Gertraudenkapelle Eine Glocke hebt ab

Zwei wertvolle Bronzeglocken sind in den Turm der Salzwedeler Gertraudenkapelle zurückgekehrt. Sie sind im 14. Jahrhundert gegossen worden.

Von Anke Pelczarski 08.11.2019, 17:00

Salzwedel l „Wann die Glocken das letzte Mal geläutet worden sind, das wissen wir nicht. Sie haben jedenfalls eine ganze Weile geschwiegen“, sagt Rainer Wellkisch, Baupfleger des Kirchenkreisamtes des Evangelischen Kirchenkreises Salzwedel. Mit der Sanierung des Turmes der Gertraudenkapelle seien die beiden Bronzeglocken wieder in den Mittelpunkt gerückt. Ziel sei es gewesen, dass diese wieder ihren ursprünglichen Zweck erfüllen.

Denn bei dem Duo handele es sich durchaus um Besonderheiten. Nicht nur die Pilgerzeichen verbinden die jeweils 83 Kilogramm schweren Exemplare, wie Salzwedels Glockenexperte Dr. Gerhard Ruff aufgeschrieben hat. Eine ist eine sogenannte Gertraudenglocke. Die andere stammt aus St. Lorenz.

Eine Glocke sei kaputt gewesen, schildert Rainer Wellkisch. Ein Teil der Krone sei in einer Spezialwerkstatt angeschweißt worden. Mitarbeiter einer Berliner Firma haben dieses Exemplar nach der Reparatur wieder in den Turm gehievt. Das war Millimeterarbeit durch ein kleines Loch in der Decke. Der Baupfleger ist froh, dass alles gut funktioniert hat.

Da der Aufstieg sehr beschwerlich ist, erfolgt zugleich das Elektrifizieren des Geläuts, so dass dieses künftig per Knopfdruck ausgelöst werden kann. „Insgesamt geben wir fürs Sanieren der Glocke etwa 11.000 Euro aus. Die Sparkasse Altmark West hat das Vorhaben großzügig unterstützt“, berichtet Rainer Wellkisch.

Der Turm ist in den vergangenen Monaten saniert worden, damit künftig der Klang im Umfeld gut zu hören ist. Doch wann die Glocken zum ersten Mal erklingen werden, das ist noch offen. „Wir müssen noch eine Läuteordnung dafür verlassen“, berichtet Pfarrer Friedrich von Biela von der Salzwedeler Mariengemeinde. Diese zu erarbeiten, sei Aufgabe des gerade neu gewählten Gemeindekirchenrates.

Im Zuge der jetzigen Turmsanierung ist übrigens die Uhr verschwunden, die im Jahr 1867 eingebaut wurde. Vor gut 150 Jahren sei der Turm komplett verschiefert worden, damit das Fachwerk geschützt werde, erzählt Rainer Wellkisch. „Jetzt standen wir vor der Frage, wie es gelingt, dass sich der Schall der Glocken frei entfalten kann“, fügt er hinzu. Nach Rücksprache mit der Denkmalpflege habe man sich gegen die Uhr und für Schallläden entschieden, die dem Klang den erforderlichen Raum geben.

Im Zuge der Arbeiten sei übrigens auch die Turmkugel geöffnet worden, was letztmalig bei der Dachsanierung im Jahr 1950 erfolgt sei. In der Bulle habe sich auch ein Bericht von Dachdeckermeister Karl Preuß gefunden, geschrieben am 20. November 1950. Dieser notierte, dass Schiefer und Kupfernägel aus dem Westen geholt worden seien. Die Materialknappheit in der Deutschen Demokratischen Republik sei täglich zu spüren gewesen. Karl Preuß schilderte, dass die Gedanken der Handwerker oft bei Verwandten im Westen seien. Zumal die Grenze in Bergen/Dummen nicht weit entfernt war. „Unglückliches Vaterland, wann wirst du endlich wieder frei werden“, schrieb der Dachdeckermeister. Er ahnte nicht, dass bis zu diesem Tag noch knapp 39 Jahre vergehen sollten. „Wir haben den Dokumenten in der Bulle einen kleinen Bericht über die jetzige Zeit zugefügt“, sagt Rainer Wellkisch. Er hoffe, dass der Turm erst in gut 70 Jahren wieder saniert werden müsse.