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Salzwedeler Radfahrer ist mit 77 Jahren noch täglich auf dem Drahtesel unterwegs Im Sommer wie im Winter immer dem Vorderrad nach

Von Lion Grote 18.08.2011, 06:29

Als Werner Zieschang Anfang der 1980er Jahre mit dem Fahrrad über 20 Kilometer zur Arbeit fuhr, haben die Kollegen gestaunt. Bis heute hat ihn die Leidenschaft für das Radeln nicht losgelassen – trotz einer schweren Erkrankung.

Salzwedel. 40000 Kilometer – einmal um die ganze Erde. So viel hat Werner Zieschang mit seinem Fahrrad zurückgelegt, seitdem ein kleiner Computer die Strecke misst – und das, obwohl er inzwischen 77 Jahre alt ist. "Ich hoffe, dass ich dieses Jahr die 50000-Kilometer-Marke knacke. Bis jetzt sieht es gut aus", sagt der gebürtige Bautzener mit verschmitztem Lächeln und leuchtenden Augen. Dass er sich solche Ziele überhaupt noch stecken kann, hat Werner Zieschang vor allem seinen Ärzten zu verdanken. "Vor etwa zehn Jahren fing ich an, unter Gleichgewichtsstörungen zu leiden", erzählt er. Seiner Familie habe er davon anfangs nichts erzählt, damit die sich keine Sorgen macht. Erst sein Hausarzt stellte die erschütternde Diagnose – das Herz war zu schwach, um den Körper noch ausreichend zu versorgen. Glauben wollte er das am Anfang nicht, und so erzählte er auch den Ärzten, dass er täglich Fahrrad fährt. "Aber nicht mehr lange, hat der Arzt dazu gesagt." 2002 wurde ihm in der Klinik in Bad Bevensen eine neue Herzklappe eingesetzt – ausgerechnet an seinem Geburtstag.

Nur wenige Wochen später saß Werner Zieschang wieder auf dem Rad. "Heute geht es mir fast besser als vorher, und ich brauche die Bewegung", erzählt er. Das Fahren hat er sich mit neun Jahren selber beigebracht, auf dem Fahrrad seines Vaters. "Das habe ich dabei auch gleich kaputt gemacht."

Erst Anfang der 80er Jahre habe er aber begonnen, regelmäßig zu radeln. "Ich war Leiter einer Bohranlage in Kakerbeck und bin jeden Tag mit dem Rad zur Arbeit gefahren. Die Kollegen haben sich schon gewundert, aber das hat mich nicht gestört. Ein bisschen verrückt muss man ja sein." Bis heute fährt Werner Zieschang jeden Tag mindestens 30 Kilometer, egal ob Sommer oder Winter. Mal nach Arendsee, mal nach Brunau oder einfach nur durch die Landschaft.

Seit einigen Jahren hat er auch einen Tacho am Rad. "Da kann ich dann ganz genau sehen, ob das ein guter oder ein schlechter Tag war", sagt der 77-Jährige und lacht. Wenn er es mal nicht schafft, sein Tagespensum zu erfüllen, werden die Kilometer einfach am nächsten Tag drangehängt. So kommen im Jahr 10000 Kilometer zusammen. Auch Fahrten in die Niederlande oder nach Schweden hat der Pensionär schon unternommen. Dabei ist er häufig alleine unterwegs. "Man hat dann schon viel Zeit nachzudenken. Über sich, das Leben, den lieben Gott und die Welt." Auch an seinen Sohn denke er dabei oft. "Der hatte eine Phase, in der er etwas dicklich geworden ist, und ich habe gehofft, dass er irgendwann denkt: ¿Was der Alte kann, kann ich auch‘."

Das hat tatsächlich geklappt. Inspiriert von der Leistung des Vaters und Großvaters laufen sein Sohn und die Enkel inzwischen Marathon. Auch die überflüssigen Pfunde hat der Sohn längst wieder verloren.

Probleme mit dem Gewicht hatte Werner Zieschang nie. Obwohl er sich schon mal etwas gönne wie Schokolade oder gutes Essen. Das Radfahren ermöglicht ihm diese Freiheiten. Das Einzige, was unter dem Bewegungsdrang leide, sei sein Hintern. "Der tut meistens mehr weh als die Beine." Mit seiner Leistung möchte der 77-Jährige auch andere motivieren, sich im Alter noch zu bewegen, denn immerhin schaffe er das alles "ohne Doping, nur eben mit künstlicher Herzklappe".