Schulabgänger Gehen oder bleiben?

Nach der Schule die Altmark verlassen oder nicht? Wir fragten bei Schülern in Salzwedel nach.

Von Leonie Dreier 02.01.2020, 00:01

Salzwedel l Junge Leute haben es schwer, im Altmarkkreis ihren Lebensmittelpunkt zu finden. Aber wie sieht die aktuelle Tendenz aus? Ist in der Kreisstadt auch der Trend angekommen, nach der Schule erstmal weiterhin zu Hause zu wohnen und möglichst in der Nähe zu studieren oder eine Ausbildung zu machen? Dazu fragte die Volksstimme künftige Abiturienten und Zehntklässler nach ihren Plänen. Hält sie etwas in der Altmark oder zieht es sie in die Welt hinaus? Wenn ja, was möchten die Schüler an ihrer Umgebung verbessern? Wie sehen die Ausbildungswünsche aus? Das Ergebnis in Salzwedel war ein recht eindeutiger Trend.

Sie haben ihr Abitur bald in der Tasche. Mit dem höchsten deutschen Schulabschluss steht ihnen die Welt offen. Und die meisten von ihnen hält offensichtlich auch nichts mehr in der Altmark. Salzwedels Gymnasiasten zieht es mehrheitlich in die Ferne. Und dafür gibt es viele Gründe, wie die Volksstimme im Gespräch mit den Schülern des Salzwedeler Jahn-Gymnasiums erfuhr.

So fehlt den meisten Abiturienten in der ländlichen Umgebung ihrer Heimatstadt die Infrastruktur. Da heißt es zu improvisieren: „Weil es in der Altmark nicht viele Freizeitmöglichkeiten gibt, veranstalten wir oft private Partys", erklärt zum Beispiel der 17-jährige Sebastian Rötz aus Riebau. Auch die Anbindung zwischen Salzwedel und den umliegenden Dörfern bemängelt er. Freunde zu besuchen, sei da nicht so einfach und spontan schon gar nicht möglich: „Oftmals müssen deshalb unsere Eltern fahren", beklagt Sebastian weiter. Deshalb will er auch gleich nach dem Abitur nach Niedersachsen gehen. Dort würde er gern bei VW ein duales Studium beginnen.

Sarah Starke aus Steinitz zieht es zunächst sogar ganz weit weg von zu Hause. Sie plant erstmal nach ihrem Abschluss ein Auslandsjahr in Irland.  Und auch danach ist Großstadtleben statt Kleinstadt angesagt. Anschließend möchte sie ihren Lebensmittelpunkt nämlich nach Hamburg verlegen und dort auch studieren. „Da nach Salzwedel keine Autobahn führt, würde es mit dem Pendeln eher schwierig werden", schätzt sie ein. Nach dem Studium wieder in die Altmark zurückzuziehen, kann sich die 17-Jährige nicht vorstellen. Es sei schwer, sich hier beruflich dauerhaft etwas aufzubauen, denkt sie. Auch sie bemängelt das fehlende Freizeitangebot für Jugendliche, vor allem abends. Selbst das Einkaufen stelle ihre Generation vor Herausforderungen, sagt sie. Sie hofft deshalb für die jüngeren Salzwedeler, dass das Freizeitprogramm noch ausgebaut wird.

Maxima Heyer aus Salzwedel möchte dagegen nicht ganz so weit weg. Sie würde am liebsten in Brandenburg Medizin studieren. Falls es allerdings mit dem Studienplatz nichts wird, hat sie auch schon einen Plan B: nämlich eine Ausbildung im Krankenhaus in Salzwedel. Ein damit verbundenes Stipendium würde sie erstmal für sieben Jahre verpflichten, in der Altmark zu bleiben. Aber eigentlich zieht es auch sie eher in die Ferne.„Ich liebe hier zwar die Ruhe, trotzdem möchte ich gern mal das Leben in einer größeren Stadt kennenlernen", wünscht sich Maxima. Sie findet es schade, dass es in Salzwedel keine Uni oder Hochschule gibt, was es den Abiturienten erschwert, überhaupt in der Umgebung Salzwedels zu bleiben.

Noch unentschlossen, wie es nach dem Abi weitergeht, ist einer ihrer Mitschüler. „Ich habe bisher noch keinen wirklichen Plan, was ich nach dem Abitur machen werde", gibt  der 17-jährige Simon Schröder aus Buchwitz zu. Doch auch für ihn steht trotzdem schon fest, dass er in den nächsten Jahren aus Salzwedel wegziehen will. Seine Begründung: „Selbst um Kleidung einzukaufen, muss man den Weg nach Wolfsburg auf sich nehmen." Außerdem hat er noch woanders in Deutschland Familie, was ihn auch zum Gehen bewegt.

Der künftige Abiturient Leon Brandt aus Salzwedel will auch erstmal nach der Schule die Welt sehen. Der 18-Jährige plant, für ein Jahr ins Ausland zu gehen. „Anschließend würde ich gerne in Magdeburg studieren", erzählt er. Welche Studienrichtung er wählen wird, weiß er noch nicht. Auch er kritisiert wie Maxima, dass Salzwedel keine Möglichkeit eines Studiums bietet. Die Kreisstadt habe weder eine Universität noch ist sie Teil einer Hochschulgemeinschaft, wie Magdeburg und Stendal. „Wenn Salzwedel eine Universität hätte, bliebe ich wahrscheinlich sogar in der Region", betont er. Damit ist der Abiturient allerdings der Einzige in der Runde der befragten jungen Leute.  Auch wenn die Umfrage nicht repräsentativ ist: Der größte Teil der Jahn-Gymnasiasten will offensichtlich nicht bleiben.

Das Fernweh plagt sie offensichtlich nicht. Sie bleiben lieber bodenständig und damit auch ihrer Heimat treu: Die Zehntklässler der Ganztags-Gemeinschaftsschule Comenius in Salzwedel sehen ihre Zukunft mehrheitlich in der Altmark und haben schon genaue Vorstellungen für ihre berufliche Karriere. Das zumindest ist das Ergebnis der Volksstimme-Umfrage unter Schülern des kommenden Abschlussjahrganges.

Der 17-jährige Salzwedeler Ben Furche will zum Beispiel seinen erweiterten Realschulabschluss machen. Er weiß aktuell auch schon ganz genau, wie es für ihn weitergehen soll. „Ich plane eine Lehre zum Vermesser in einem Betrieb in Salzwedel. Dort werde ich mich im kommenden Februar bewerben", erzählt Ben. Und er weiß auch schon, was auf ihn zukommt. Bei diesem Betrieb hat er nämlich ein Praktikum gemacht. Nach der Ausbildung könne er sich aber vorstellen, Salzwedel zu verlassen, sagt der Realschüler. „Welche Stadt es werden soll, ist noch offen. Aber jedenfalls möchte ich mal eine andere kennenlernen."

Die Schülerin Pia Marie Hennings möchte ebenfalls ihren erweiterten Realschulabschluss schaffen. Auch die 17-Jährige aus Wöpel hat schon einen genauen Plan, wie ihre Zukunft aussehen soll. „Ich habe mich bei der Bundespolizei in Neustrelitz beworben", erzählt sie im Gespräch mit der Volksstimme. Anfang November hat sie den Deutsch- und Sporttest  bestanden. Weil sie noch zu jung sei, könne sie bei der Bundespolizei allerdings erst im März 2021 anfangen, erklärt sie. Aber für diese Zwangspause hat die gut organisierte junge Frau ebenfalls eine Lösung parat: „Entweder gehe ich weiter zur Berufsschule oder mache ein freiwilliges Jahr." Nach ihrer Zeit bei der Bundespolizei sieht sie in der Altmark aber eher keine Zukunft für sich. „Man hat hier nicht so viele Möglichkeiten. Theoretisch könnte ich mir vorstellen hierzubleiben, was aber mit einem Beruf bei der Bundespolizei schwierig wäre." In Salzwedel könne man eher handwerkliche Berufe ausüben, findet sie.

Und genau das plant auch einer ihrer Mitschüler: Denn der 16-jährige Jole Krüger aus Salzwedel sieht seine Zukunft tatsächlich im Handwerk und dazu in der Altmark. Nach seinem Realschulabschluss im kommenden Jahr will er nämlich in einem Unternehmen in Ritze den Zimmermannsberuf erlernen. „Und auch nach meiner Ausbildung möchte ich dann gern hier wohnen bleiben. In einer Großstadt könnte ich nicht leben. In Hamburg regnet es immer", begründet er augenzwinkernd. So sieht echter Lokalpatriotismus aus.

Dass die Zehntklässler in Salzwedel schon ziemlich konkrete Pläne haben, dafür ist auch Darius Marco Unrath aus Salzwedel ein gutes Beispiel. Denn auch er hat auch schon einen genauen Plan: Der 15-Jährige möchte Kfz-Mechatroniker werden. Dazu hat er sich bei der Bundeswehr in Münster in Nordrhein-Westfalen beworben. „Wenn ich die Stelle nicht bekomme, habe ich aber noch andere Bewerbungsmöglichkeiten", versichert er. Denn auch für ihn gilt: Er würde am liebsten in Salzwedel bleiben. „Weil ich den Draht zu meiner Familie nicht verlieren will", antwortete er auf die Frage nach dem Warum.

Auch Marvin Gedeon Stephan aus Seeben möchte einen handwerklichen Beruf erlernen. „Ich will etwas mit Metall machen, wie Schlosser", erzählt er.  Beworben hat sich der 15-Jährige noch nicht. Aber auch er will nicht weit weg. Erstmal möchte er in der Hansestadt bleiben. Meine Familie, Freunde und das ganze Umfeld sind hier", sagt Marvin. Er könne sich aber auch vorstellen, nach der Ausbildung nach Magdeburg zu gehen, meint er. Das sei ja auch nicht soweit entfernt.

Fazit der Umfrage: Die Sekundarschüler aus Salzwedel möchten mehrheitlich in der Region bleiben oder nach der Ausbildung zurückkommen. Ihre Berufswünsche sind bodenständig und solide. Eine gute Perspektive, bestätigt Pressesprecherin  Carolin Piehl von der Agentur für Arbeit Stendal. An Ausbildungsplätzen mangelt es derzeit nämlich nicht.