-Besteck, Tellern, Trinkhalmen, Rührstäbchen, To-Go-Bechern, Fast-Food-Verpackungen aus Plastik sowie Wegwerf-Essensbehältern aus Styropor seit dem 3. Juli offiziell verboten. Dennoch wird das Einwegplastik noch einige Zeit im Einsatz bleiben. Denn die Einwegkunststoffverbotsverordnung, auf der das Verbot beruht, gestattet den Abverkauf von Restbeständen. „Wir kaufen unser Wegwerfgeschirr bei der Metro ein und nehmen, was dort angeboten wird“, ist aus den Kreisen von Imbissbetreibern in der Hansestadt zu hören.

Metro als wichtige Schnittstelle

Der Gastronomie-Großhändler Metro spielt in Salzwedel also eine wichtige Rolle dabei, in welcher Art von Behältnissen die Kunden ihre Schnellgerichte aktuell und zukünftig transportieren. Die Metro-Pressestelle antwortet auf die Frage, ob sie das Einwegplastik bereits aus dem Programm genommen habe, sie stelle derzeit von Einwegartikeln aus Plastik auf recycelbare, kompostierbare oder wiederverwendbare Alternativen um.

Den Zeitpunkt, wann diese Umstellung abgeschlossen sein wird, nennt die Metro nicht. „Selbstverständlich halten wir uns bei der Gestaltung unserer Sortimente an die aktuelle EU-Gesetzgebung in Bezug auf Einwegplastik-Artikel“, teilt der Metro-Pressesprecher mit. Restbestände würden derzeit abverkauft. Wann der Abverkauf abgeschlossen sei, hänge stark von der lokalen Nachfrage ab.

Noch herrscht Unklarheit darüber, wer in Salzwedel die Einhaltung des Einwegplastikverbots zu kontrollieren hat. Die Pressestelle des Altmarkkreises verweist auf die Gewerbeaufsicht Regionalbereich Nord beim Landesamt für Verbraucherschutz in Stendal. Diese wiederum sieht den Altmarkkreis in der Pflicht: „Für die betreffende Überwachung sind im Land Sachsen-Anhalt die Landkreise zuständig.“

Christopher Stolzenberg, Pressesprecher des Bundesumweltministeriums sieht übergeordnet den Zoll in der Pflicht, Importe von Einwegplastik aus dem Ausland zu verhindern. Die Kontrolle der Hersteller, auf die das Verbot primär abziele, sei Sache der Landesbehörden.

Auswirkungen auf die Preise

Wird das Imbiss-Essen wegen der Öko-Verpackungen teurer werden? In Anita Schneiderats Mittagsversorgung in Salzwedel war das gestern nicht zu beobachten. Sie bietet ihre Speisen auch außer Haus für Laufkundschaft an und verpackte sie bisher Styropor-Menüboxen. Inzwischen ist sie auf kompostierbare Behältnisse aus Zuckerrohr umgestiegen. Es sei ortsnah das einzige Angebot ohne Plastik gewesen, sagt sie.

Anita  Schneiderat hat für die Außer-Haus-Mittagsversorgung ihrer Gäste bereits auf alternative Verpackungen umgestellt.
Anita Schneiderat hat für die Außer-Haus-Mittagsversorgung ihrer Gäste bereits auf alternative Verpackungen umgestellt.
Foto: Antje Mewes

Jens-Uwe Rudolf, der Geschäftsführer von zwei Unternehmen im Bereich Catering, Kantinenversorgung und Partyservice ist, sieht momentan vor allem für die wiederverwendbaren großen EPS-Styroporbehälter kaum Alternativen. Die dürfen zurzeit mit einem entsprechenden Zertifikat weiter hergestellt und genutzt werden. Für seinen Betrieb in Stendal hätte er sonst die gesamte Logistik umstellen müssen, erklärt er.

Für das Essen auf Rädern, das sein Gastroservice in Brunau anbietet, werden momentan noch Plastikschalen genutzt. Die einzelnen Portionen schweißen die Mitarbeiter mit Folie zu, ehe sie in Thermobehältern auf die Reise zu den Kunden gehen. Eine Form der Verpackung, die er selbst kritisch sieht. „Manchmal werden sie nur sehr kurz transportiert und dann sofort wieder geöffnet“, erzählt er. Das sei schade um das Material, das nach dem Verzehr der Speisen weggeworfen werde. Deshalb brauche es auf längere Sicht Pfandsysteme, schätzt er ein und hat sich bereits damit befasst. Da das Essen warm bleiben soll, sei solch ein Thermogeschirr nicht ganz billig. 450 Euro je Kunde müssten aufgebracht werden. Es wären drei Sets mit tiefem und flachen Teller sowie Kompottschale erforderlich. „Eins beim Kunden, eins unterwegs und eins in der Wäsche“, erklärt er. Für so eine teure Verpackung müsste er Pfand nehmen. „Etwa 300 Euro“, schätzt er. Aber wer will oder kann das aufbringen für die Mittagsversorgung? Er hat sich sogar schon beim Versicherer ÖSA erkundigt, ob eine Versicherung des Geschirrs zum kleinen Preis möglich wäre. Schließlich würden auch viele Kindertagesstätten beliefert. Bisher sei das allerdings bei der ÖSA noch kein Thema gewesen.

Mehrweg und eigene Gefäße als Lösung

Christa Bergmann, Referatsleiterin Lebensmittel beim Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt in Halle, warnt derweil vor Gesundheitsgefahren durch Zusatzstoffe in angeblich ökologischen Gastro-Einwegverpackungen. „Unser europäischer Dachverband BEUC hat Anfang des Jahres eine Studie von vier europäischen Verbraucherorganisationen veröffentlicht, die zeigt, dass in plastikfreiem Einweggeschirr aus Pappe, Palmenblättern und Zuckerrohr oft gesundheitsgefährdende Schadstoffe stecke“, teilte sie am Dienstag auf Nachfrage mit. 53 Prozent der Produkte im Test hätten gesundheitsschädliche Schadstoffe über dem Richtwert enthalten. Bei Aluschalen würden sich bei sauren Lebensmitteln gesundheitsschädliche Bestandteile im Essen lösen, abgesehen vom hohen Energieaufwand bei der Herstellung von Aluminium. Selbst Papiertüten seien nicht immer sinnvoll. Bestünden sie aus Frischfaser, würden Wälder dafür abgeholzt, Recyclingpapier enthalte schädliche Rückstände. „Wo es machbar ist, sollte möglichst Mehrweg eingesetzt werden“, schlussfolgert die Verbraucherschützerin. Das solle in Zukunft für Gaststätten forciert werden. Ebenso die Essensausgabe in mitgebrachte Behälter. Ab 2023 würden die Regeln erneut verschärft. „Ab dann müssen Getränke und Speisen in Mehrwegverpackungen ausgegeben werden“, kündigt Bergmann an.