Gericht Vom Zeugenstuhl auf die Anklagebank?
Eine Salzwedelerin droht nach ihrer Zeugenaussage am Amtsgericht Post von der Staatsanwaltschaft wegen möglicher Falschaussage.
Salzwedel l Es war eigentlich eine wenig spektakuläre Verhandlung. Ein vorbestrafter Salzwedeler musste sich vor dem Amtsgericht für Fahrerflucht verantworten. Prekär wurde es stattdessen bei den Zeugen, Mutter und Tochter. Denn deren Aussagen passten nicht zu jenen, die sie bereits bei der Polizei zu Protokoll gaben. Daraufhin wurde der Vertreter der Staatsanwaltschaft hellhörig, aber der Reihe nach.
Auf der Anklagebank von Richter Klaus Hüttermann musste sich kürzlich ein junger Salzwedeler verantworten. Er soll im Herbst vergangenen Jahres ohne Führerschein mit einem Auto einen Unfall verursacht haben. Der Wagen hatte keinen Tüv mehr und war nicht Pflichtversichert. Zwei Zeuginnen sollten Licht ins Dunkel bringen, schließlich ging um ihr Auto. Doch Mutter und Tochter warfen mehr Fragen auf, als sie zu beantworten.
„Ich kann nichts dazu sagen, an dem Tag war ich Harfe spielen“, sagte die 52-Jährige Mutter eingangs. Sie hätte mit der Geschichte nichts zu tun, schließlich gehöre das Auto, mit dem vom Unfallort geflohen worden sein soll, ihrer Tochter. Die 32-jährige Tochter konnte nicht sagen, wer mit dem Auto gefahren war. „Der Schlüssel sei versteckt gewesen.“ Doch das deckte sich nicht mit der Aussage bei der Polizei. „Sie sagten, Sie hätten den Schlüssel weggegeben“, erinnert sie der Richter. Daran wollte oder konnte sie sich nicht erinnern. „Ich war an dem Tag verkatert.“ Außerdem verstecke sie den Schlüssel immer, sonst „ist der irgendwann weg.“
„Hat die Polizei also komplett gelogen“, will Hüttermann wissen. Das wisse sie nicht. Spätestens ab diesem Moment ahnte der Vertreter der Staatsanwaltschaft, dass etwas nicht stimmen könne. Denn selbst daran, ob sie mit dem Angeklagten in Anwesenheit der Polizei telefoniert habe, konnte sie sich nicht mit Bestimmtheit erinnern. „Auf eine Falschaussage drohen drei Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe“, raunte die sichtlich genervte Staatsanwaltschaft: „Wollen Sie sich den Mist vielleicht nochmal überlegen? Sie haben hier und vor der Polizei gelogen.“ Er mahnte sie, dies nun ernst zu nehmen.
Doch die 32-Jährige blieb dabei. Sie wisse nicht, ob der Angeklagte oder jemand anderes mit ihrem Auto gefahren sei. Allerdings wurde ihre Aussage durch den Druck der Staatsanwaltschaft wackeliger: „Dann hab ich vielleicht telefoniert.“ Das sei schließlich ewig her. „Nein, das ist nicht ewig her“, sagte der Richter: „Ende 2018.“ Zudem werde man nicht täglich von der Polizei aus dem Bett geholt, ergänzte die Staatsanwaltschaft. Doch so sehr sich das Gericht und die Staatsanwaltschaft bemühte, die Zeugin wich von ihren vagen Aussagen nicht ab. Vielmehr will sie der Polizei gesagt haben, sie nehme alles auf ihre Kappe. „Damit das endlich vorbei ist.“ 100 Euro Bußgeld habe sie schon gezahlt – obwohl sie nicht gefahren sei.
„Ich weiß nicht, wie Sie auf den irren Gedanken kommen, hier so durchzukommen. So einen Mist hört man hier selten“, ärgerte sich der Vertreter der Staatanwaltschaft. Der Mutter hingegen schwante mittlerweile Böses. Ihre Tochter sei stets loyal, erklärte sie. Nun konnte sich die 52-Jährige doch daran erinnern, mit einem Mann telefoniert zu haben.
Richter Hüttermann unterbrach die Verhandlung kurz und gab der 32-Jährigen die Möglichkeit, ihre Aussage zu korrigieren – aber sie lehnte ab. Der Angeklagte wurde zu elf Monaten Freiheitsstrafe auf drei Jahre Bewährung und 800 Euro Geldstrafe verurteilt. Sollte er sich nichts mehr zu Schulden kommen lassen, ist die Sache vom Tisch. Nicht für die 32-Jährige. Sie muss nun mit einem Verfahren wegen Falschaussage rechnen.