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Notfall Wann kommen die Retter?

Der Tod eines Mitarbeiters des Salzwedler Hagebaucenters hat eine Diskussion über den Rettungsdienst im Altmarkkreis ausgelöst.

Von Antje Mewes 06.02.2019, 00:01

Salzwedel l Diesen Tag wird Gerhard Drebenstedt so schnell nicht vergessen. Bis vor kurzem war er Geschäftsführer des Hagebaucentrums und ist jetzt im Ruhestand. Er erhielt einen Anruf von seinen ehemaligen Kollegen, die nach Angehörigen eines Mitarbeiters fragten. Der hatte einen Schwächeanfall erlitten. In dem Baumarkt spielte sich zu dem Zeitpunkt ein Drama ab. „Ich war selbst nicht dabei, aber die Kollegen haben mir erzählt, was passiert ist“, sagte er im Volksstimme-Gespräch.
Demnach war der Mann in die Teeküche gegangen, wenig später wieder herausgekommen und habe einem Kollegen zugerufen: „Ruft den Notarzt, ich glaube ich habe einen Herzinfarkt.“ Er habe ein stark beklemmendes Gefühl in der Brust verspürt. Dann sei er noch wenige Schritte in Richtung eines Verkaufstresens gegangen und zusammengebrochen. Die Kollegen reagierten sofort, riefen den Notdienst. Von der Leitstelle erhielten sie die Auskunft, dass zur Zeit kein Fahrzeug verfügbar sei und sie sich ein wenig gedulden müssten. Sie hätten dann erste Hilfe geleistet. „Ein Kunde, der die Herzdruckmassage beherrscht, hat geholfen“, berichtet er. Nach 20 Minuten sei noch immer kein Rettungsdienst vor Ortgewesen. Da habe ein Kollege noch einmal angerufen. Der Notarzt sei mit einem Hubschrauber unterwegs und in sechs Minuten da – auch ein Rettungswagen sollte im Anmarsch sein, hieß es aus der Leitstelle. „Für die Kollegen war das eine Ewigkeit“, sagt Gerhard Drebenstedt. Für sie seien es „gefühlte 35 Minuten gewesen“ bis endlich professionelle Hilfe beim Patienten ankam.
Der verstarb später im Krankenhaus. Gerhard Drebenstedt senkt den Blick als er daran denkt. Der Verstorbene sei ein bekannter und beliebter Mitarbeiter des Baumarktes gewesen. „Ich habe ihn selbst 1991 eingestellt“, sagt der ehemalige Geschäftsführer. Ob der Tod des 58-Jährigen etwas mit den vorangegangenen Ereignissen und dem späten Eintreffen der Rettungskräfte zu tun hat, könne er nicht einschätzen. „Ich bin kein Mediziner und will auch niemanden anklagen“, betont er. Wichtig sei ihm, dass der Fall ausgewertet wird. „Denn es kann jeden von uns treffen“, so Drebenstedt.
Besonders tragisch ist aus seiner Sicht, dass das Krankenhaus nur 500 bis 600 Meter Luftlinie entfernt ist. Er sprach den Fall als Mitglied der CDU-Fraktion am Montagabend im Kreistag an und sorgte für betroffene Gesichter im Gremium. „Ist die Funktionalität des Rettungsdienstes im Kreis gegeben?“, fragte er.
Ein ähnliches Ereignis hatte 2014 für Schlagzeilen gesorgt, als eine 28-Jährige auf dem Salzwedeler Weihnachtsmarkt starb. Weil der Salzwedeler Notarzt im Einsatz war, musste damals Hilfe aus dem knapp 32 Kilometer entfernten Klötze angefordert werden. Sie kam jedoch zu spät.
Auf eine Anfrage der Volksstimme antwortet die Pressestelle des Kreises, dass laut Protokoll der Leitstelle im aktuellen Fall gleich nach der Notrufannahme die Alarmierung der Retter erfolgte. Da zu diesem Zeitpunkt die in Salzwedel stationierten Rettungsdienstfahrzeuge außerhalb im Einsatz, somit nicht verfügbar waren, wurden die Rettungswache Dähre und der Hubschrauber mit Notarzt in Uelzen alarmiert.
„Der Rettungswagen traf 23 Minuten und der Hubschrauber 19 Minuten nach seiner Alarmierung am Ereignisort ein“, erklärt Kreissprecherin Birgit Eurich. So hätten es die Rettungskräfte der Leitstelle übermittelt. Demnach sei der Helikopter zu diesem Zeitpunkt auf dem Boden gewesen.
Die sogenannte Hilfsfrist, die laut Rettungsdienstgesetz des Landes bei Notfällen einzuhalten ist, beträgt für Rettungstransportwagen (RTW) zwölf Minuten sowie für Notärzte zwanzig Minuten in 95 Prozent aller Notfälle.
Im Altmarkkreis würden 93 Prozent erreicht, dass sei verglichen zu anderen Regionen eine hohe Quote, schätzte Landrat Michael Ziche in der Kreistagssitzung ein. In anderen Landkreisen gebe es dahingehend deutliche Defizite. Er sprach von einem leistungsfähigen Rettungsdienst, über den die Westaltmark verfüge. Dennoch könne nicht auf jede Notlage hundertprozentig in „gewünschter Form“ reagiert werden. Das sei bedauerlich und in Einzelfällen wie diesem sehr tragisch. Dennoch sei der Rettungsdienst nicht so schlecht, wie das genannte Beispiel zeige. Das System sei in Ordnung. Wenn alle Fahrzeuge und Notärzte im Einsatz seien, bestehe die Möglichkeit, den Hubschrauber anzufordern. Das Geschehen soll nun geprüft und ausgewertet werden. Zudem werde sich der zuständige Ausschuss damit befassen. Gerhard Drebenstedt erhalte eine klare Antwort.