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Zwei Ziethnitzer und ihre Leidenschaft für das Preispflügen Mit dem Traktor auf der Suche nach Perfektion

Von Lion Grote 09.09.2011, 06:30

Wenn am 18. September wieder hunderte Besucher und Oldtimerfreunde nach Winterfeld kommen, dürfen Jens Bormann und Jörg Schneider aus Ziethnitz nicht fehlen. Zum zehnten Mal treten die beiden gemeinsam beim Schaupflügen an und stehlen mit ihrem dunkelroten Traktor MTS 5 vielen anderen die Schau.

Ziethnitz. Mit einem gewaltigen Ruck lässt Jens Bormann das Handstartseil durch den Hilfsmotor schnellen. Mit lautem Gezische und reichlich Dampf setzt sich die Maschine in Bewegung. So laut, dass man das eigene Wort kaum noch verstehen kann. Mit stolzen Blicken schauen Jens Bormann und Jörg Schneider auf den Traktor. Für sie klingt das wie Musik.

Beide Männer kennen das Geräusch der zuckenden Treckermotoren schon seit ihrer Kindheit. Auf den Landmaschinen der Eltern und Großeltern fuhren sie schon früher über die Felder rund um Ziethnitz. Irgendwann als Jugendlicher wurden im Leben von Jörg Schneider andere Dinge wichtig. Er lernte Elektriker. "Erst nach der Wende habe ich mir gedacht: ,So einen will ich haben‘", erklärt Jörg Schneider und meint damit seinen MTS 5 Traktor. Hergestellt 1958 in den Minsker Traktorenwerken, dem Stolz der sowjetischen Landwirtschaftsindustrie. Noch heute werden dort jährlich tausende Traktoren produziert, doch der MTS 5 mit seinen 45 PS ist für die beiden Ziethnitzer und Oldtimerfreunde in aller Welt noch immer etwas besonderes.

Durch einen Nachbarn erfuhr Jörg Schneider 1995, dass es in Hillersleben (Landkreis Börde) noch ein gut erhaltenes Exemplar gab. "Ohne Namen oder Adresse bin ich sofort losgefahren", schildert Schneider die Situation. Vor Ort hat er herumgefragt, bis er schließlich mit einem älteren Herren in einer dunklen Scheune stand. Dort war er. Etwas heruntergekommen zwar, aber mit seinem großen Kühlergrill eindeutig als MTS 5 erkennbar. "500 Mark wollte er damals dafür haben." Aus heutiger Sicht ein Schnäppchen. Nach vielen Jahren an Arbeit für das Restaurieren sieht man dem dunkelroten Traktor seine 53 Jahre kaum noch an.

Verkaufen würde Jörg Schneider sein Schmuckstück für kein Geld der Welt. "Das wäre so, als würde man die eigene Frau verkaufen", fügt Jens Bormann lachend hinzu. Seit 2002 nehmen die Freunde an Veranstaltungen im Wettkampf- und Schaupflügen teil. Was Bauern seit Jahrhunderten mit Hand- oder Pferdepflügen und in neuerer Zeit mit Traktoren tun, um ihre Felder zu pflegen, machen sie aus Freude. Über die Arbeit kamen die Männer in Kontakt, und irgendwann erzählte Jens Bormann vom Pflügen, das er schon seit 1985 betreibt. "Ich hatte die Erfahrung und Jörg den Traktor. So kamen wir zusammen", erklärt Bormann. Offenbar eine gute Kombination. Bei der deutschen Meisterschaft im Wettkampfpflügen errangen die Ziethnitzer 2004 den zweiten Platz.

Am Sonntag, 18. September, werden sie auch in Winterfeld antreten. Das dortige Schaupflügen ist eine der größten Veranstaltungen dieser Art in Deutschland. Jede Mannschaft bekommt bei solchen Wettkämpfen eine 50x12 Meter große Parzelle zugewiesen, die anschließend mit dem Traktor gepflügt werden muss. "Dabei kommt es vor allem auf Präzision an", erklärt Jens Bormann.

"Es gibt keine Ersatzteile mehr"

Die Furche muss nicht nur gerade, sondern auch gleichmäßig tief sein. Hinzu kommt die gleichmäßige Aufhäufung der ausgehobenen Erde und schließlich das sorgfältige Einebnen der Parzelle. "Das sind schon Feinheiten, die dann entscheidend sein können", sagt Jörg Schneider und lässt keinen Zweifel, dass bei ihm alles richtig läuft. Wie richtige Wettkämpfer trainieren auch die beiden vor wichtigen Veranstaltungen. "Man muss schon wissen, wann man das Lenkrad einschlagen muss, und sich aufeinander abstimmen", erklärt Jens Bormann.

Der Pflug, der wie ein Anhänger am Traktor befestigt ist, stammt aus dem Jahr 1961 und trägt den vielsagenden Namen "Siegerklasse". "Ein gutes Omen", sagt Jens Bormann schmunzelnd. Doch ähnlich wie beim Traktor wird das Alter des Pfluges langsam zum Problem. "Es gibt keine Ersatzteile mehr", bedauert Jörg Schneider. Die neuen Streichbleche am Pflug, die später in die Erde gleiten und die Furchen ausheben, sind nach seinem Wissen die letzten in Deutschland. "Wenn die mal hinüber sind, müssen wir uns was einfallen lassen." Beim Traktor kommt hinzu, dass in der ehemaligen DDR alte Traktoren verschrottet wurden, wenn ein neuer kam. Daher ist die Ost-Technik heute ebenso selten wie beliebt.

Das stellen Jörg Schneider und Jens Bormann auch immer wieder bei Treffen wie dem in Winterfeld fest. Treckerfreunde aus dem ganzen Land kommen dort zusammen. Zum Gucken und Fachsimpeln. Gemeinsam mit ihren Familien, den eigenen Wohnmobilen und dem Trecker auf dem Tieflader fahren auch sie von einem Treffen zum anderen.

Vor kurzem kam sogar ein Mann aus Estland zu ihnen. "Der wollte unbedingt unseren MTS 5 sehen", erzählt Jörg Schneider. Auch wenn sich die drei Männer kaum verständigen konnten, die Liebe zu Traktoren vereint sie.