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Filmcamp Aus jung wird alt, aus schön hässlich

Diplommaskenbildnerin Astrid Lehmann aus Dresden zeigt den Workshopteilnehmern ihre Arbeit im Jugendfilmcamp am Arendsee.

Von Helga Räßler 10.08.2017, 03:00

Arendsee l Sie hat ihre Ausbildung an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden absolviert, hat für ihre Maskenbilder den spanischen Filmpreis gewonnen, war jahrelang Maskenbildnererin, zuletzt stellvertretende Chefmaskenbildnerin, der Salzburger Festspiele und ist jetzt im Jugendfilmcamp am Arendsee: Astrid Lehmann weiht jugendliche Teilnehmer in die Grundlagen und erste Geheimnisse ihrer Berufskunst ein.

Aber bevor es ans Schminken und Stylen geht, muss eine Idee von der zu gestaltenden Figur, Rolle und ihres Charakters her. „Mit Stiften, auch mit Graphit, ist eine Zeichnung von der Figur zu kreieren, die dann mit Farbe komplettiert wird, so dass da schon der typische Charakter der zu entwerfenden Figur deutlich wird“, erklärt Astrid Lehmann, die Gastdozentin an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden und an der Bayerischen Theaterakademie ist.

Die Farbwahl sei wichtig fürs Charakterbild, die Schneekönigin verlange förmlich nach vorherrschendem Weiß für ihre eisige Kühle, die Meerjungfrau nach Wasserfarben in Blau-Grün. „Um das alles richtig anlegen zu können, müssen natürlich vorher die Drehbücher gelesen werden, Absprachen mit der Regie, der Kamera, den Szenenbildnern getroffen werden“, sagt sie weiter.

Im Campworkshop, für den das Kreativhaus im Integrationsdorf genutzt werden kann, sitzen zehn junge Teilnehmer vor den Spiegeln, zeichnen, radieren, verwischen, setzen Farbakzente und lassen sich auf das Experiment mit der kunstvollen Veränderung von Gesicht, Körper und auch Geist ein.

„Maskenbild, das ist ja schließlich mehr als Schminken des Gesichts, sondern bezieht Hals, Dekolletee, Haare und manchmal auch den ganzen Körper ein, wie bei der Kostümplastik – aber das ist ein anderes Thema“, doziert Lehmann.

Ihre Schützlinge sollen in dem einwöchigen Kurs das breite Spektrum der Maskenbildnerkunst und die Vielfalt kennenlernen und im Ansatz ausprobieren. „Wir entwerfen Modelle nicht für einen konkreten Film, wir drehen auch keinen eigenen Film, aber unsere Entwürfe, von denen wir Fotos machen, können von den anderen Kursen für ihre Filmproduktionen verwendet werden“, stellt sie klar.

Bei der Umsetzung der fertigen Entwürfe komme es, vor allem bei Maskenbildern fürs Fernsehen, auf Perfektion an. „Denn die neue hochauflösende HD-Technik führt die Kamerasicht in jede Pore, jede Haarwurzel“, mahnt sie. Da sei zum Beispiel beim Gestalten einer künstlichen Haarmähne akribischste Feinarbeit gefordert. Einfach eine Perücke aufzusetzen, reiche keinesfalls. Sagt es und zeigt ihre eigens angefertigten Teile aus Echthaar – teilweise lange Wallemähnen an einem filigranen Netz, durch das beim Ansetzen und Befestigen auf dem Kopf das Eigenhaar des Schauspielers gezogen wird. „Damit der Haaransatz wirklich echt aussieht“, beschreibt sie. Erfahrungen mit diesem Metier hat sie, weil sie nicht nur für die Theaterbühne arbeitet, sondern eben auch für Film und Fernsehen.

Da, so erzählt sie nebenbei, sitze man beileibe nicht immer warm und trocken in einer Werkstatt hinter den Kulissen. Sondern müsse sich auch Wetterextremen aussetzen, wie bei der Filmproduktion für „Die Schneekönigin“ in Finnland im Februar/März 2014. „Da sind wir von unserer Basisunterkunft mit Schneescootern durch eisige Schneelandschaften und -wälder kilometerweit zum Set gefahren, um in Eishotels zu drehen“, erzählt sie. Es herrschten minus 40 bis 45 Grad. „Es war so kalt, dass es einem die Tränen in die Augen trieb – bei Gefahr, dass sie gefrieren“, erinnert sie sich lachend.

Entsprechend schwierig sei es da gewesen, die maskenbildnerischen Vorgaben umzusetzen. „Denn trotz der Kälte konnte ich ja nicht mit Handschuhen schminken“, stellt sie klar. 15 Stunden am Set waren normal. „Da war ich gefordert, damit das Make-up trotz der Eiseskälte hält.“ Es sei sehr anstrengend und schwierig gewesen. „Aber zugleich auch meine schönste Arbeit“, betont sie. „Auch wegen der Fahrten durch eine einmalige Landschaft.“

Für eben jenes Schneeköniginnen-Maskenbild sei sie 2015 für den deutschen Fernsehpreis nominiert worden.

Inzwischen haben die Workshopteilnehmer ihre Entwürfe fertig. Es geht ans Begutachten, Bewerten, Ergänzen und Verbessern. Und schließlich ans Umsetzen mit Farbe, Schminke und Haarteilen. Aus jung und schön soll alt und hässlich, aus weiblich männlich, aus glatt runzlig werden. Nebenbei gibt es Wissensvermittlung zu Schminktechniken und zur Anatomie.

Und ganz nebenbei läuft Musik, zu der auch mal mitgesungen wird. „Es soll alles allen auch Spaß machen“, so das Fazit der Fachfrau, die in den 1990er-Jahren mit Jugendfilmcampchef Norman Schenk zusammen im Theater in der Fabrik in Dresden agierte. „Er hat mich mit seiner Begeisterung für die Arbeit im Filmcamp angesteckt.“