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An fast jeder Kita und Schule ein Fall Fachleute schärfen in Salzwedel den Blick für Kinder in Not

Was sind Anzeichen von Missbrauch, Gewalt und Vernachlässigung? Und wie sollten Mitarbeiter von Kitas, Schulen und Jugendeinrichtungen darauf reagieren? Darüber tagte am Donnerstag in Salzwedel eine Fachkonferenz.

Von Beate Achilles 16.10.2021, 03:00
Ein kleines Mädchen sitzt weinend auf dem Fußboden. Die Gefährdung von Kindern zu erkennen und damit umzugehen, fällt selbst Fachleuten nicht  immer leicht.
Ein kleines Mädchen sitzt weinend auf dem Fußboden. Die Gefährdung von Kindern zu erkennen und damit umzugehen, fällt selbst Fachleuten nicht immer leicht. Foto: dpa

Salzwedel - Es ist ein Thema, das in der Ausbildung von Erziehern und Lehrern zwar vorkommt, im Berufsalltag aber eher die Ausnahme ist und daher nicht zum Tagesgeschäft gehört: Die Gefährdung von Kindern und Jugendlichen beispielsweise durch Missbrauch, Gewalt oder Drogensucht. Dabei lebt statistisch jedes sechste Kind in einer Familie mit Suchtproblematik. Droge Nummer eins ist dabei der Alkohol.

Komplexes Thema für Menschen in sozialen Berufen

Entsprechend groß ist unter Pädagogen und anderen Menschen in sozialen Berufen die Unsicherheit, wie sie mit Betroffenen und deren Angehörigen umgehen sollen. „Es ist ein sehr komplexes Thema, zu dem immer wieder Gesprächsrunden nötig sind“, fasst es eine Workshopteilnehmerin beim fünften regionalen Fachtag für den Bildungsbereich zusammen, zu dem die Netzwerkstelle Schulerfolg im Altmarkkreis Salzwedel am Donnerstag ins Kunsthaus eingeladen hatte.

43 Teilnehmer aus den Bereichen Kita, Hort, Grundschule, Schulsozialarbeit und Jugendarbeit aus dem gesamten Altmarkkreis Salzwedel waren der Einladung gefolgt, um sich gemeinsam mit dem Thema „Kinderschutz – Zeit den Blick zu schärfen?! – Die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe stärken“ auseinanderzusetzen.

An fast jeder Schule gibt es einen Fall.

Christin Seidler, Lotsin für schulische Sozialarbeit in Gardelegen

Wie Jugendamtsleiterin Anke Siebentaler in Salzwedel am Rande der Veranstaltung berichtet, gehen bei ihrer Behörde jährlich etwa 100 Meldungen zu Gefährdungen des Kindeswohls ein. „In jeder Kita des Landkreises gibt es ungefähr einen Fall pro Jahr“, schildert Siebentaler.

Ähnlich schätzt Christin Seidler, Lotsin für schulische Sozialarbeit in Gardelegen, das Ausmaß des Problems im schulischen Bereich ein: „An fast jeder Schule gibt es einen Fall, wo das Kindeswohl gefährdet ist“, sagt sie.

Krisenordner inhaltlich bei Lehrern nicht ausreichend bekannt

Da sei es wichtig, den vorgegebenen Handlungsablauf gut zu kennen. Der ist für Lehrer in einem sogenannten „Krisenordner“ hinterlegt, der jedoch nach Aussage von Workshopteilnehmern unter Pädagogen nicht ausreichend bekannt ist. Sie sehen deshalb Schulungen für Lehrer als wichtig an.

Keine erhöhten Fallzahlen durch Corona-Krise

Die Corona-Krise hätte entgegen anderslautender Erwartungen die Fallzahlen nicht in die Höhe getrieben, sagt Siebentaler. „Wir hatten während des Lockdowns große Sorge um die Kinder aus problematischen Familien“, erzählt die Jugendamtsleiterin.

Aber die Befürchtungen hätten sich nicht bestätigt. Bei Familien, die dem Amt bereits bekannt waren, seien die Hilfen während der Corona-Krise ohne Unterbrechung weitergelaufen. Das hätte vermutlich Schlimmeres verhindert. Aus Grundschulen, Förderschulen und Sekundarschulen habe es hingegen mehrfach Berichte über gestiegene Aggressionen der Kinder und Jugendlichen nach dem Ende des Lockdowns gegeben. In den Workshops hatten sich Teilnehmer auf einfache Tipps geeinigt, um betroffenen Kindern und Jugendlichen Halt zu geben, darunter „Mensch sein“ und „sich Zeit nehmen.“

Teilnehmer präsentieren bei der Abschlussrunde der Fachtagung zum Kinderschutz in der Aula des Kunsthauses Salzwedel einzelne Workshop-Ergebnisse.
Teilnehmer präsentieren bei der Abschlussrunde der Fachtagung zum Kinderschutz in der Aula des Kunsthauses Salzwedel einzelne Workshop-Ergebnisse.
Foto: Beate Achilles