Masern Impfen als Pflicht?

Im Altmarkkreis liegt der Durchimpfungsgrad bei Masern knapp unter der empfohlenen Rate von 95 Prozent.

Von Antje Mewes 26.05.2019, 04:00

Gardelegen/Salzwedel l Es ist ein kleiner Pieks. Für viele, die in der ehemaligen DDR aufgewachsen sind, war er obligatorisch. Nach dem Willen vieler Politiker, auch in Sachsen-Anhalt, soll die Masernimpfung künftig verpflichtend sein, um die Durchimpfungsrate zu erhöhen und Ausbrüche zu vermeiden. Die Stän­dige Impf­kom­mis­sion (STIKO) des Robert Koch Instituts empfiehlt für Masern 95 Prozent. Die Experten ent­wickeln Impf­em­pfehl­ungen für Deutsch­land im Hinblick auf den Nutzen für jeden Einzelnen und für die ge­samte Be­völke­rung.

Im Altmarkkreis gab es 2015 drei Masernfälle. Seitdem ist kein Ausbruch der Krankheit mehr bekannt geworden. Das Kreis-Gesundheitsamt kontrolliert den Impfstatus der Kinder bei Pflichtuntersuchungen etwa zur Einschulung. Dabei haben die Mitarbeiter ermittelt, dass Schulanfänger in der Westaltmark zu 70 Prozent einen kompletten Impfschutz haben, der aus zwei Impfungen besteht. Schüler der 3. Klasse erreichen 93 und der 6. Klasse 94,7 Prozent. Die von der STIKO gewünschten Durchimpfungsraten werden damit nicht ganz erreicht, informiert Kreissperecherin Birgit Eurich auf Anfrage der Volksstimme.

In der aufgeheizten Debatte geht es auch darum, ob ungeimpfte Jungen und Mädchen vom Besuch einer Kindertagesstätte ausgeschlossen werden sollten. Im Altmarkkreis ist das aktuell noch kein Thema. „Eine Kita mit Masernimpfpflicht ist dem Altmarkkreis nicht bekannt“, erklärt Eurich. Ob das so bleibt ist fraglich. Denn: „Zur Einführung der Impfpflicht für Masern im Zusammenhang mit dem Besuch von Kindereinrichtungen und Schulen positioniert sich der Altmarkkreis positiv“, erklärt die Pressesprecherin.

Viele Mediziner sehen den Vorstoß von Bundes-Gesundheitsminister Jens Spahn mit gemischten Gefühlen. Auch der Arendseer Hausarzt Dr. Ilja Karl ist ein Gegner der Impfpflicht. Der Eingriff in die Grundrechte sei, sowohl mit Blick auf die hohen Impfraten als auch auf die epidemiologische Situation nicht gerechtfertigt, betont er. 95 Prozent der Eltern seien sich der Bedeutung der Impfung für das eigene Kind und für die Gemeinschaft bewusst sind. Eine kleine Gruppe sei skeptisch und fühle sich mit ihren Vorbehalten nicht ernst genommen und nicht gut aufgeklärt. Diese Eltern seien für eine ergebnisoffene und umfassende Beratung erreichbar. „Daneben gibt es noch Eltern, oft im Dunstkreis gottgleich verehrter Homöopathen, die sachlichen Argumenten nicht zugänglich sind. Hier im Landkreis ist das die Elterninitiative für Impfaufklärung als Hofstaat von Hannelore Huber“, sagt der Mediziner.

Er verweist zudem auf die weltweite Lage, in der Milliarden Menschen keinen Zugang zu Impfungen haben. „Dass weltweit die Masern auf dem Vormarsch sind, werden wir durch einen staatlichen Grundrechtseingriff in Deutschland genau so wenig beheben wie wir überhaupt in einer globalisierten Welt die Masern isoliert in einem Land ausrotten können“, macht er seine Meinung deutlich.

Gegen die Pflicht zur Impfung spricht sich auch Dr. med. Urte Kreißl in Gardelegen aus, auch wenn sie Impfungen natürlich für sehr wichtig hält. „Schließlich impfen wir nicht gegen banale Erkrankungen“, macht sie klar. Gerade Masern könnten schwere, dauerhafte motorische oder geistige Folgeschäden verursachen, sogar bis zum Tod führen. Zudem sei die Krankheit hochansteckend. Zwei Masernfälle, beides junge Männer, hat sie vor geraumer Zeit behandeln müssen. „Beide waren schwerstkrank.“

Und auch sie trifft in ihrer Praxis eigentlich selten auf echte Impfgegner. Vielleicht auch, weil die Menschen in den neuen Bundesländern dem Thema Impfen schon seit Kindheit vertraut sind und dem positiv gegenüberstehen. „Die meisten, die dagegen sind, haben einfach nur Angst vor dem Piek“, sagt sie schmunzelnd.“

Mit ein bisschen Überzeugungsarbeit komme man da fast immer weiter. Die Impfung legt die niedergelassene Allgemeinmedizinerin und Internistin vor allem jungen Eltern ans Herz: „Kinder können schließlich noch nicht selbst entscheiden.“

Zwei Mal müssen Kinder geimpft werden, um geschützt zu sein. Erwachsene erhalten eine kombinierte Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln.

Kostenlos geimpft werden nur Erwachsene, die nach 1970 geboren wurden. Bei älteren Menschen gehe man davon aus, dass sie im Laufe ihres Lebens schon mal mit Masern in Verbindung gekommen sind und so eine natürliche Immunität entwickelt haben.

Angst vor möglichen Nebenwirkungen der Impfung muss niemand haben, versichert Urte Kreißl. Natürlich könnten immer mal leichte Beschwerden auftreten, zumeist seien das aber nur lokale Reaktionen, ein roter Arm, oder ähnliches. Zwar könne es auch nach der Impfung zu „Pseudomasern“ kommen, die mit einen leichten Hautaussschlag einhergehen, der an Masern erinnert. „Ich habe das aber noch nie erlebt“, versichert die erfahrene Ärztin.