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Rechtsextremismus Mehr politische Gewalttaten in Salzwedel

In Salzwedel häufen sich politische Gewalttaten. "Es ist nicht normal, was hier abläuft", sagt Martin Burgdorf vom Verein Miteinander.

Von Antonius Wollmann 08.06.2018, 01:01

Salzwedel l In Salzwedel eskaliert die Gewalt zwischen der rechten und linken Szene. Vorläufiger Höhepunkt war der mutmaßliche Überfall von Neonazis auf das Autonome Zentrum „Kim Hubert“ in der Nacht zum Dienstag. Martin Burgdorf vom Regionalen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus des Vereins Miteinander hat die aktuelle Lage eingeschätzt.

Herr Burgdorf, die Polizei kann weder eine rechte noch eine linke Szene in der Stadt erkennen. Dabei häufen sich die Vorfälle zwischen beiden Gruppen. Wie schätzen Sie die Lage ein?
Martin Burgdorf: In den vergangenen Monaten haben wir in der Tat sehr viele Aktionen von rechts beobachten können. Der Angriff aufs Autonome Zentrum ist dabei der traurige Höhepunkt dieser Entwicklung. Das war definitiv eine Grenzüberschreitung. Auch im Alltag treten die Rechten immer offensiver auf.

Wie äußert sich das?
Die Rechten bemühen sich, eine Einschüchterungskulisse aufzubauen. Und zwar mit Hilfe von gezielten Provokationen, Angriffen und Bedrohungen. Sie fahren etwa mit vollbesetzten Autos am Autonomen Zentrum und dem Hanseat in der Altperverstraße vorbei und stellen politischen Gegnern nach. Das hat schon den Charakter von Streifenfahrten. Auch vor Schulen sollen sie schon aufgetaucht sein.

Auf wen haben es die Rechten bei ihren Aktionen besonders abgesehen?
Im Fokus stehen natürlich Personen aus dem linken Spektrum. Es sind aber nicht nur Linksradikale betroffen. Es reicht auch schon beispielsweise ein Refugees-Welcome (englisch: Flüchtlinge sind willkommen), um ins Visier zu geraten. Weitere Opfer sind Migranten und Flüchtlinge.

In der Kriminalstatistik spiegelt sich das allerdings nicht wider.
In der Tat wird nur ein Bruchteil der Taten angezeigt. Die Neigung vieler Opfer, mit der Polizei zu sprechen, ist oft sehr gering ausgeprägt. Die Furcht vor Racheaktionen spielt ebenfalls eine Rolle. Und teilweise die Sprachbarriere. Daher spielt sich das meiste unter der Oberfläche ab. Man kann es so zusammenfassen: Es passiert viel, jedoch wird nur wenig wahrgenommen.

Wie würden Sie insgesamt die rechte Szene in Salzwedel charakterisieren?
Sie ist informeller unterwegs als vor einigen Jahren, als die Freien Nationalisten Altmark West noch existierten. Die Neonazis in der Stadt firmieren zum Beispiel nicht unter einem Gruppennamen. Es handelt sich eher um Freundeskreise. Manchmal mischen auch Leute mit, die ideologisch nicht gefestigt sind, aber Bock auf Gewalt haben. Viele Salzwedeler sind schon auf überregionalen Nazi-Aufmärschen gesehen worden. Dass es hier eine organisierte rechte Szene gibt, die gezielt Jagd auf politische Gegner macht, steht für mich außer Frage.

Wie sollte man aus Ihrer Sicht mit den Neonazis umgehen?
Man sollte auf sie öffentlichen Druck aufbauen. Es wäre gut, wenn sie im privaten Umfeld unter ständigen Rechtfertigungsdruck gesetzt werden. Ich würde mir auch von der Bürgermeisterin eine klare Positionierung wünschen. Es ist nicht normal, was hier abläuft.