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Gericht Frage der Ehre mit dem Messer beantwortet

In einem Fall von "Macho Selbstjustiz" musste sich ein junger Mann vor dem Amtsgericht in Salzwedel verantworten.

Von Cornelius Bischoff 24.07.2020, 10:30

Salzwedel l „Knall!“ Es muss sich angehört haben wie ein Schuss, als am 30. Juni vergangenen Jahres der Reifen eines Autos, das sein Besitzer auf einem Parkplatz im Stadtgebiet abgestellt hatte, unter dem harten Stich eines Messers zerbarst.

Aufgeschreckt von dem peitschenden Geräusch waren der Besitzer des Wagens, gemeinsam mit einem Bekannten aus einem nahe gelegenen Imbiss gestürzt und dabei – im Sinne des Wortes – in ein Messer gelaufen: „Ich stech’ euch ab. Ich schlitz‘ euch auf“ soll der aufgeregte junge Mann gerufen haben, der sich vor dem Salzwedeler Amtsgericht wegen Sachbeschädigung, Bedrohung und gefährlicher Körperverletzung verantworten musste.

„Fünf Jahres sind Sie in Deutschland“, sagte Richter Klaus Hüttermann: „Es muss Ihnen klar sein, dass ein solches Verhalten in unserer Gesellschaft völlig inakzeptabel, und mit hohen Strafen bedroht ist.“ Da der 23-jährige, gebürtige Syrer bislang aber strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten war, endete dieser Fall von – so Richter Hüttermann – „Macho Selbstjustiz“ mit einem sprichwörtlichen blauen Auge: Zehn Monate Haft, für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, summierte Klaus Hüttermann die Teilstrafen der genannten Vorwürfe und blieb damit unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Letztere hatte eindringlich dafür plädiert, den 23-Jährigen ohne Umwege ins Gefängnis zu stecken. Schon durch das Zerstechen des Reifens hätte, wäre der „Plattfuss“ beim Anfahren unbemerkt geblieben, eine erhebliche Gefahr für Insassen und Passanten bestanden. Auch der Gedanke, sich erst zu bewaffnen, um dann eine Auseinandersetzung vom Zaun zu brechen, spreche dafür, dass der Angeklagte ein grundsätzlich gefährlicher Mensch sei.

Dieser Einschätzung wollte der Direktor des Salzwedeler Amtsgerichtes nicht folgen. Dennoch betonte auch Hüttermann in seiner Bewertung der Vorgänge das Zerstechen des Autoreifens durch den jungen Mann: Normalerweise sehe der Gesetzgeber bei vergleichbaren Gelegenheiten eine Geldstrafe vor. In diesem Fall aber trage die Tat mit einer Haftstrafe von vier Monaten zu dem zehnmonatigen Gesamtpaket bei: Durch sein Verhalten habe der Angeklagte gezeigt, „dass für ihn die Regeln in dieser Gesellschaft nicht gelten. Und alle sollten das sehen“, sagte Klaus Hüttermann.

Der junge Mann nahm das Urteil sichtbar zerknirscht zur Kenntnis. Mit gesenktem Kopf stand er vor dem Richtertisch: „Ich respektiere die Entscheidung vom deutschem Gericht“, sagte er und zeigte damit Achtung vor der Rechtsprechung seiner neuen Heimat. Das Unverständnis dafür, dass sein Versuch, seine mutmaßlich verletzte Ehre auf eigene Faust wieder herzustellen, bestraft wurde, war ihm aber ins Gesicht geschrieben.

Auch der Besitzer des Autos, der bei dem Gerangel leicht verletzt wurde, schien dem jungen Mann die Tat nicht nachzutragen: Schon in Syrien hatte ein Kontakt bestanden. „Ich kenne seinen großen Bruder von früher“, gab der Mann zu Protokoll, als sei damit alles Wesentliche gesagt.