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Interview Zu viel Gewicht fördert die Arthrose

Zum Thema Arthrose antwortet Dr. med. André Paszkier, Chefarzt der Klinik für Orthopädie, Unfall- und Wirbelsäulenchirurgie.

Von Arno Zähringer 09.09.2016, 01:01

Volksstimme: Herr Chefarzt Dr. Paszkier, was versteht man eigentlich allgemein unter einer Arthrose des Gelenkknorpels?
Dr. André Paszkier: Von einer Arthrose spricht man, wenn der Verschleiß des Gelenkknorpels das altersübliche Maß übersteigt. Ein Gelenk besteht überwiegend aus zwei Gelenkpartnern, die jeweils mit Knorpel überzogen sind. Umspült wird der Gelenkknorpel von der Gelenkflüssigkeit, der sogenannten „Gelenkschmiere“, die einen wesentlichen Anteil an der Ernährung des Gelenkknorpels hat. Die Knorpelschicht, die als Druckpuffer zwischen Gelenkinnenfläche und Knochen dient, verliert mit zunehmendem Alter an Wasser und an Elastizität. Der Gelenkknorpel wird spröde und rissig. Im Vollbild der Arthrose reiben dann die Knochen gegeneinander.

 

Welche Ursachen gibt es für die Entstehung einer Arthrose?
Die Gefahr für die Entstehung einer Arthrose steigt mit dem Lebensalter. Zusätzliche Risikofaktoren sind Über- und Fehlbelastung der Gelenke, das weibliche Geschlecht, aber auch starkes Übergewicht und Bewegungsmangel. Übergewicht erzeugt einen vermehrten Druck auf den Gelenkknorpel. Mangelt es zusätzlich an Bewegung, werden die Gelenkknorpel nicht ausreichend mit Gelenkflüssigkeit umspült und trocknen aufgrund der mangelnden Ernährung aus. Weitere Risikofaktoren sind Unfälle, die zu Gelenk- und Knorpelverletzungen führen, rheumatische Erkrankungen, Gelenkinfektionen, Stoffwechselerkrankungen und Gelenkfehlstellungen.

 

Kann man einer Arthrose vorbeugen?
Das kommt auf die mögliche Ursache einer Arthrose im Alter an. Besteht die Ursache an Übergewicht und Mangelbewegung, dann hilft nur Abnehmen und moderate Bewegung. Wenn es um sportliche Aktivitäten geht, sollten Sportarten, die mit einer starken Stoßbelastung einhergehen, vermieden werden, wie beispielsweise Tennis, Fußball und Squash. Zu empfehlen sind eher Walken, Fahrradfahren und Schwimmen.

Wie macht sich eine Arthrose bemerkbar?
Leider macht eine Arthrose im Frühstadium keine oder nur geringe Beschwerden, da die Knorpelschicht keine Nervenzellen besitzt. Kommt es zu einem zunehmenden Verschleiß, reagiert der Knochen unterhalb des Knorpels mit Schmerzimpulsen, da erst hier Schmerzfühler vorhanden sind. Dann kommt es zu einem typischen Anlaufschmerz, ob morgens nach dem Aufstehen oder nach längerem Sitzen. Im weiteren Verlauf kommen Belastungsschmerzen und schmerzhafte Bewegungseinschränkungen sowie Ruheschmerzen hinzu. Kommt es darüber hinaus zu einer Entzündung, schwillt das Gelenk an. Es ist überwärmt und es bildet sich unter Umständen ein Gelenkerguss.

Wie kann eine Arthrose diagnostiziert werden?
Diagnostiziert wird die Arthrose durch eine Röntgenaufnahme oder eine Kernspintomographie (MRT) des betroffenen Gelenkes. Durch die Anamnese und eine klinische Untersuchung ergeben sich jedoch schon wichtige Anzeichen für das Vorliegen einer Arthrose.

Kommt ein Patient mit Arthrose in Ihre Sprechstunde, welche Therapieoptionen haben Sie?
Am Anfang jeder Behandlung steht immer die konservative Therapie. Dies hat vornehmlich die Reduktion der Schmerzen zum Ziel. Im Fall einer sekundären Entzündung auch die Entzündungshemmung, zum Beispiel durch Einnahme von nicht steroidalen Antiphlogistika, von magenschonenden Cox-II-Hemmern, bei starken Schmerzen auch Opioid-Analgetika oder die Injektion von Glukokortikoiden, also Schmerzmittel. Darüber hinaus soll die Therapie durch entsprechende Phyisotherapie Funktion und Beweglichkeit der betroffenen Gelenke verbessern. Zusätzlich ist die Kälte- und Wärmeapplikation sowie elektrotherapeutische Anwendung zu empfehlen.

 

Gibt es noch weitere Hilfsmittel?
Ja. Um die Stoßbelastung im betroffenen Gelenk zu reduzieren, sind Hilfsmittel wie etwa puffernde Schuheinlagen sinnvoll. Auch Unterarmgehhilfen oder Bandagen entlasten die Gelenke. Auf eine Ernährungsumstellung mit Gewichtsreduktion und auf ein gelenkschonendes Bewegungsprogramm habe ich bereits hingewiesen. Wenn all diese Maßnahmen nicht mehr zu einer effektiven Schmerzreduktion beitragen, der Patient dadurch stark in seiner Lebensqualität eingeschränkt ist, dann kommen operative Verfahren zum Einsatz.

Welche Verfahren bieten Sie in Ihrer Klinik an?
Eine Fehlstellung der Knochen, etwa X- oder O-Beine, die die Entstehung einer Arthrose begünstigen, können durch Umstellungsosteotomien, also die Durchtrennung von Knochen, mit Begradigung des Beines behoben werden. Bleiben die Schmerzen trotz Ausschöpfung aller konventioneller Maßnahmen bestehen und die Funktion des beteiligten Gelenkes bleibt eingeschränkt, dann sprechen sich die internationalen Leitlinien für einen Gelenkersatz aus.

Und was bedeutet das?
Dabei versuchen wir, nur die geschädigte Knorpelstelle zu ersetzen, beispielsweise durch HemiCAP-Prothesen. Auch bei Knie-Teilprothesen – die Schlittenprothese – bleibt der intakte Bereich erhalten. Bei weit fortgeschrittener Gelenkzerstörung allerdings ist eine Totalendoprothese erforderlich. Bei gesunder Knochenstruktur bieten wir an der Hüfte ein knochenschonendes Verfahren mit Implantation einer Kurzschaftprothese an. Minimalinvasive Operationszugänge am Hüftgelenk über einen nur wenige Zentimeter großen Hautschnitt mit Schonung der umliegenden Muskeln und Sehnen ist dabei überwiegend Standard. Die Entscheidung für einen minimalinvasiven Eingriff fällt nach genauer Untersuchung und Abklärung der operierende Arzt.

Wie lange halten sich Endoprothesen durchschnittlich?
Auch hier gilt die Regel, dass Übergewicht und eine zu starke Belastung des künstlichen Gelenkes, aber auch eine Gelenkinfektion, zu einer vorzeitigen Lockerung führen können. Studien gehen von einer mittleren Haltbarkeit von 15 bis 20 Jahren aus. Ich habe Prothesenlockerungen aber auch erst nach 25 oder 30 Jahren gesehen. Wenn eine Lockerung eingetreten ist, bieten wir den Patienten eine Wechseloperation der entsprechenden Prothesenkomponenten an. Dabei wird das künstliche Hüft- oder Kniegelenk ganz oder teilweise durch eine neue künstliche Prothese ersetzt. Insgesamt möchte ich jedoch betonen, dass die zum Einsatz kommende Therapie im Vorfeld genau mit dem Patienten besprochen wird, um seine speziellen Bedürfnisse und Wünsche zu berücksichtigen.